Die neue QR(Schnellantwort)-Code-Route ist mit einem NS-Topografie-Portal verknüpft

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die gegenwärtigen Zeiten verheißen nichts Gutes: In Dresden demonstrieren am Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November auf dem Theaterplatz, der einmal Adolf-Hitler-Platz hieß, die Rechtspopulisten gegen Menschen, die aus gescheiterten Staaten flüchten, weil sie um ihr Leben rennen. Unterdessen werden Flüchtlingsunterkünfte mit Brandanschlägen überzogen.

 

Die verzweifelte menschliche Lage der Geflohenen kümmert die sonst durchaus rechtschaffenen Bürger nicht, wenn sie sich in geifernden Rotten zusammenfinden. Das hatten wir doch schon mal.

 

Am Beginn des Kulturbruchs steht die Geistesverachtung, wenn Bücher brennen oder Nächste wie Fernste aus dem 'Tat tvam asi', dem: 'Das bist Du!', dem fundamentalen Weisheitssatz der altindischen Upanischaden - die Schopenhauer so hoch schätzte - ausgeschlossen werden. Muss nicht von allen guten Geistern verlassen sein, wer das tut?

 

Eine erweiterte Möglichkeit auf der Route der Erkundung - um Frankfurts Historie erlebbar zu machen - wurde vergangene Woche durch den Kulturdezernenten Felix Semmelroth vorgestellt: mit den neu geschaffenen QR-Zugängen – zur Nutzung von unterwegs - zu den Gedenk-Orten der Frankfurter Jahre zwischen 1933 und 1945.

 

Die Route begann zentral am Frankfurter Römer, an der Bodengedenkplatte zum Gedenken an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933, unweit des Gerechtigkeitsbrunnens. Diese sepulkral anmutende Bodenplakette gibt es seit Mai 2001. Der Kulturdezernent zitierte Heinrich Heine (1797 -1856) mit dem von diesem stammenden Satz: 'Wo Bücher brennen brennen bald auch Menschen'. Damals, im Mai '33 hatte sich eine johlende Menge auf dem Römerberg wie zu einer besonderen Art der Volksbelustigung eingefunden. Ein Ochsenkarren war auf den Römer gerollt worden, mit Büchern voll beladen, als Metzger verkleidete Studenten der „Nationalsozialistischen Deutschen Studentenschaft“ stimmten einen Trauermarsch an. Die Frankfurter Nachrichten schrieben zwei Tage später: 'Die akademische Jugend hatte einen Scheiterhaufen aufgeschichtet und verbrannte marxistische und undeutsche Literatur'. Unter den Verbrannten befanden sich Schriftsteller wie Erich Kästner, Bertolt Brecht und Alfred Döblin.

 

 

Die Zeit der Aufklärung ist unabschließbar

 

Der Kulturdezernent kommt auf die neue, zusätzlich Möglichkeit zu sprechen: mit den an 19 Gedenk-Orten (einschließlich der Plakette zur Bücherverbrennung) angebrachten QR-Codes steht eine 'Quick-Response'-Routine zur Verfügung, die den Vorbeikommenden - unter denen sich zuweilen auch Schulklassen befinden - die Möglichkeit eröffnet, durch Nutzung der QR-Mobiltechnik ohne große Mühe schnell Zusatzinformationen geliefert zu bekommen.

 

Das Draufhalten des Mobilgeräts auf den Code verbindet direkt mit dem Online-Portal, liefert nähere Auskünfte zu den Annalen des historischen Ortes. Ein Test im Anschluss an den offiziellen Gang ergab, dass die Plakette - sowie das in das Pflaster eingelassene Codemuster - von Zeit zu Zeit relativ leicht von Spaziergängern wahrgenommen werden.

 

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Gedenk-Orte sind zu keiner Zeit überlebt

 

Aufklärung tut not. Der Dezernent spricht auf den Umstand an, dass ca. 20 Prozent der Bevölkerung zu antisemitischen und fremdenfeindlichen Einstellungen neigen. Das hat, wie hinzuzufügen wäre, damit zu tun, dass die frustrierte Seite eines Menschen möglichst unverwandt nach einem pauschalen Sündenbock zu greifen neigt. Die fremden- und ausländerfeindlichen Tätlichkeiten rechtspopulistischer Gruppierungen der unmittelbaren Gegenwart sind Warnzeichen. Aber ähnliche Neigungen finden sich auch in der großen Majorität aller Zeiten *). Und noch etwas war zu bedenken: trotz der liberalen Tradition Frankfurts hat der Nationalsozialismus auch in dieser Stadt gegen Menschen gewütet, was darauf hinauslief, dass Frankfurter Bürgerinnen und Bürger mit jüdischen Wurzeln ab dem 19. Oktober 1941 bis in den März 1945 auf der Hanauer Landstraße zur Großmarkthalle getrieben und von dort in Richtung Vernichtungslager abtransportiert wurden. Der Nazimob wütete in Frankfurt sogar besonders schlimm. Das liberale Frankfurt wehrte sich nicht.

 

 

Die Portalstruktur

 

Von 100 Gedenk-Orten sind inzwischen 19 mit QR-Tafeln ausgestattet, so auch die Plakette zum Gedenken an die Widerstandskämpferin Johanna Kirchner an der Frankfurter Paulskirche, in unmittelbarer Nähe zum Römer, die auf dem QR-Gang zur Einführung ebenfalls besucht wurde. Weitere QR-Anbindungen, die die vorhandenen 19 nach und nach noch erweitern, werden eingerichtet. Die nunmehr 19 Gedenkorte - nach der Mobilversion - sind jederzeit auch über Internetzugang www.gedenk-orte-frankfurt-main.de (mit Stadtplan-Unterstützung) direkt online ansteuerbar.

 

 

Das Hauptportal

 

Die Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte, Dr. Evelyn Brockhoff, skizzierte den Relaunch mit neuer, verbesserter Navigation von www.frankfurt1933-1945.de (in das die Site:www.gedenk-orte-frankfurt-main.de eingebunden ist).

 

Das Portal geht auf die Initiative von 35 Institutionen und den Arbeitskreis NS zurück. Beim Institut für Stadtgeschichte liegt die Federführung. Das Portal '1933-1945' hatte zuletzt 50000 Besucher.

 

Es liefert Beiträge unterschiedlicher Autoren und arbeitet unter Zuhilfenahme von Topografie, Chronologie, Index, Bibliographie und Suchfunktion. Anfragen können gestellt, Anregungen gemacht werden. Dies geschieht auch gern durch HobbyhistorikerInnen. Das Internetportal wird redaktionell von Franziska Kiermeier und Dr. Thomas Bauer betreut. Es bietet 602 Artikel, 1048 Bilder, 22 Audiobeiträge, drei Videodokumente und Kartenmaterial. Zeitzeugenberichte und O-Töne liegen bereit. Unter anderem kann auch geschaut werden, wo Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Der 'Plan 1946' steht zur Verfügung, mit dem die Zerstörungen in Frankfurt belegt und farbig gekennzeichnet sind.

 

Themen-Routen können entwickelt werden, auch kann der eigene Standort via GPS verfolgt werden.

 

 

Die Suchkreise der Beiträge:

 

Vor 1933 · NS-System und Alltag · Terror und Verfolgung · Jüdisches Leben und Judenverfolgung · Widerstand · Wirtschaft und Arbeit · Krieg und Zerstörung · Nach 1945 · Gedenken [zu den 100] · Mobilversion: Gedenken/Stadtgänge.

 

Info:

Die neue QR-Code-Route ist mit dem NS-Topografie-Portal verknüpft

www.frankfurt1933-1945.de ; eine englischsprachige Version wird vorbereitet.

 

Der direkte Portalzugang für die Plakette zur Bücherverbrennung lautet:

 

http://ffmhist.de/ffm33-45/portal01/portal01.php?ziel=../gom/x_index.php

 

 

Anmerkung

 

*) 'Die heute 90-jährige Anita Lasker-Wallfisch wurde von den Nazis in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht. Ihre Eltern wurden damals getötet. Doch ihr Talent half ihr dabei, zu überleben. Als Cellistin kam sie 1943 ins Lagerorchester, das aus jungen Frauen bestand' (hr). http://hessenschau.de/tv-sendung/video-6854.html

 

Am Schluss des Hessenschau-Beitrags, der ihre Geschichte dokumentarisch beleuchtet, sagt sie: '...kucken sie mal an, was in der Welt geschieht, man ermordet sich hier jeden Tag mit größtem Vergnügen, ja, wir müssen vorsichtig sein als Menschen..[sinnt]..eine sehr gefährlich Einrichtung'.