Eintracht Frankfurt wächst gegen Borussia Dortmund mit 2:1 über sich hinaus, Spielbericht

Claudia Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Vielen stand der Mund offen. Und nicht nur den Zuschauern. Auch manche Eintrachtspieler konnten bei aller vorgetäuschten Coolness nicht fassen, was ihnen da gelungen war. Nicht, daß sie gewannen, war die Sensation, sondern wie das geschah.


Dortmund gehört erst einmal nicht zu den Angstgegnern der Eintracht. Das ist mal gewiß, denn auch die beiden letzten Heimspiele gegen die Borussen konnte die Eintracht für sich entscheiden. Mit welchem Fußballwirbelwind das aber diesmal geschah, das bleibt in Erinnerung. Dabei konnte die erste Halbzeit das nicht unbedingt erkennen lassen. Auch da spielte die Eintracht gut und hatte Chancen, aber irgendwie lag im mit 51 500 Zuschauern ausverkauften Stadion doch eine Wolke, die bedeutete: wie lange kann die Eintracht das Unentschieden halten.

Und diese Frage war nicht nur wolkig, denn einige Aktionen der Dortmunder waren brandgefährlich und Leute wie insbesondere Schürrle erliefen sich ihre Chancen, nur die Abschlüsse gingen daneben oder wurden vom wieder einmal stabilen Eintrachttormann Lukas Hradecky pariert. Und auch den blitzschnellen Aubameyang, der irgendwie immer durchflitzen kann und vorm Tor steht, gelang kein Abschluß.

Also waren die Eintrachtfans froh, daß nix passierte im Eintrachttor. Denn das bedeutet gegen die Borussen, unabhängig davon, auf welchem Bundesligarang sie sich gerade befinden, auf jeden Fall schon etwas wie einen Sieg. Und ein Punkt wäre es auch gewesen. So ging man in die Pause, wobei im Spielverlauf die Eintracht immer stärker geworden war und die Dortmunder nachgelassen hatten.

Dann aber nach der Pause ging die Post ab. Das fing mit 1:0 durch Szabolcs Huszti in der 46. Minute an. Da hatten noch gar nicht alle Platz genommen, draußen wurde noch gegessen, getrunken und geschwatzt. Und auf einmal ein Donnerknall. Diese heftige Ansage über den Stadionlautsprecher mit Musik erfolgt jedesmal bei einem Eintrachttor. Ein Eintrachttor? Man fürchtete sich doch vor dem der Dortmunder, die gerade in der letzten Woche im Rahmen der Champion League in Polen die Legia Warschau mit 8:4 niedergemacht hatten. Allerdings lassen einen die vier Gegentore dann schon wundern.

Daß es Huszti war, dem der erste Treffer – Paß von Gacinovic auf Chandler, Querpass zu Huszti und Schuß - gelang, mußte andererseits nicht verwundern, denn er war schon in der ersten Halbzeit ein unermüdlicher Wusler, suchte ständig an den Ball zu kommen und gab ihn blitzschnell ab, wenn andere günstiger zum Borussentor standen. Wie sehr sehr viel später, nämlich in der 79. Minute, als er Seferovic bediente, der den Ball pfeilgerade durch alle gegnerischen Beine ins Tor brachte zum 2:1.

Wie, was, natürlich liegt zwischen 46. und 79. Minute die Hoffnung der Dortmunder. Denn es war ja nicht so, daß sie hier nichts gewollt hätten. Sie kämpften ebenfalls, aber auch das Einwechseln von gleich drei starken Spielern in der 58. Minute half nichts, das Spiel blieb irgendwie gebremst im Vergleich zum Kampf der Eintracht, der so sehr eine Mannschaftsleistung ist, wie selten gesehen. Das konnte man direkt am Spielführer Alex Meier, Fußballgott,  wiederfinden. Denn der lief so viel und so schnell, wie selten gesehen und immer war er dabei, seine Führungsfunktion auch wahrzunehmen, er spielte für die anderen, gab Orientierung, weshalb er, wie immer, als er in der 71. Minute durch Haris Seferovic ersetzt wurde, einen Riesenapplaus erhielt. Wie gut andererseits Trainer Kovac das Auswechselhändchen spielte, konnte man daran erkennen, daß genau dieser Seferovic dann 8 Minuten später das Siegestor erzielte.

Da hatten sich die meisten im Stadion schon damit zufrieden gezeigt, daß in der 77. Minute – natürlich – Aubameyang ein Unentschieden zum 1:1 geglückt war. Und jetzt konnte man erleben, wie erneut die Post bei der Eintracht abging. Denn statt dem verpatzten Sieg hinterherzuweinen, wirbelten sie erneut auf dem Feld alle nieder und konnten zwei Minuten nach dem Ausgleich erneut in Führung gehen. Und nun war auch psychologisch klar, daß dieses Führungstor eher noch dazu geführt hätte, daß die Eintracht ein weiteres Tor machen könnte, denn die Dortmunder den Ausgleich.

Das war ein absolut spannendes hochkarätiges Spiel, das gute Laune machte – natürlich nicht dem Trainer der Borussen Thomas Tuchel. Manche fanden das so negativ für seine Mannschaft, was er auf der Pressekonferenz sagte. Ich allerdings atme auf, wenn einer Tacheles redet und keine Ausreden für Niederlagen sucht (man findet immer irgendwelche Aktionen, die auch hätten zum Tor führen können). Großer Respekt für einen Trainer der klaren offenen Worte, auch wenn das Dortmunder vielleicht anders sehen. Man hat einfach schon zu viele Trainer gehört, die nach Niederlagen sprachlich sich immer wie verpatzte Sieger gerieren.

Eins ist noch nachzutragen. Schwer arbeiten mußte man bei der Differenz der subjektiven Wahrnehmung während des Spiels hinsichtlich von Ballabnahmen und dann der offiziellen Statistik. Der Blick erlebte so oft, wie noch nie, daß Eintrachtler den Gegnern den Ball abnahmen und zwar trickreich und verwegen. Das geschah häufig, wurde mit Beifall bedacht und führte in der Regel zu gefährlichen Spielzügen Richtung Dortmunder Tor. Doch die Statistik sagt knallhart: Ballaktionen 37 Prozent für die Eintracht, also 63 Prozent für Dortmund. Die Zweikampfquote besagt, 45: 55. Immer hatten sich also stärker die Borussen durchgesetzt.

Diese Diskrepanz von Wahrnehmung und Statistik macht auf eine interessante Variante aufmerksam, die bei Statistiken untergeht. Sie qualifizieren nicht. Denn im Spiel waren die Erfolge von Eintrachtlern deshalb so auffällig, weil sie an wichtigen Positionen im Spielgeschehen selber passierten, während Dortmund am Randgeschehen erfolgreicher blieb. Übrigens hatten beide Mannschaften je 12 Torschüsse. Also so schlecht waren die Borussen nun auch wieder nicht. Nur nicht gut genug für die Eintracht.

 

Foto: Anzeigetafel (c) Jürgen Schneeberger