Vorspiel 3: Das Romantik-Museum wird der Stadt Frankfurt zu einer weiteren Marke verhelfen
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zum Erbe der Romantik gehört, dass sie immer weiter nach- und fortwirkt, bis zu den jüngsten weiblichen und männlichen Vamps von Hollywood. Alle modernen Gestalten der Kultur sind romantisch. Die Romantik ist ein Spiel des Changierens zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Vergangenheit ist Fundus wie Agens zugleich - für die Gegenwart.
Nicht wenig soll die neue kulturelle Marke auch über eine US-amerikanische Art der Ikonographie vermittelt werden. Es gibt ein Dürer- und ein Goethe-Playmobil zu kaufen. Das Dürer-Teil wurde 40 000 Mal verkauft. Wer wird die Romantik dereinst wohl repräsentieren, Novalis doch bestimmt, wer sonst – oder vielleicht doch Bettine? Ein neues Projekt geht um in Frankfurt, eines der Romantik, die so gar nicht mit den Hochhäusern des Finanzkapitals konform geht, viel mehr aber mit Brentano-Tapete und Blauer Blume korrespondiert. Aber was noch nicht ist, könnte ja noch werden, denn das Finanzkapital hat im Ansehen arg gelitten.
Die Romantik bleibt selbst noch dunkel
Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die wie schon zur Zeit ihrer Entstehung international wirkt, in den Tag- und Nachtträumen eines Teils der Menschheit um den Globus weht, ‚den Schülern Ostasiens näher ist als unseren Schülern‘, wie gesagt wurde. Eine Goethe-Statue ist längst in Korea enthüllt.
Die Romantik hatte im Unterschied zur Klassik bisher keine explizite eigene Stätte. Historisch waren die Romantiker weniger an große Orte oder Brennpunkte des Geistesgeschehens gebunden. Das entstehende Museum der Romantik wird eine interaktive Karte anbieten, die die Orte der Romantik versammelt, im Stil eines Wer, Wann, Wo? Orte können erstmals präzis, auch wissenschaftlich, in den Blick genommen werden.
Romantik wurde missbraucht aus dem Geist einer missverstandenen Saga vom moralisch unverfälschten Volksgeist, auch mit der Volksgeistmetaphysik eines G.W.F. Hegel, wenngleich damals geistfernen Depravationen einer Rückschau und Rückkehr in nebulose Vergangenheiten noch nicht das Wort geredet wurde. Auch der romantisch gescheckte Wagner hat hier seinen Teil mit beigetragen.
Es gibt Trivialisierungen des romantischen Drangs in der kulturindustriellen Fabrikation, sie verhackstückt das Authentische der Romantik fast bis zur Unkenntlichkeit. Ohne eine glaubhafte Rückbindung wird vom romantischen Abend, von der romantischen Landschaft, von der romantischen Situation, von der romantischen Seele gesprochen. Wie hängt das mit dem eher schwermütigen Begriff romantischer Natur zusammen? Auch dieses wird das Museum aufgreifen.
Die Romantik ist die Quelle der Kreativität
Schöpfergeist und experimentelle Gesinnung in Literatur und Bildender Kunst haben eine genuin romantische Wurzel. Wie das mit dem Gegenwärtigen überhaupt zusammengeht, gehört zu einem Prozess der Selbstvergewisserung der Romantik. Die Erkenntnis verdrängter Sehnsüchte kann befördern werden
Seit über einem Jahrhundert, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Frankfurt Nachlässe durch das Freie Deutsche Hochstift, dem Trägerverein des Goethehauses, gesammelt. Von der umfangreichen, durchaus ungewöhnlichen Tätigkeit ‚ist lange nichts gewusst worden‘. `Wissenschaftler wussten davon, das große Publikum konnte nicht wissen‘.
Frankfurt ist die Vaterstadt der Familie Brentano. Das Brentano-Haus in Oestrich-Winkel ist ein am romantischen Rhein gelegenes Schmuckstück der Familie, das gerade restauriert wird. Clemens Brentano ist in Frankfurt zu entdecken mit 40 Bänden der Werke und Briefe, in einer ganzen Abteilung. Unvergesslich sind Beschäftigungen mit der schwärmerischen Bettine von Arnim (Schwester von Clemens) und ihren Produktionen, die bis an die Grundfesten des Obrigkeitsstaates rüttelten. Sie war verbunden mit Achim von Arnim (‚Des Knaben Wunderhorn‘, das eine regelmäßige Rezeption bis ins 20. Jahrhundert fand).
Vertreten ist auch Joseph von Eichendorff. Sein ‚Aus dem Leben eines Taugenichts‘ hat der Turnlehrer immer wieder gelesen, wenn er Vertretung hatte. Nicht zu vergessen die ‚Mondnacht‘, dem Vierzeiler mit dem hohen Wiedererkennungsgrad. Am Tag des Tourismustags wurde ein Musikexzerpt, ein Faksimile, an die Wand geworfen, das akribisch aufzeigte, wie Eichendorff aus seinen handschriftlichen Kritzeleien langsam den Vierzeiler aus einem beziehungsträchtigen Kosmos der Geisteswissenschaften entwickelte.
Die Schätze, die das Freie Deutsche Hochstift beherbergt, wollte ab 1925 schon der damalige Hochstiftleiter nach und nach in den Mittelpunkt stellen. Durch den Krieg wurden nicht unerhebliche Grundlagen hierzu zerstört.
Ein Grundstück kam zupass
Kommende Wechselausstellungen bereiten geht bald besser, da das Grundstück des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels nun bereitsteht, einen Neubau aufzunehmen, der zudem das benachbarte Goethehaus entlastet. Denn es kam durch Gruppen von Besuchern und Agenturen schon zu Verwechslungen zwischen Goethehaus und Hochstift. Eine Verschachtelung hat bald ein Ende. Den Vorgriff auf die neue Fassade gibt es schon. Sie zeigt eine Dreiteilung. Ein wenig von Postmoderne und Expression vermittelt diese ‚Animation‘. Es kommt ein neuer Haupteingang, die Leihgeber und Geldgeber haben ihren eigenen. Der Gesamteindruck vermittelt der Front ein wenig von Mittelalter. Aber wie dem auch sei, der an passender Stelle herausragende Erker ist symbolisch in Blau gehalten.
In Goethes Farbenlehre ist dieses Blau zu finden, es liegt im helleren Bereich: https://de.wikipedia.org/wiki/Farbenlehre#/media/File:Goethe,_Farbenkreis_zur_Symbolisierung_des_menschlichen_Geistes-_und_Seelenlebens,_1809.jpg
Damit sind wir beim eigentlichen Thema: die tatsächliche oder vermeintliche Erbfeindschaft zwischen Klassik und Romantik ist als Konzept nicht zu halten, sie ist ein ideologisches Konstrukt, das zur damaligen Zeit kein Thema von Rang war. Goethe verstand Faust II durchaus als konfigurierende Verbindung von Klassik und Romantik. Wo die künstlerische Wahrheit liegt, hat es keine ideologischen Gräben, wenngleich auch nicht grad alles einerlei ist. 6.2 Millionen an Spenden für das neue Museum sind schon eingebracht, 8 sollen es werden. Der Bund und das Land gaben auch schon dazu. Mit Spendenkampagnen und Marketing wird auch eingeworben. Eine Romantik-Patenschaft steht offen. Man und frau informiere sich. https://deutsches-romantik-museum.de/
Es sprach am Tourismustag 2016. Prof. Anne Bohnenkamp-Renken, Direktorin Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum.
Foto:Der berühmte Nachtmahr von Johann Heinrich Füsseli, Schmuckstück des Goethehauses