Frankfurts Streuobstwiesen sind mehr als ein Apfelwein-Anbaugebiet, Teil 1/2

 

Nicole Unruh und Cordula Passow

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Äppelwoi!!, veräppeln einen gerne diejenigen, die einen als Frankfurter nicht an die weltstädtische Metropole erinnern möchten, sondern an Alt-Sachsenhausen und das selige Äppeöwoitrinken gemeinsam und alleine. Aber woher kommen die ganzen Äppel, die nichts zu tun haben mit hochherrschaftlichen Äpfeln, also die Äppel, die für das hierzulande Stöffche genannte Gebräu gebraucht werden.

 

Frischluftgarant, Tierparadies, Erholungsort: Auf Frankfurts Streuobstwiesen, am Rande der Großstadt, liegt die Quelle fürs Stöffche und ein wertvoller Lebensraum für Mensch und Tier. Das Umweltamt der Stadt setzt sich seit Jahren für den Erhalt von Bäumen und Wiesen ein.

 

Jetzt gedeiht sie wieder, die wichtigste Zutat für das Frankfurter Stöffche: Auf den Streuobstwiesen leuchten die ersten roten Äpfel, die Ernte- und Kelterzeit steht vor der Tür. Menschen wie Tiere profitieren von den idyllischen Biotopen am Rande der Großstadt – doch deren Anblick ist seltener geworden. Mit zahlreichen Maßnahmen setzt sich das Frankfurter Umweltamt für den Erhalt der Streuobstwiesen ein.

 

Die Wiesen haben einen enormen Wert für die Tier- und Pflanzenwelt“, betont Christa Mehl-Rouschal, Leiterin der Sachrate Biotop- und Artenschutz bei der Unteren Naturschutzbehörde im Frankfurter Umweltamt. Auf Streuobstwiesen findet sich die traditionelle Form des Obstbaus mit lockeren, „verstreuten“ Anpflanzungen hochstämmiger Obstbäume, meist unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Arten und Sorten. Ein wichtiges Merkmal ist die extensive Nutzung: Es wird nicht gedüngt oder gespritzt, nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht, und abgestorbene Bäume bleiben nach Möglichkeit stehen.

 

 

Steinkauz, Fledermaus und Iltis fühlen sich wohl

 

Dadurch entstehen wertvolle Lebensräume: Bis zu 3 000 Tierarten besiedeln die Streuobstwiesen – die meisten sind Insekten, aber auch die Vogelwelt gilt als besonders artenreich. Gartenschwanz und Grünspecht, Neuntöter und Wendehals fühlen sich hier ebenso wohl wie der bedrohte Steinkauz. Durch Bruthilfen hat sich die Zahl dieser Eulenart von wenigen Exemplaren auf rund 80 Paare erhöht. Bedrohte Fledermausarten nutzen den Höhlenreichtum der alten Bäume, Zauneidechsen und Blindschleichen sind unterwegs, auch Igel und Iltisse streifen über die Wiesen, die ihrerseits eine bemerkenswerte Vegetation beheimaten. „Solche Lebensräume findet man in der Stadt sonst kaum noch – sie sind sehr wichtig für die Biodiversität“, erklärt Annerose Pfeffer, gartenbautechnische Angestellte in der Unteren Naturschutzbehörde.

 

 

Auch die Frankfurter profitieren

 

Auch die Menschen profitieren in vielerlei Hinsicht von den Streuobstwiesen. „Sie dienen als Frischluftschneisen und ermöglichen, dass kalte Luft in die am Talboden liegende Stadt gebracht wird“, sagt Christa Mehl-Rouschal. Die Wiesen filtern schädliche Immissionen aus der Luft, sie dienen der stadtnahen Erholung und sind zu jeder Jahreszeit ein herrlicher Anblick. Zudem schmecken die Früchte der traditionell angebauten Sorten nicht nur besser als Supermarktware, sie gelten auch als genetisch wertvoll. „Alte Sorten sind besonders resistent gegen Krankheiten und viel verträglicher für Allergiker“, erläutert Annerose Pfeffer.

 

Nicht zu vergessen ist der kulturhistorische Wert: „Die Streuobstwiesen haben große Bedeutung für das beliebte Stöffche, von dem in Frankfurt ja ganze Stadtteile leben“, sagt Christa Mehl-Rouschal schmunzelnd. Am Berger Hang etablierte sich der Streuobstbau, nachdem die kleine Reblaus im 19. Jahrhundert dem Weinbau ein jähes Ende bereitet hatte. Apfelwein entpuppte sich als sinnvolle Alternative zum Wein und avancierte zum hessischen Nationalgetränk.

 

 

Siedlungsdruck schadete den Wiesen

 

Doch die Streuobstwiesen sind gefährdet. Während in den vergangenen Jahrzehnten die Bedeutung des traditionellen Obstbaus schwand, wuchs der Siedlungsdruck in Frankfurt. In Folge neuer Baugebiete, die wie die Streuobstwiesen meist am Stadtrand liegen – etwa in Bergen-Enkheim oder Preungesheim - verringerten sich die Bestände um rund ein Drittel. Mittlerweile muss für jede derartige Baumaßnahme eine Ersatzfläche mit Neuanpflanzungen geschaffen werden, was etwa auf dem Riedberg mit mehreren Hundert Bäumen geschehen ist.

 

 

Foto: © pia Heike Lyding

 

Info:

Weitere Informationen rund ums Thema und eine Streuobst-Ausstellung zum Ausleihen gibt es bei der Unteren Naturschutzbehörde, Umweltamt, Galvanistraße 28, Telefon 069/212-39122, Telefax 069//212-39140, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!