Wie die Städtischen Bühnen Frankfurts einem Finanzzentrum geopfert werden sollen
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Gutachten über den baulichen Zustand der Städtischen Bühnen inklusive der Vorschläge zur Sanierung bzw. der Konzepte für einen Neubau soll Ende dieses Jahres veröffentlicht werden. Aber bereits jetzt geistern die unterschiedlichsten Vorabeinschätzungen durch Frankfurt.
Die Beschwörung einer drohenden Ruinenlandschaft am Willy-Brandt-Platz wird bezeichnenderweise zu einer Zeit publik, in der sich der neoliberale Sumpf der Stadt auf neue und besonders profitabel erscheinende Zeiten nach dem BREXIT einstellt. Aus meiner Sicht, und das ist die eines Theaterbesuchers mit seit Jahren 50 bis 60 Besuchen pro Spielzeit, wird tatsächlich eine Stimmung erzeugt, von der einzig und allein die in der Stadt wütende Mafia der Immobilienspekulanten profitieren würde.
Außerdem verwundert es, dass Experten für das außergewöhnliche Honorar von sechs Millionen Euro aus der Bestandsaufnahme lediglich sehr einfache, zu einfache Schlüsse ziehen. Diese Bestandsaufnahme scheint zunächst zu bestätigen, was der häufige Besucher längst ahnt:
Die Klimaanlage muss ausgetauscht werden. Und wer bei den regelmäßig angebotenen Führungen durch das Haus genau hingesehen hat, wird ebenso für einen weitgehenden Austausch der elektrischen Leitungen plädieren. Mutmaßlich werden auch die Wasserleitungen längst nicht mehr den gültigen Standards entsprechen. Ebenso scheint die Dichtung des Daches erheblich reparaturbedürftig zu sein. Für die großen Scheiben um Foyer, Panorama Bar und Chagall-Saal gibt es sicherlich energieschonendere Materialien als die derzeit verbauten. Bei solchen Rundgängen erfährt man auch, dass beispielsweise vor drei Jahren ein Millionenbetrag für die Bühnentechnik des Schauspielhauses ausgegeben wurde. Das passt nicht zu der herbeigeredeten Ruinensituation.
Obendrein ist die statische Struktur der Gebäude offenbar in Ordnung (andernfalls dürften keine Vorstellungen mehr stattfinden) und sie folglich nicht als baufällig bezeichnet werden können. Warum dann diese Panikmache?
Die Antwort habe ich bereits gegeben. Und meine Mutmaßung stützt sich auf Beobachtungen, die man in Frankfurt allzu häufig machen kann. Wiederholt wurden und werden funktionsfähige Gebäude zerstört, um auf ihrem Grund Luxuspaläste zu errichten.
Da sich bestimmte Kreise, die weder das Allgemeinwohl noch die Kultur im Sinn haben, derzeit Hoffnungen darauf machen, dass nach dem BREXIT die Frankfurter Innenstadt die Londoner City als Finanzmetropole ersetzen könnte, sind die Vorschläge in Richtung Neubau der Bühnen an anderer Stelle mehr als durchsichtig.
Ina Hartwig, die neue Kulturdezernentin, die ihr Amt offensichtlich angetreten hat, ohne vorher über die jetzt bekannt werdende bauliche Problematik ausreichend in Kenntnis gesetzt worden zu sein, sollte Schneid beweisen. Und auch ihren Chef, Oberbürgermeister Peter Feldmann, jede Woche in Schauspiel und Oper zerren. Das Erleben vor Ort kann dazu geeignet sein, kreative Lösungen hervorzubringen.
Wenn ich mich von der „Verdingungsordnung für Bauleistungen VOB“, also der technischen und vertraglichen Grundlage für sämtliche Bauarbeiten, inspirieren lasse, gelange ich zu der Einschätzung, dass der Austausch einer Klimaanlage in vier bis fünf Monaten in Gebäuden dieser Größenordnung bei entsprechender Vorbereitung abgeschlossen sein könnte. Das würde pro Spielzeit eine zusätzliche Pause von zwei bis drei Monaten bedeuten. Mit Hilfe von geeigneten Ausweichquartieren sollte das zeitlich möglich, sprich überbrückbar sein; für das Schauspiel vermutlich eher als für die Oper. Im folgenden Jahr könnte das Leitungsnetz saniert werden, parallel dazu Teile der Wasserver- und -entsorgung.
Zudem könnten zunächst die Bühnen und Zuschauerräume saniert werden, danach die Verwaltungsetagen; solches Vorgehen würde den Zeitdruck spürbar reduzieren. Innerhalb von drei bis maximal vier Jahren ließe sich der gesamte Komplex bei deutlich geringeren Kosten als solchen, die dem Vernehmen nach für einen Neubau veranschlagt sind, auf den technischen Stand der Zeit bringen. Man muss es nur politisch wollen und man muss es organisieren können.
Foto: Die Doppelanlage Schauspielhaus und Oper Frankfurt auf der rechten Seite, wo der "Opernturm" herausragt (c) Stadt Frankfurt