Wie sich die Frankfurter für Flüchtlinge einsetzen und „Frankfurt hilft“ sie dabei unterstützt

 

Anja Prechel und pia

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Frankfurt hilft. Immer noch. Dilek Akkaya und Anita Heise, die Projektleiterinnen der gleichnamigen Koordinierungsstelle, ziehen eine erste positive Bilanz der Flüchtlingshilfe: Die Hilfsbereitschaft der Frankfurter ist immer noch groß.

 

Aufmerksamkeit kann jeder schenken. Schon eine Handreichung, ein freundliches „Guten Tag“ oder auch ein Lächeln hilft den Flüchtlingen, sich in ihrer neuen Umgebung einzuleben. „Helfen Sie, wenn Sie jemanden sehen, der nicht weiß, wie er den Fahrkartenautomaten bedienen soll“, sagt Dilek Akkaya. „Sprechen Sie die Flüchtlingsfamilie an, die neu in Ihre Nachbarschaft gezogen ist“, ergänzt Anita Heise. Hallo, wie geht es Ihnen – es kann so einfach sein.

 

 

Anspruchsvolle Aufgabe

 

Seit im September vergangenen Jahres mehr Flüchtlinge als je zuvor in Frankfurt angekommen sind – inzwischen leben hier 6.100 Geflohene – rollt eine Welle der Hilfsbereitschaft durch die Stadt. Und sie hat bis heute, selbst nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und auch in Frankfurt, nicht abgenommen, sagen Dilek Akkaya und Anita Heise. Gemeinsam koordinieren die beiden „Frankfurt hilft“, die Plattform, die Vereine, Institutionen und Ehrenamtliche in der Stadt miteinander vernetzt und Hilfestellung bietet, damit Frankfurt helfen kann. Beratung von Initiativen, die sich noch in der Gründungsphase befinden, Fortbildungen für die, die sich mit ihrer Zeit und ihrer Tatkraft einbringen wollen, Coachings, bei denen Supervisoren unentgeltlich die Ehrenamtlichen unterstützen – all das gehört zu den Aufgaben der zwei Frauen. „Flüchtlinge zu begleiten ist eine anspruchsvolle Aufgabe“, stellt Anita Heise klar. Man arbeitet mit Menschen, deren Sprache man nicht spricht, deren Kultur man kaum oder gar nicht kennt. Menschen, die eine monatelange Flucht hinter sich haben, die von ihren Familien getrennt sind. Da stößt manch einer an seine Grenzen. „Umso wichtiger ist der Austausch untereinander. Es hilft enorm, sich Anregungen zu holen und seine Nöte zu teilen.“

 

 

Langfristige Angebote

 

Es hilft den Helfern, über einen längeren Zeitraum an Bord zu bleiben. „Mit einer einmaligen Aktion wird man keine Integration erreichen. Nur mit langfristigen Angeboten kann man sie fördern und unterstützen.“ Dilek Akkaya beschreibt damit den Veränderungsprozess, der sich seit Ankunft der Menschen aus den Krisengebieten vollzogen hat. Anfangs wurden die Flüchtlinge mit Plakaten und Applaus am Hauptbahnhof empfangen. Begeisterte Anrufer boten kurzfristige Hilfe an, offerierten den Notunterkünften enorm viele Kleider- und Spielzeugspenden. Heute erarbeiten die Menschen unaufgeregt fundierte Sprachförder- und Patenprogramme, Sportangebote und Kinderbetreuung. Binnen kürzester Zeit haben sich in vielen Stadtteilen Initiativen gegründet, die diese Angebote machen. Aus Euphorie ist Ernsthaftigkeit geworden.

 

 

Ansteckende Motivation

 

Telefon und E-Mail-Posteingang der Koordinatorinnen stehen auch vier Monate nach dem offiziellen Start der Plattform kaum still. Sie stemmen den Job zu zweit, seit Januar haben sie eine studentische Hilfskraft. Ihre Arbeitstage sind lang, regelmäßig sind sie auch an den Wochenenden im Dienst. „Initiativen, die sich gerade gründen und sich von uns informieren lassen wollen, treffen sich nun mal nicht während der Arbeitszeit“, sagt Anita Heise. Und Fortbildungen werden eben an Samstagen angeboten. Zeit ist bei den Kolleginnen knapp. Demgegenüber steht die enorme Begeisterung, mit der sie sich ihrer Aufgabe widmen. Anita Heise: „Zu sehen, wie motiviert die Frankfurter an die Arbeit mit den Flüchtlingen herangehen ist einfach motivierend.“

 

 

Gebündelte Hilfe

 

Anita Heise, die das Masifunde Bildungsprojekt für Südafrika mit aufgebaut hat, und Dilek Akkaya, Politologin und in Frankfurt äußerst gut vernetzt, wurden im vergangenen Juni von der FRAP Agentur – Gemeinnützige Gesellschaft für das Frankfurter Arbeitsmarktprogramm angestellt, um „Frankfurt hilft“ zu realisieren. Initiiert wurde das Projekt vom Sozialdezernat der Stadt und zehn Stiftungen. „Wir wollten die Bereitschaft der Bürger kanalisieren, die Flüchtlinge zu unterstützen und ihnen bei der Integration zu helfen", sagt Stadträtin Daniela Birkenfeld. Bis heute trifft sich die Sozialdezernentin alle sechs Wochen mit Akkaya und Heise, um Projekte zu besprechen und sich über den Stand der Entwicklung zu informieren.

 

Der Auftrag von „Frankfurt hilft“: über die Situation von Flüchtlingen informieren, Akteure der ehrenamtlichen Arbeit vernetzen, Interessierte über Möglichkeiten des Engagements beraten und sie dafür qualifizieren, Bedarfe ermitteln und veröffentlichen – ob es nun um Arbeitskraft geht oder um Sachspenden.

 

 

Stadtweite Kommunikation

 

Gesuche gehen täglich ein. Nach einem Koordinator für ein Sprachförderprogramm, für Hausaufgabenhilfe, nach einer Hauswirtschafterin, Staubsaugern, einem Tischkicker oder Instrumenten für ein Musikprojekt. Auch um sie kümmern sich Akkaya und Heise. Sie sammeln und veröffentlichen die Anzeigen, bei Sachspenden prüfen sie die Angebote sogar – vermittelt wird nur, was noch intakt ist. „Wir bringen Suchende und Anbieter zusammen“, erklärt Dilek Akkaya. Nie veröffentlichen sie dabei die Adresse der Suchenden. Das gilt insbesondere für die Aufenthaltsorte von unbegleiteten Minderjährigen.

 

Die Asylsuchenden leben in Wohnungen, Wohnheimen, Hotels und Pensionen, mehr als 140 dieser Standorte verteilen sich über ganz Frankfurt. Von der Stadt erhalten die Menschen neben der Unterkunft Leistungen zum Lebensunterhalt und zum Kleiderkauf. Bei weitem nicht alle, die in den vergangenen Monaten am Frankfurter Hauptbahnhof angekommen sind, bleiben auch in der Stadt. Nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel muss das Land Hessen aktuell 7,3 Prozent der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge aufnehmen, die Stadt Frankfurt wiederum 7 Prozent davon. Kommen die Männer, Frauen und Kinder in Hessen an, werden sie vom Regierungspräsidium Gießen über die Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Städte und Kreise verteilt. Erst kürzlich hat das Land auf dem Neckermann-Gelände in Fechenheim eine Zweigstelle seiner Erstaufnahmeeinrichtung bezogen.

 

 

Grundlegende Fragen

 

Wer sich für die Flüchtlinge engagieren möchte, sollte sich immer die Frage stellen: Was will ich und wie viel Zeit bin ich bereit dafür zu geben?“, sagt Dilek Akkaya. Die vergangenen Monate haben gezeigt: Die Frankfurter geben sehr viel. Berufstätige, Rentner, Schüler oder Studenten machen sich für die Flüchtlinge stark. Anita Heise findet es geradezu beeindruckend. „Das Engagement zieht sich quer durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen.“ Auch die Vorfälle auf der Kölner Domplatte hätten daran nichts geändert. „Wir erleben seit Silvester keine Einschränkung der Hilfsbereitschaft“, sagt Heise.

 

 

Zukünftige Herausforderungen

 

Frankfurt als multinationale Stadt sei nicht erst seit der Flüchtlingswelle offen für Menschen aus aller Welt. „Sie gehören dazu. Und darauf können die Frankfurter stolz sein“, meint Dilek Akkaya. Die Flüchtlinge veränderten das Bild der Stadt kaum – „sie wird höchstens noch bunter und vielfältiger“. Dass sie da sind, werde die Stadt auch in Zukunft vor große Aufgaben stellen, gibt Heise zu bedenken. „Sie brauchen Wohnraum und Arbeitsplätze.“

 

Ich bin sehr stolz auf unser Frankfurt und die vielen Menschen, die spontan Hilfe angeboten und geleistet haben. Es wird aber jetzt darauf ankommen, die Angebote zu strukturieren, zu koordinieren und zu verstetigen“, skizziert Oberbürgermeister Peter Feldmann die anstehenden Aufgaben. „Hier hat die Verwaltung bereits Beträchtliches geleistet, und mit dem Aufbau der Stabsstelle Flüchtlingsmanagement wird auf dieser Seite eine organisatorische Bündelung der Aufgaben erfolgen.“

 

 

Positive Aussichten

 

Die Flüchtlinge bewirkten aber auch noch etwas anderes: Sie appellierten an die Hilfsbereitschaft der Frankfurter und beeinflussen das Miteinander positiv. „Dazu kann jeder einen Beitrag leisten. Und wenn er noch so klein ist“, meint Dilek Akkaya. Hallo, wie geht es Ihnen – mehr braucht es manchmal gar nicht.

 

 

Info:

 

Am Donnerstag, 11. Februar, findet von 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr ein Informationsabend von „Frankfurt hilft“ in der FRAP Agentur Beratungszentrum, Mainzer Landstrasse 405, statt. Themen sind Einblicke in das Asylrecht und Möglichkeiten für ehrenamtliche Helfer, hier zu unterstützen, Gründung und Aufbau einer Initiative am Bespiel eines Frankfurter Projekts sowie mögliche Schritte zu eigenem Engagement. Der Abend richtet sich an alle, die sich für ein ehrenamtliches oder freiwilliges Engagement für Flüchtlinge in Frankfurt interessieren.

 

Foto:

Dilek Akkaya und Anita Heise © HeikeLyding, pia