Serie: Desaströse Niederlage für Innenminister Boris Rhein (CDU) gegen Peter Feldmann (SPD) bei der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eine Besonderheit dieses Wahlkampfes  muß noch erwähnt werden. Die wirklich bedeutsamste Entwicklung der letzten Jahrzehnte der Stadt Frankfurt bestand im rasanten Ausbau  des finanziell gut ausgestatten Kulturbereichs. Mit Abstand sind die Ausgaben für Kultur die höchsten einer Kommune in der Bundesrepublik. Kein  Kandidat hat dazu Aussagen gemacht. Kultur kam als Wahlkampfthema nicht vor.

 

Daraufhin hatte schon nach dem ersten Wahlgang der ehemalige Kulturdezernent und bis heute kulturelle Übervater Hilmar Hoffmann deutlich hingewiesen. Ohne Resonanz. Mag sein, daß die einen die ständige Aussage von Bewerber Rhein, er würde Petra Roths Politik fortsetzen, reichte, um Positives für Kultur zu erwarten, mag sein, daß für Bewerber Feldmann die Defizite der Stadt, die sowohl seiner Herkunft wie auch seinen bisherigen Tätigkeiten entsprechen,  im Wahlkampf einfach die vordringlichen und glaubwürdigen Themen waren. Hinzu kommt, daß der Oberbürgermeister nur einen geringen politischen Spielraum gegenüber dem Stadtparlament hat.

 

Öffentlich wahrnehmbar – und in der Presse ständig kommentiert und abgebildet - aber ist ein Oberbürgermeister meist bei den kulturellen Ereignissen wahrnehmbar, bei Premieren von Theater und Oper, bei den Eröffnungen von großen Ausstellungen, bei Festivals, bei den vielen Symposien, zu denen auch die Museen und die Universitäten beitragen. Hier sollte sich der neue Oberbürgermeister Peter Feldmann so präsent zeigen, wie es Petra Roth erfolgreich vorgemacht hatte, die ja zu Beginn ihrer Oberbürgermeisterkarriere darin ein unbeschriebenes Blatt war.

 

Politisch richtig ist, daß Peter Feldmann von Anfang an, seine Kompetenz zur Verteilung der Dezernate ansprach und für sich – bei Wahlsieg - das Wirtschaftsdezernat beanspruchte. Denn der bisherige Amtsinhaber Markus Frank, der viel in Richtung des Hereinholens der Kreativwirtschaft in die Stadt unternommen hatte, war wahrnehmbar mehr auf diese und Sport festgelegt und öffentlich wahrnehmbar. Die Banken und all die großkopferten Unternehmen galten als Heimspiel der Oberbürgermeisterin, einfach, weil sie bei allen deren öffentlichen Veranstaltungen anwesend war – selbst bei den Bällen, auf denen sich Frankfurt als bedeutende Finanz- und Wirtschaftsmetropole der Republik gerne selbst feiert. 

 

Von daher war es ein sehr durchsichtiges Manöver, daß ‚wohlmeinende Kräfte’ dem neuen Oberbürgermeister rieten, doch angesichts seiner Themen das Sozialdezernat zu übernehmen. Mehr Geld für benachteiligte Kinder, mehr Geld für Sozialschwache – ein schreckliches Wort – und mehr Ausgaben für das Wohlergehen derer mit niedrigem Einkommen oder Hartz IV-Empfänger, sind nicht aus dem Stadtsäckel zu holen, sondern bei denen, die im 19. Jahrhundert beispielsweise die soziale Struktur förderten, damit es ihnen selber gut geht: Reiche und Großunternehmer, heute treten die Banken dazu.

 

Kann schon sein, daß dann der alte Kulturkampf: Soziales gegen Kultur, dann auch mal zu Lasten der Hochkultur in Frankfurt geht, allerdings nur vordergründig. Denn angesichts solcher Statistiken wie dem Rückgang des Musikunterrichts an Schulen, während die Sportindustrie den Sportunterricht kräftig fördern konnte, und dem Niedergang von Hausmusik, der geringen Förderung von kreativen Fächern in der Schule wie Handarbeiten, Werken und vor allem dem Kunstunterricht, tut ein städtisches Engagement gut.  

 

Wieder einmal hat Städeldirektor Max Hollein die Zeichen der Zeit vor anderen erkannt. Er hat gerade eine große pädagogische Initiative gestartet, zur Entwicklung des Museumgängers von morgen. Nur wer mit Kindern arbeitet und für ihre musische Entwicklung etwas tut, hat morgen diese zu Besuchern und Teilhabern am kulturellen Erbe. Dies hat auch die Messe Frankfurt vorbildlich bei der gerade mit großem Erfolg zu Ende gegangenen MUSIKMESSE vollzogen. Sie hat vielen Tausend Kindern zum ersten Mal den Kontakt mit Musik und dem Selber-Musizieren möglich gemacht.

 

Wer die Überalterung der Konzertbesucher in der Alten Oper beklagt, muß etwas dagegen tun. Das hat auch deren neuer Intendant Stefan Pauly sofort zur Chefsache gemacht. Er will die Kinder und Jugendarbeit zum Schwerpunkt des renommierten Konzerthauses machen und selbst für Zweijährige Konzerte anbieten, die dann natürlich auch einen anderen Rahmen erhalten, als brav auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Es ist also längst in der Stadt Frankfurt etwas in Bewegung geraten, was der neue Oberbürgermeister aufgreifen kann.

 

Das Stichwort KINDERARMUT soll zwar natürlich in erster Linie heißen, daß Kinder genug zu essen haben, aber in zweiter sofort, daß sie so leben können, daß sie am kulturellen Reichtum des Landes teilhaben. Und dazu gehört in erste Linie das Selbertun in der Erfahrung mit den Künsten. Hier würde sich Nachhaltigkeit vielfach  auszahlen.

 

Ein anderer Aspekt ist nach dieser Wahl, die entgegen den Erwartungen der amtierenden Oberbürgermeisterin ausging, ob Petra Roth nicht ihren Rücktritt, den sie auf den 1. Juli terminierte, vorziehen sollte. Über drei Monate ist unter den neuen Verhältnissen noch eine lange Zeit.

 

 

 

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