Serie: STRASSEN VON GESTERN  von Silvia Tennenbaum vom 16. bis 29. April 2012, Teil 1/2

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nun schon zum dritten Mal liest Frankfurt am Main über Wochen gemeinsam ein Buch und veranstaltet an vielen Orten – erst recht denen, die im Roman vorkommen – Lesungen und Ausstellungen. STRASSEN VON GESTERN hat Silvia Tennenbaum, geb. 1928 , die mit zehn Jahren in die USA emigrieren konnte und seither dort lebt, ihr Buch vom Frankfurt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts genannt, das sie Anfang der 80er Jahre geschrieben hatte – erschienen bei Schöffling & Co in Frankfurt.

 

Zum Auftakt des Lesefestes kam Sivia Tennenbaum aus New York nach Frankfurt und besuchte mit Pressebegleitung zuallererst ihre eigenen Straßen. Das war im Trutz 33 im nördlichen Westend, wohin sie mit der Mutter nach deren Scheidung zog. Vorher wohnten sie Ecke Guiolletstraße/Taunusanlage, im südlichen Westend. Das Haus allerdings gibt es nicht mehr, dort ragen heute die Türme der Deutschen Bank auf als Sendboten einer Zeit, wo Hochhäuser wichtiger schienen, als großbürgerlicher Wohnbestand.

 

Begonnen hatte die Aktion FRANKFURT LIEST EIN BUCH im Jahr 2010 mit KAISERHOFSTRASSE 12“ von Valentin Senger, ebenfalls von Klaus Schöffling verlegt, der als kleiner Judenjunge die DreißIger Jahre in Frankfurt erlebte und dann - versteckt mitten in Frankfurts Innenstadt-  überleben konnte, später Redakteur des Hessischen Rundfunks war und bis zu seinem Tod eine aktive Rolle im Kulturleben der Stadt gespielt hatte. In dieser Aktion FRANKFURT LIEST EIN BUCH gehen private Schicksale einher mit dem geschichtlichen Erleben der gesamten Stadtbevölkerung, die anläßlich dieses Buches sich nicht nur – erneut und immer wieder – mit der Zeit des Nationalsozialismus in Frankfurt, sondern auch mit der unzureichenden Aufarbeitung in der Nachkriegszeit auseinanderzusetzen hatte.

 

Virulent ist dieses Thema bis heute und in gewissem Sinn knüpft die diesjährige Auswahl, die auf Silvia Tennenbaum fiel, daran an. Frankfurt ist eine sehr lebendige, geistig bewegliche Stadt, die einen sehr hohen Anteil jüdischer Mitbewohner hatte, die das künstlerische und intellektuelle Niveau der Stadt mitbestimmten und aus deren Tradition heraus bis heute ein kulturelles Selbstverständnis und die Teilhabe am geistigen Erbe der Stadt rührt.

 

Im zweiten Jahr waren mit Wilhelm Genazino Romantrilogie  „Abschaffel“ die 70er Jahre dran und das literarische Folgen des Angestellten als Flaneur durch die Stadt, verbunden damit, daß ein lebender Autor die Zuschauer und Zuhörer in besonderem Maße anzieht. Das trifft auch auf Silvia Tennenbaum zu, die zum zweiwöchigen Literaturfest der Mainstadt aus den USA in ihrer Heimat zu Besuch weilt und  selbst Veranstaltungen bestreitet, sowie Ausstellungen eröffnet, aber auch sonst überall zuhören will.

 

Sie erzählt von den Straßen des WESTEND, bis heute großbürgerliches Viertel mit schönen Villen, in der auch die Jüdische Synagoge stehen blieb, und sie erzählt vom Schicksal der Familie Wertheim aus den Jahren 1903 bis 1945, wie diese die Straßen durchstreifen als ihrem Zuhause. Es werden die Zeiten der bildungsbürgerlichen Gesellschaft hochgehalten, wo nicht Herkunft, sondern das Sein und die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausschlaggebend waren, alles Errungenschaften der Moderne, denen die Nationalsozialisten den Garaus machten.

 

In über 70 Veranstaltungen wird gelesen, Bilder gezeigt, Filme vorgeführt, sich erinnert, und diskutiert von allen, die mitmachen was auch für die Stadtspaziergänge gilt, die bei diesem Buch besonders angesagt sind. Beteiligt sind diverse Institutionen, Vereine, Buchhändler, Privatpersonen und Prominente der Stadt. Besonderes Interesse findet Autorin Silvia Tennenbaum, die am Montag, dem Eröffnungsabend, in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurter die Frankfurter Intendanten von Schauspiel und Oper, Oliver Reese und Bernd Loebe sowie Städeldirektor Max Hollein aus ihrem Buch lesen hören konnte.

 

Hanna Laura Klar hatte im Jahr 2002 eine Dokumentation über die Autorin DIE FRAU DES RABINNERS erstellt, die verschiedentlich während des Lesefestes zu sehen sein wird. Auftakt am Dienstag,17.April um 19.30 Uhr im Literaturhaus Frankfurt. In zwei Ausstellungen kann man die Schauplätze und die handelnden Personen des Romans wiederfinden. Ab heute Abend in der Zentralbibliothek der Frankfurter Stadtbücherei und ab 19. April FENSTER ZUR STADT im Restaurant MARGARETE des neuen Sitzes des Börsenvereins in der Braubachstraße.

 

Die Universität beteiligt sich mit verschiedenen Veranstaltungen, auch mit einer Archivführung zum Wirken des Großvaters von Silvia Tennenbaum, dem Goethe-Forscher Wilhelm Pfeiffer-Belli. Zur Schenkung des Großonkels Robert von Hirsch ans Städel, immerhin FLEUR ET CÉRAMIQUE von Matisse, gibt es zwei Führungen, und in der Oper ist eine Ausstellung zu sehen über Hans Wilhelm Steinberg Frankfurter Generalmusikdirektor und Stiefvater der Autorin. 

 

Entscheiden aber sind die Lesungen und Diskussionen, die so zahlreich und so spezifisch sind, daß Sie sie bitte der Webseite entnehmen.

 

www.frankfurt-liest-ein-buch.de