Sie könnte pädagogisch-konzeptionell zur Norm werden, hier in Frankfurt am Main
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein Termin der besonderen Art stand an: der Hessische Staatsminister Axel Wintermeyer übergab in der Einrichtung der von der ASB im Neckermann-Gebäude in Frankfurt Fechenheim betriebenen Außenstelle der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen (HEAE): - den formellen Bescheid‘ an das Projekt "Barfußschule" der ‚Landesstiftung Miteinander in Hessen‘.
Im ‚Childaid Network‘ findet sich die Erklärung einer Funktion der Barfußschule unter dramatischen Bedingungen: in den Urwäldern an der Grenze zu Bhutan, ‚in die die Santhals vor Pogromen der Boros geflohen sind, gibt es keine Schulen‘. Die Regierung sehe sich nicht in der Pflicht Abhilfe zu schaffen. Deswegen habe Childaid Network auf die Bitte der Stammesältesten Barfußschulen eingerichtet.
Die Barfußschule ist in der Einrichtung an der Hanauer Landstraße zum Element des spielerischen, kinderfreundlichen Zugangs zur Einrichtung Schule geworden. Das bedeutet: ‚niedrigschwelliger Zugang‘. Diese geeignete Weise des Zugangs könnte zur Norm werden, denn es ist bekannt: Kinder dieser Altersstufe gehen normalerweise anfangs gern zur Schule, später aber leider oft nicht mehr. Eine ziemlich tragische Sache.
Die aufgeschlossene Lebendigkeit der Kinder nimmt alle ein
Als die Vertreter/innen der berichtenden Zunft den Klassenraum betraten, erhellten sich die Blicke der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, blühten auf und begrüßten die Hereingekommenen im freundlichen Spiel der Bewegungen und Mienen.
An der Tafel sind die Namen Sadaf, Sara, Israel und Yahya verzeichnet. Ein Junge widmet sich rasch den auf der Tafelfläche verzeichneten Subtraktionsaufgaben. Sie liegen im dreistelligen Bereich. Der Staatsminister erfuhr kurz zuvor schon, wie schnell Kinder Rechnungen, die in der Runde gestellt werden, aus dem Kopf beantworten. Am Ende des Besuchs war auch festzustellen, dass die in Deutsch gehaltene kurze Ansprache einer Lehrkraft nach nur einem Monat Barfußschule bereits verstanden wurde. Die Barfußschule steigt von Beginn an mit Deutsch ein.
Die von den Ehrenamtlichen angewandte Lehrmethode des Pilotprojekts der Barfußschule packt die ursprüngliche Intuition der Kinder beim Schopf, die - wie vielfach zu beobachten – auch ihre Eltern infizieren, so dass den Kindern ein wesentlicher Anteil im Gelingen des Übergangs in die Normalität zuwächst. Am Beginn des Projekts standen 44 Kinder bereit, die Schule zu besuchen. Es gibt zwei Klassen mit jeweils 15 Sechs- bis Zehnjährigen. Auf einer Warteliste stehen 33 Kinder. Die natürliche Fluktuation bedingt, dass auch nachgerückt wird. Die Einrichtung birgt 970 in ihr Wohnende, davon sind 300 im Kindesalter.
Kinder lernen mit Kindern zusammen spielerischer, leichter, je früher desto besser. Die Offenheit für Neues und die Wißbegierigkeit sind jetzt am größten. Aber alle Kinder in der Konzentration zu halten ist durchaus ein Teil der Aufgabe für die Lehrkräfte mit teilweise studentischem Hintergrund. Auch ein Frührentner ist ehrenamtlich als Lehrer tätig. Es heißt, dass die Lehrkräfte eine Berufung empfinden - dass sie geradezu brennen.
Die Kinder kommen aus unterschiedlichen Ländern wie Syrien und Irak. Es wird gleich auf die neue Sprache gesetzt. Die kognitiven Fähigkeiten wollen bei Kindern umgehend angesprochen und gefordert werden. Mit Sprache, Bildern, Farben, Bewegung geht das vor sich. Eignet sich eine solche Vorgehensweise nicht auch für die Erwachsenen, die man nicht monatelang warten lassen sollte, bis sie endlich ihren Kurs ergattern?
Firmen helfen mit
Google hat 80 ‚Chrome-Boxes‘ als computerunterstütztes Lehrsystem zu Verfügung gestellt. Die Kinder gehen phasenweise interaktiv mit dieser Möglichkeit um: sie lesen und erkennen – Kopfhörer auch in Funktion – was der Bildschirm ihnen darbietet und reagieren. Sie ordnen Kommentare den zugehörigen Bildern zu, müssen auch ins System hineinsprechen, um gestellte Fragen/Aufgaben zu beantworten. Auf Smartphone kann, bei Bedarf, zusätzlich noch und weiter gelernt werden. Das Lernprogramm besteht aus Modulen, die miteinander vernetzt sind.
Die Kinder sind sehr motiviert, orientieren sich an einer Bewertung in Prozenten, die ihre Person angeht; sie möchten hundert Prozent erreichen, wollen wiederholen, um aufzuschließen. Sie gehen auch selbst an Ordner, um diese zu Rate zu ziehen.
Den Firmenspenden haben einen wesentlichen Anteil am Gelingen. Tablets und Fahrräder sind mit darunter. Besonders Verlage wie Westermann (‚westermann lernspiel‘) und Langenscheidt engagieren sich mit ihren beigesteuerten Arbeitsheften. Die Sprachvermittlung ist über alle Fächer hinweg immer inklusive. Rechnen, Grammatik, Alltagswissen, Sequenzen aus Audiodateien, Musik, Kunst und Bewegung werden in der Hauptsache eingesetzt.
Ehrenamtliche werden dauernd gesucht!
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Arbeiter-Samariter-Bund)
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Gemeinsam für Flüchtlinge)
http://www.miteinander-in-hessen.de/ (Landesstiftung „Miteinander in Hessen“)
Info:
Es informierten und betreuten in der Frühe des 29. Juni 2016: Marcus Schönbach, 2. Landesvorsitzender des ASB Hessen, Hiwa Rostami, Leitung der Einrichtung des ASB Hessen, Melanie Freitag (hat sich wesentlich ums In-Gang-Kommen des Projekts ‚Barfußschule‘ verdient gemacht) und Keith Williams (letztere beide sind die Ehrenamtskoordinatoren des ASB).
Der Hessische Staatsminister Axel Wintermeyer versorgte am Ende seines Besuchs die Kinder, Mädchen und Jungen, mit handgroßen Hessischen Plüschbären. Dadurch wurde die morgendliche Stunde zu einer abgerundeten Sache.