Das Frankfurter Bundesamt für Kartographie und Geodäsie ist 60 Jahre alt und 60 Jahre jung



Rebecca Riehm



Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Man muss zu einem Treffpunkt und kennt den Weg dorthin nicht. Früher griff man dann zu einem Stadtplan, heute zum Navi. Aber wie entsteht eine Karte, und wer kümmert sich darum, dass sie aktuell bleibt? Antwort bekommt man im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen - beim Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Frankfurt.

 

Im grauen 80er-Jahre-Bau in der Richard-Strauß-Allee 11 sind die Büros akribisch aufgeräumt, und es wird hochkonzentriert gearbeitet. Vor Computern mit zwei Bildschirmen und einer Glasscheibe in der Mitte sitzen Leute mit Brillen, die wie Sonnenbrillen aussehen. Friederike Emig, eine von den rund 200 Mitarbeitern beim Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Frankfurt, klärt auf: „Die Brille ist eine Polarisationsbrille, besser bekannt als 3D-Brille, und durch die Scheibe kann ich zwei Karten auf den Bildschirmen aufei-nanderlegen, und so entsteht eine einzige Karte daraus, die mir die Landschaft dreidimensional zeigt.“ Genau das beschreibt den Auftrag des BKG ziemlich gut: aus vielen Karten eine Karte machen.

 

Präzisionsarbeit ist gefragt

 

Das BKG, das in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, gehört zum Bundes-ministerium des Inneren und ist primär Dienstleister für die Bundesbehörden. Aber seine Arbeit dient nicht nur eigenen Zwecken, wie der Präsident des BKG, Hansjörg Kutterer, erläutert: „Unsere topographischen Karten, unsere Landschaftsmodelle und Geländemodelle mit dritter Dimension sind auch für Privatpersonen zugänglich und werden beispielsweise auch an google maps verkauft.“ Die Arbeit des BKG ist Präzisionsarbeit. Um einheitliche und der Realität entsprechende Karten abbilden zu können, muss jeder Berg, jeder Fluss, jede Straße, jeder Weg kontrolliert werden. Darüber können sich dann die Autofahrer freuen. Denn wer hat sich noch nicht geärgert, wenn das Navi einen Weg anzeigt, der nicht mehr existiert?

 

Alles ist digital


Das bedeutet auch viel Koordination und enge Zusammenarbeit mit den Bundesländern. Um zum Beispiel eine Deutschlandkarte herzustellen, liefern die Länder zunächst Datensätze von Karten an das BKG. Aus diesen entsteht dann der Datensatz für die Gesamtkarte. Dabei muss akribisch auf die Übergänge von Land zu Land geachtet werden. Und permanent muss geprüft werden, ob Veränderungen, zum Beispiel durch den Bau von Brücken oder neuen Straßen, stattgefunden haben. Früher hat man mit klassischen Instrumenten wie einem Tachymeter, einem Gerät das heute noch in moderner Form beim Straßenbau zu sehen ist, vermessen und aus den Ergebnissen die Karten erstellt. Ein Tachymeter ist ein Instrument mit einem speziellen Fernrohr mit dem Richtungen, Winkel und Entfernungen gemessen werden können. Dank GPS (Global Position System) ist das heute hinfällig. Statt aufwändig manuell gefertigten Karten, gibt es jetzt den digitalen Kartendruck und Datenbanken, auf die man zurückgreifen kann.

 

Geodäsie statt Champagner

 

Verlässt man das Gebäude mit dem 80er-Jahre Charme und folgt dem Wegweiser „Villa Mumm“, erblickt man hinter Büschen und Bäumen eine prachtvolle Villa. Liebevoll wird sie auch „kleine Schwester der Alten Oper“ genannt, und tatsächlich ähnelt sie dieser zum Verwechseln. Auch hier sitzen etliche Mitarbeiter des BKG. Einst der Sitz der Champagnerfamilie Mumm, hat sich Anfang der 50er Jahre das Institut für Angewandte Geodäsie hier niedergelassen, welches später umfirmierte in Bundesamt für Kartographie und Geodäsie. In einem der früheren Repräsentationsräume ist auch das Büro von Hansjörg Kutterer untergebracht. Er erklärt, was es mit dem zweiten großen Aufgabenbereich des Bundesamtes auf sich hat - der Geodäsie: „Der Begriff steht für Koordinaten, beziehungsweise Koordinatensysteme. Während früher zu deren Bestimmung Steine am Boden als Festpunkte genutzt wurden, sind es heute Satelliten, die am Himmel fliegen.“ Im Observatorium des BKG im bayrischen Wettzell werden die Entfernungen zu den Satelliten gemessen - mit Radioteleskopen, die wie riesige Satellitenschüsseln aussehen und einen Durchmesser von 20 Meter haben. „Ein Laserteleskop schickt Laserpulse zu den Satelliten, die um die Erde fliegen. Dabei werden sie reflektiert, kommen wieder zurück und wir messen die Laufzeit. Auf diese Weise entsteht Stück für Stück das Koordinatensystem.“

 

Geodäsie – die Grundlage für die Kartographie

 

Auch in anderen Ländern Europas, Asiens und in den USA gibt es Observatorien mit vergleichbaren Teleskopen. Sie führen die Messungen zeitgleich durch und alle zusammen arbeiten so an der Erstellung des globalen Koordinatensystems mit. Das deutsche System wird ergänzt mit über 100 Navigationssatelliten, die auch dafür sorgen, dass GP-Systeme in Deutschland großflächig genutzt werden können. Je mehr, desto besser. Kartographie und Geodäsie hängen unmittelbar zusammen, denn die Satellitendaten der Geodäsie bilden die Grundlage für die digitalen Karten der Kartographie.

 

Die Zukunft liegt im Web

 

Das BKG sieht die Zukunft der Kartographie im Web. Im vergangen Jahr hat es eine völlig neu überarbeitete Webseite „www.geoportal.de“ freigeschaltet. Dort werden Grundlagen-Karten bereitgestellt. Sie sind topographisch so gestaltet, dass Informationen darüber gelegt werden können. Das ist wichtig für Institutionen oder Veranstalter, die Ausstellungen, Museen oder ähnliches verorten möchten. Die Karten stehen auch Privatpersonen zur Verfügung. Für den Vertrieb sorgt eine Außenstelle des BKG in Leipzig.

 

Man will bekannter werden – bei den Tagen der Industriekultur

 

Das BKG mit seinem Geodatenzentrum ist neben Bundesanstalten wie Bundesbank und Bankenaufsicht mittlerweile das einzige Bundesamt in Frankfurt. Das konnte sich ändern bei den Tagen der Industriekultur vom 7. bis 12. August. Die standen in diesem Jahr unter dem Thema Mobilität, und am Samstag, 11. August, von 14 bis 18 Uhr, konnte man die Villa Mumm bestaunen und in die Welt der Kartographie und Geodäsie eintauchen. An verschiedenen Stationen wird gezeigt, wie Karten früher entstanden und wie sie heute entstehen.

www.geoportal.de