Vor 70 Jahren befreite die US-Armee Frankfurt von der NS-Herrschaft

 

Hubertus von Bramnitz und Bernd Häußler (pia)

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am 29. März 1945 war für die Mainstadt der Krieg vorbei. Die historische Altstadt war restlos von Bomben zerstört. Viele Einwohner hatten die Stadt verlassen, da ihre Wohnungen vernichtet waren. Das heutige Frankfurt ist aus den Ruinen entstanden, woran nur noch die Erinnerung haben, die es erlebten.

 

"Die Stadt war grau, in weiten Bezirken tot, Trümmer und Ratten. Der Frühling war auf eine heftige Weise ausgebrochen. An der Ecke Siesmayerstraße, Feldbergstraße saßen die GIs und pickten gleichmütig in ihren Kochgeschirren herum", so beschreibt ein Zeitzeuge melancholisch die ersten Friedenstage in Frankfurt am Main. Am Donnerstag, dem 29. März 1945 hat der Frontsender der US-Army gegen 16 Uhr die Einnahme der Stadt verkündet - schon knapp sechs Wochen vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht Ende Mai 1945.

 

 

Nichts steht mehr

 

Was Einheiten der amerikanischen 3. Armee des Generals Patton da besetzen, ist freilich weitgehend nur noch eine Ruinenlandschaft. Drei Großangriffe im Jahr zuvor hatten die gesamte Altstadt in Schutt und Asche gelegt. Vernichtet ist der Altstadt-Kranz um Römerberg und Domhügel mit seiner Fachwerkarchitektur und den engen winkeligen Gassen; zerstört sind viele der alten Kirchen, der Römer mit dem Kaisersaal, das Goethehaus. Einer der schönsten und in sich geschlossenen gotischen Stadtkerne Deutschlands ist ausgelöscht. Frankfurt gehört zu den am heftigsten bombardierten deutschen Städten neben Köln, Hamburg, Dresden, Kassel und Darmstadt.

 

 

Verteidigung um jeden Preis

 

Die Gesamtbilanz der Luftangriffe: nahezu 5.000 Todesopfer unter der deutschen Frankfurter Bevölkerung, hinzukommen Tausende von Toten unter den ausländischen Internierten und Zwangsarbeitern. Dennoch: Man wollte sich den Amerikanern nicht kampflos ergeben. In den Tagen vor dem 29. März hämmern bis zuletzt dröhnende Durchhalteparolen der Nazis auf die Bevölkerung ein: "Frontstadt Frankfurt wird gehalten!" "Verteidigung der Stadt bis zum letzten Mann", lautet die Kampfanweisung für Frankfurt am Main, derweil sich die örtlichen Nazi-Größen auf ihre Flucht vorbereiten.

 

 

Geschützdonner liegt in der Luft

 

Ein letztes Aufgebot kaum mehr kampftauglicher Wehrmachtsverbände sollte die "Frontstadt" halten, derweil die Amerikaner immer näher rückten. Um die US-Army an der Mainlinie aufzuhalten, befiehlt der Oberbefehlshaber West der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Kesselring, die Frankfurter Mainbrücken zu sprengen. Am Montag, dem 26. März, erreicht eine amerikanische Panzerdivision den südmainischen Stadtteil Sachsenhausen. "Geschützdonner erfüllte die Luft, um 11 Uhr ging die Wilhelmsbrücke hoch", beschreibt ein damaliger Einwohner die Situation an der heutigen Friedensbrücke, "immer wieder zogen Truppen abgekämpfter, abgerissener Soldaten vorbei. Um 12 Uhr Vollalarm, Sachsenhausen war von den Amerikanern besetzt. In den Vorgärten der Schweizer Straße standen ihre Panzer. Später hörte man eigenartige "'Schüsse': Das Dienstmädchen der Nachbarn klopfte eifrig Teppiche! 'Der Krieg ist aus, jetzt mach‘ ich sauber.'"

 

 

Stück für Stück gen Norden

 

Über einen ersten Brückenkopf am Nordufer stoßen unterdessen amerikanische Panzer ins Bahnhofsviertel vor. Kesselring verlangt vom Frankfurter Kampfkommandanten, die Amerikaner über die Mainlinie zurückzudrängen - der ignoriert diesen absurden Befehl, wird abgesetzt und durch einen SS-Offizier abgelöst. Die amerikanischen Verbände erobern Stück für Stück das Frankfurter Terrain; über die Innenstadt dringen sie weiter gen Norden vor. Bis zum Nachmittag des 29. März dann ist Frankfurt fest in ihrer Hand - für die Stadt hat die Nachkriegszeit begonnen.

 

 

Hochburg unerwünschter Gesinnungen

 

Allerdings, da war einiges an Vergangenheit zu bewältigen. Zu den Hauptstützen des Nazi-Regimes hatte Frankfurt am Main zwar nicht gehört, vor allem nicht zu den Favoriten-Städten der NS-Größen, wenngleich die NSDAP dort bei den Reichstagswahlen vom März 1933 mit 44,1 Prozent noch um 0,2 Prozent über dem Reichsdurchschnitt lag. Aufgrund seiner ausgeprägten demokratischen und jüdischen Tradition galt die Stadt vor 1933 bei den Nationalsozialisten als "Hochburg des Liberalismus und des Marxismus", als die "Judenmetropole"; die Frankfurter Israelische Gemeinde war mit ihren rund 30.000 Mitgliedern die zweitgrößte Deutschlands.

 

Nach der "Machtergreifung", fand sich die örtliche Führungsriege der Nazis insbesondere in der Konkurrenz mit anderen Städten in dem Dilemma, ihr selbst propagiertes Negativbild mit einem neuen Image übertünchen zu müssen, das zur NS-Ideologie passte. Die Frankfurter NS-Chargen um Oberbürgermeister Friedrich Krebs versuchten beharrlich, den Ruf der "Stadt der 'Frankfurter Zeitung' und Maier Amschel Rothschilds" bei ihren Oberen in Berlin, besonders beim "Führer" Adolf Hitler, im Sinne nationalsozialistischer Geisteshaltung aufzupolieren.

 

 

Umetikettierung in den früher 30er Jahren

 

Schon im März 1933 hatten sie Hitler die Ehrenbürgerschaft angedient und bemühten sich nun, den "Makel" jüdischer und demokratischer Traditionen durch ihnen genehmere Aspekte der Stadtgeschichte zuzudecken. Man berief sich plakativ auf die "Goethestadt", auf die Vergangenheit als "Kaiserwahl- und Krönungsstadt", versuchte, Frankfurt als Festspiel- oder als Messestadt herauszustellen - ohne Resonanz in Berlin. Der für Juni 1935 in Frankfurt geplante Reichshandwerkertag ließ Krebs schließlich auf den Gedanken verfallen, Frankfurt offiziell als "Stadt des deutschen Handwerks" etikettieren zu lassen. In Berlin bemühte er sich um das allerhöchste Einverständnis. Das Plazet kam denn auch, per Telegramm: Hitler erklärte sich geneigt, dass sich Frankfurt "künftig Stadt des deutschen Handwerks nennt".

 

Dennoch zeitigte auch diese Umetikettierung nicht so ganz den gewünschten Erfolg; zwar ließen sich gelegentlich höhere NS-Größen wie Propagandaminister Joseph Goebbels und auch Hitler höchstselbst in Frankfurt bei Propagandaveranstaltungen blicken, vom erlesenen Kreis der vom Führer bevorzugten Städte blieb Frankfurt auch jetzt ausgeschlossen, obwohl auch hier seit Herbst 1941 die jüdische Bevölkerung Frankfurts in die Ghettos und Vernichtungslager deportiert und am hellen Tage durch die Straßen der Stadt zum Abtransport in Eisenbahnwaggons geführt wird.

 

 

Große Erleichterung

 

Den Einmarsch der Amerikaner erlebte die Frankfurter Bevölkerung mit großer Erleichterung. "Ja, da war es also vorbei, dies Henken und Köpfen", erinnert sich ein Zeitzeuge, "seit die Männer in den kleinen Wagen, Jeeps genannt, in den Taunus gerollt waren und eines Tages auch nach Frankfurt. Das Regime der Nazis war vorbei, und den Amerikanern war es schnurz und piepe, ob man die letzten großsprecherischen Aufrufe der Nazisender abhörte oder nicht."