Oberbürgermeister Peter Feldmann stellt sich hinter Attac

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Mit großem Unverständnis hat Oberbürgermeister Peter Feldmann heute auf die Ankündigung des Frankfurter Finanzamts reagiert, das dem Trägerverein des globalisierungskritischen Netzwerks Attac die Gemeinnützigkeit entzogen hat. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation halte die Behörde Attac für zu politisch.

 

Solche nichtstaatlichen Organisationen sind zivilrechtliche Interessenverbände, die staatliches Handeln beeinflussen wollen, wobei nichtstaatlich eher zu interpretieren ist, als regierungsunabhängig. Dafür ist Attac gegründet worden. Die Spender haben diese unverständliche Reaktion der Frankfurter Finanzbehörde als erste erfahren, denn auf der entsprechenden Webseite der Organisation, die ohne Spenden nicht lebensfähig ist, war die Kontonummer nicht mehr angegeben, schlicht deshalb, weil sich Attac sonst den Betrugs schuldig gemacht hätte. Daß das Finanzamt eines Besseres belehrt wird, ist jetzt also öffentliche Aufgabe.

 

Daß sich auch der Oberbürgermeister persönlich dazu äußert, darüber kann und muß man froh sein. Nach Ansicht des Finanzamtes Frankfurt, das zuständig ist, weil sich hier der Bundesvorstand von Attac befindet, setze Attac in seiner Arbeit mehr auf politische Einmischungen und engagiertes Mitgestalten der Bürgerinnen und Bürger, als es die Abgabenordnung als gesetzliche Grundlage erlaube. Es fehlten die Bildungsbemühungen, die weitere Grundlage der Gemeinnützigkeit sind. „Ich kenne die Motive für die Entscheidung des Finanzamtes nicht aus erster Hand, aber diese Begründung würde mir überhaupt nicht einleuchten“, schlußfolgert Peter Feldmann. „Wir brauchen bürgerschaftliches Engagement und müssen es fördern. Ich halte es für ein völlig verkehrtes politisches Signal, einer verdienten und breit getragenen Organisation wie Attac Steine in den Weg zu legen.“

Man muß ganz deutlich sagen, daß die Entscheidung des Frankfurter Finanzamtes von großer politischer Tragweite ist, denn sie haben dort hoffentlich gewußt, was sie tun. Die Finanzbehörden werden jetzt mit einer Diskussion überzogen werden, die sich gewaschen hat. Es geht nämlich um nicht mehr und weniger als die Existenz dieser gesellschaftlich von allen hochgehaltenen Organisation, die 95 Prozent ihrer Kosten aus den Spenden requiriert. Dies teilte die überraschte Geschäftsführerin Stephanie Hartmann zur drastischen Behördenentscheidung mit. Wenn man gleichzeitig weiß, wer und welche Gruppen in Deutschland die Gemeinnützigkeit attestiert erhalten und wenn man weiß, daß gemeinnützige Vereine kein Vermögen anhäufen dürfen, ja noch nicht einmal vernünftige Rücklagen bilden können, muß dahinter das Kalkül einer politischen Absicht vermuten.

 

Das allerdings paßt auf die Situation der Bundesrepublik wie ein Kropf, sprich: überhaupt nicht. Normalerweise wird bei Infragestellung von Gemeinnützigkeit erst einmal eine Prüfung vorgenommen und der entsprechende Verein vorgewarnt, damit er fehlende Belege und Begründungen nachliefern kann. Im Fall von Attac ist das besonders interessant, als man als Bürger schlichtweg sagen kann, daß allein deren Aktionen einen gesellschaftspolitischen Bildungsauftrag für die Bevölkerung ausführen. Allein dadurch, daß und vor allem wogegen protestiert wird, wird das Wissen und das verantwortliche Wissen von Bürgen automatisch unterstützt und gestärkt. Wenn man zudem erfährt, daß Attac in Deutschland knapp 30 000 Mitglieder hat und seit dem Jahr 2000 hierzulande Aufklärung betreibt, merkt man, daß etwas faul ist im Staate Deutschland.

 

Auf jeden Fall stellt sich Oberbürgermeister Peter Feldmann an die Seite von Bundespräsident Joachim Gauck, der in einer Rede am gestrigen Donnerstag bei der Bosch-Stiftung ausdrücklich die Verdienste von Attac als positives Beispiel für ein erfolgreiches bürgerschaftliches Engagement gewürdigt hatte. Er hatte geäußert: „Vieles von dem, was wir heute als selbstverständlich erachten, ist aus der Gesellschaft heraus – und oft gegen massive Widerstände – erkämpft worden.“ Peter Feldmann fügte seiner Stellungnahme an: „Ich treffe den Bundespräsidenten am Samstag in der Paulskirche bei den Feiern zum 100. Geburtstag der Goethe-Universität und werde mit ihm über die Situation sprechen. Frankfurt ist die Stadt, in der kritische Geisteswissenschaft und Finanzwirtschaft seit langem im konstruktiven Diskurs sind.“

Feldmann kündigte außerdem an, Vertreter von Attac zu Veranstaltungen der Stadt einzuladen: „Hier in Frankfurt wird niemand mundtot gemacht.“

 

Höchste Zeit, daß sich auch das Finanzministerium in Wiesbaden anschaut, was hier passiert. Die Finanzbehörden haben über ihre Methoden in den vergangenen Jahren Federn lassen müssen: die Steuerfahnderpeinlichkeiten, ach was, das sind ja mehr als Peinlichkeiten, das ist Unrecht, liegen unbewältigt noch in der Luft. Und da kommt ausgerechnet aus dem Finanzamt Frankfurt eine derartige Aktion, die die politische Gemengelage der Republik empfindlich zuungunsten von politischer Kritik verändert.

Wir werden weiter berichten, denn man hört auch von weiteren Aktionen von anderen Finanzämtern gegen kritische Organisationen wie den BUND, den Verein Courage u.a.

 

Foto: Schlägt deshalb das Finanzamt zurück?