Gegen Peter Feldmanns Situationsbericht krakeelten politische Kinder 1/2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung zum Zeitpunkt der endenden Legislaturperiode beizuwohnen war eine Tortur, weil der angetroffene Laden erheblich zu pubertären Aufführungen neigte. Es war ein Ausbund der Beschränktheit und der Lagermentalität. Wenige hatten genug Verstand, eine Ebene der Selbstüberblickung und Selbstanalyse einzunehmen und vom reflexiven Schlagabtausch wie von wiederholten Pöbeleien, die hier und da auch goutiert wurden, abzusehen.

 

Ein Hauch von Weimar schwebte über dem Ganzen. So manövriert Politik sich selbst aus.

 

Ein Horizont, der das Gremium und das Beschränkte der wirklichen oder vermeintlichen Errungenschaften des Erreichten übersteigt, existierte kaum. Zumal: In der Vergangenheit gab es in Frankfurt leidenschaftliche Debatten über weit reichende Modelle und Lösungen. Das scheut die jetzige Generation wie der Teufel das Weihwasser und diskreditiert sich damit. Sie lebt von der Hand in den Mund, ohne einen gescheiten Entwurf für die Zukunft. Sie zeigt sich farblos, sich selbst umkreisend. Eine anwesende Schulklasse verzog sich.

 

Wenn dann der Oberbürgermeister bedächtig mahnt, woran Mangel herrsche, sticht er in ein Wespennest und nicht wenige seiner in Lauerstellung harrenden Gegner verwandeln das Parlament in eine Ansammlung von Lümmeln von der ersten Bank. Sie werden zur feixenden und schenkelklopfenden Meute. Anmahnen und Anregen gehört zur originären Aufgabe eines Oberbürgermeisters, der keine weisungsgebundenen Kämpfer und Amazonen im Feld laufen hat. Was waren die Schwachpunkte der abgelaufenen Periode?

 

 

OB Feldmann gab sich bewusst als sorgsamer Belehrer

 

Jedoch: Das sachte Anmahnen ruft umso mehr Getroffenheit hervor. Die Grünen fühlen sich in sozialen Themen arg getroffen, es fehlt ihnen an Empathie; die CDU ist im Kern getroffen, wenn stiernackige Besitzstände und Empfindsamkeiten in Bezug auf Verkehr und Flughafen getroffen sind. Konservativ gibt`s nur noch in Bürgermaterialismus und Spaß, nicht in Natur, Umwelt und Sozialem. Freie-Fahrt-für-freie-Bürger formt ihr Gesellschaftsmodell. Was sich abstoßend im Autoverkehr tut, juckt sie kaum, nur im Fall von Radfahrern. Teures Wohnen darf mehr werden, denn ihrer Klientel kommt das zugute.

 

Eine Sitzung wie die vom 25.2.2016 war schwer zu ertragen. Es wurde eine Go-Kartfahrt der Unvernunft und Kindshaftigkeit (entschuldigt Kinder!). Das Durchhaltevermögen des politischen Personals ist dürftig. Man stieg aus und ein wie im Aktualitätenkino. Es wurde eifersüchtig in persönlichen Rivalitäten gefochten. Da ist es wohl schwer auf Sitzen auszuhalten. Die hospitierende Jugend auf dem Rang verdrückte sich. Das war Signal.

 

 

Eine Zukunft reklamierende moderate Rede von Feldmann

 

Feldmann hielt keine vollmundige Rede. Das war nicht nur in diesem Fall untypisch für das Stadtparlament. Denn sonst herrschen Rangfolgen, Prätentionen und Vorrechte vor, die Lautstärke heischend sind. Die Linke bekommt von CDU und Grünen nur 10 Minuten zugebilligt, damit wird sie gezielt gedemütigt. Was Grüne heute so alles mitmachen. Der OB wollte eigentlich erreichen, dass viel weiter als nur über die nächsten wenigen Tage, Wochen und Monate hinaus gedacht wird, sonst ereilt einen das Unangenehme. Aber der Zukunftsgestaltungsimpuls ist den bloß noch bewahrenden Parteien ausgegangen. Schon hat auch Alfa die Absage an Tempo-30 an die zweite Stelle ins Programm gerückt.

Die Finanzschwitze der großen Politik und deren Folgen für Frankfurt

 

Land, Städte und Gemeinden wurden seit 2000, vom Bund ausgehend, in den Finanzschwitzkasten genommen. Der wirtschaftliche Erfolg blieb zunehmend bei den Unternehmen, die nicht investierten, sondern im Geldcasino spielen gingen. Die Staatshaushalte dünnten aus. Es wurde dreifach genommen: durch Lohnabbau, durch Finanzcrash und anschließend durch die Wirtschaftskrise. Daher fehlt es an allen Ecken und Enden. Der Einzelhandel weiß Bescheid. Schäuble aber hat keine Gnade. Das ist sein Lebensmodell. Parlamente sind in der Opferrolle, die sie aber zu keiner Zeit reflektieren.

 

Feldmann betont die Notwendigkeit des Stadtentwicklungskonzepts. An dem wird zwar gearbeitet, aber es muss etwas dabei herauskommen, es muss ambitioniert sein. Dazu braucht es weibliche und männliche Athleten, nach dem Vorbild der Gruppe um Ernst-May. Nun aber herrscht bei Mietern Unsicherheit und Zukunftsangst und in der Politik das kleine Karo: Wien täte als altbewährtes praktisches Vorbild für sozialen Wohnungsbau gut.

 

Feldmann ist sehr auch an der Campusmeile gelegen. Sie darf nicht zu unambitioniert gedacht werden. Der Kulturcampus ist das Baby, an dem sein Geist hängt. 'Lassen Sie uns die noch unverbindliche Ansage vom Land beim Wort nehmen. Viel Vertrauen wurde verspielt, aber jetzt sind wir an der Reihe'. Mit der Musikhochschule inmitten. Doch Vorsicht, die Stadt Adornos und Horkheimers bekommt zuweilen unausrottbare kultur- und geistfeindliche Regungen. Wenn Feldmann spricht: 'Lassen Sie uns die Verantwortung für die Zukunft übernehmen', dann scheint das für das Stadtparlament zu hoch gehängt, aber für eine Metropole (zu der Frankfurt auf dem Weg ist) ist es eine schlichte Voraussetzung im großen Maßstab zu denken (und nicht immer wieder ängstlich zurückzuschrecken).

 

Sagt Feldmann: 'Die größte Herausforderung Frankfurts ist die soziale Gestaltung des Wachstums', dann eckt er im Parlament an - die SPD ausgenommen -, denn das ist nun wieder zu weit in einem unteren Bereich gedacht, das will eine Klientel nicht; sie stänkert dagegen an. Die sozial Betroffenen sind ihnen egal. 'Knapp ein Viertel der Unter-15-Jährigen lebt von Hartz IV'. Die Sozialbilanz ist erschreckend. Und: 'Es fehlen schon jetzt 30 000 Wohnungen' - die Stadtpolitik hat zu langsam auf die steigenden Zuzüge reagiert. Der Versorgungsgrad beträgt 92,6 Prozent. Hinzu kommt: nachdem Theo Weigel 1990 das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz gekippt hatte (statt es zu reformieren), fielen beständig Wohnungen aus der Förderung und es kamen keine neuen hinzu. Dadurch entstanden die Probleme, die die Kommunen jetzt haben.

 

In Frankfurt gab es Mitte der 90er 53 000 geförderte Wohnungen, heute sind es noch 28 000, womit man wirbt! Die fehlenden Wohnungen und die steigenden Mieten gefährden den 'sozialen Zusammenhalt'. - 'Die Steigerung der Mietpreise...ist nicht mehr zu ertragen'. Feldmann schlägt vor, dass die 20 Mill. Gewinn, die die ABG an die Stadt Frankfurt abführt, im Wohnungsbauunternehmen bleiben, um für Investitionen zur Verfügung zu stehen, 'für Investitionen, für die Mieter. Für den Bau von Studentenwohnungen'. Den Schaden für das Gemeinschaftsinteresse als Folge der Schwarzen Null im Haushalt kennt man von Schäuble, wenn er zuletzt die Dividende in Höhe von 850 Millionen Euro von der Deutschen Bahn einsackte, obwohl sie unterfinanziert ist. Gleichzeitig nimmt die Bahn im Gegenzug Schulden auf. Merke. Die Schwarze Null, der eitle Wahn des Bundesministers.

 

Feldmann: 'Alle Pläne, Anteile an den städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder Teile ihres Wohnungsbestandes zu verkaufen, lehne ich kategorisch ab' (auf Landesebene wird ein Verkauf gutgeheißen). Er fordert mehr Personal für die Wohnungserstellung. Ein springender Punkt in Anbetracht der Saumseligkeit und des nicht genügend geförderten sozialen Wohnungsbaus - die Privaten stoßen in die Lücke und übernehmen die Stadt.

 

Feldmann dankt dem Reformdezernenten Jan Schneider, gibt ihm ausdrücklich Rückendeckung, um 'die IT und das Liegenschaftsmanagement endlich zu zentralisieren'! Er weiß, was er an seinem Reformdezernenten hat, von denen er gerne noch mehr hätte. Fortsetzung folgt

 

Info:

Anläßlich der Rede des Oberbürgermeisters Peter Feldmann am 25.02.2016 vor dem Frankfurter Stadtparlament (letzte Sitzung vor den Wahlen zum Stadtparlament)