Neuauflage des Buches über die Diskriminierung und Ausgrenzung jüdischer Schülerinnen und Schüler in Frankfurt, Teil 2/3

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Vizepräsidentin der Goethe-Universität,Tanja Brühl, sprach an, wie traumatisch es ist, wenn veränderte politische Rahmenbedingungen die Lebensverhältnisse von Kindern abrupt ändern. „Unsere Nachbarn waren anständige Menschen, aber wagten nicht, mit uns zu sprechen“, „Es war damals sehr schwer für mich, auf einmal allein zu sein ohne einen einzigen Freund in der Klasse“….

 

Ich sah mit eigenen Augen, wie man Juden auf der Straße schlug und die Fensterscheiben der jüdischen Läden eingeschlagen wurden“ und „Meine Mutter erhängte sich vor ihrer Deportation nach Auschwitz“. (Zitate aus dem Buch).

 

Das Buch 'Berichte gegen das Vergessen und Verdrängen' zeigt auf der Innenseite der Rückklappe ein 1993 an die Außenwand des Stadtwerke-Gebäudes angebrachtes Plakat aus der Zeit der Erstauflage, das gerade von einem hochmotivierten Angestellten des Unternehmens heruntergerissen wird. Es ist wie folgt aufgebaut:

 

 

Nazi-Morde

 

'Wir fordern an den Schulen Gedenktafeln für die von den Nazis ermordeten jüdischen Kindern und für die ermordeten Kinder der Sinti und Roma'

 

Im Mittelteil findet sich die Auflistung der 1300 in Frankfurt/Main deportierten Kinder und Jugendlichen, 'von denen über 90% in KZs und Vernichtungslagern vom NS-Staat ermordet wurden'.

 

Im Sockel heißt es: 'Heute morden Nazis schon wieder' (es ist anhand damals aktueller Fälle belegt).

 

'Nach erheblichen Auseinandersetzungen', wie es damals hieß, konnte das Plakat 1994 halboffiziell erneut aufgehängt werden.

 

Das Plakat wurde am Nachmittag der Neuvorstellung des Buches in einer reproduzierten Ausführung zur Verfügung gestellt.

 

Trude Simonsohn sprach am Ende ihres Vortrags ihr zentralstes persönliches Bekenntnis aus. Es folgt einem Leitgedanken von Jean Amery, der ganz im aufklärerischen Ton der psychoanalytisch geprägten Jahre der neuen Republik formuliert ist:

 

„Was man nicht aufarbeitet, ist man gezwungen zu wiederholen“

 

Rita Süßmuth sagte einmal: „Erinnern tut weh, richtig weh“ und daraus folgt leider auch:

Entsetzen kann ins Verstummen übergehen - aber auch ins Aussprechen und in den Aufschrei.

 

Ein Beispiel für positive Erinnerungen, die das Buch auch enthält

 

'Ich glaube, es war kein Zufall, dass die schlechtesten Schüler die aggressivsten Nazis waren...Erle Jung und die zwei Gebrüder Müller haben mir mehrere Male geholfen, mich gegen Naziüberfälle zu verteidigen. Barbara Lohmeyer...war die einzige, die noch offen mit mir sprach.' Fortsetzung folgt

 

 

Info:

'Berichte gegen Vergessen und Verdrängen von 100 überlebenden jüdischen Schülerinnen und Schülern über die NS-Zeit in Frankfurt am Main', „Der Weg in die Schule war eine tägliche Qual“, herausgegeben von Benjamin Ortmeyer, Protagoras Academicus, 4. Auflage 2016, ISBN 978-3-943059-22-9