Verleihung des deutschen Journalistenpreises Wirtschaft-Börse-Finanzen (djp) 2012 in Frankfurt am Main, Teil 2/2

 

Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Aus der Begründung der Jury: Lars Reichardtvom SZ Magazin wurde für seinen am 27. Januar 2012 erschienenen Beitrag „Der böse Geist des Bankenviertels“ prämiert. Er stellt fesselnd und mit überraschenden Einsichten das Leben im heutigen Londoner Bankenviertel den Erfahrungen von Charles Dickens gegenüber, der vor 200 Jahren geboren wurde. Nachdenklich erkennt der Leser, daß manche Missstände, die Dickens mit Figuren wie Oliver Twist anprangerte, heute wieder möglich erscheinen.

 

 

 

Lars Reichardt, wir kennen Sie als Autor des Magazins der Süddeutschen, der über Essen, Reise, Literatur und Kultur schreibt. Nun haben Sie den Deutschen Journalistenpreis Wirtschaft-Börse-Finanzen ausgerechnet in der Kategorie BANK & VERSICHERUNG erhalten. Wie kommt das?

Das kam auch für mich etwas überraschend. Aber Wirtschaft geht uns ja alle an und wir tun auch gut daran, uns dafür zu interessieren.



Könnten Sie den Gehalt des ausgezeichneten Artikels in wenigen Sätzen für unsere Leser weitergeben.

Man könnte den Artikel auf eine Frage reduzieren: Bringt uns das Lesen eines Schriftstellers, der vor 200 Jahren geboren wurde, irgendetwas?



Tatsächlich ungewöhnlich. Wie sind Sie darauf gekommen und was ist für einen Journalisten nötig, um aus einer Idee einen Artikel über das London von heute und Dickens zu schreiben?

Dickens Geburtstag jährte sich dieses Jahr zum 200. Mal, ich hatte irgendwann einmal gehört, dass es einen sogenannten Dickens Walk in London zu den Originalschauplätzen seiner Romane gäbe, das machte mich neugierig, ich dachte, da könnte eine skurrile Geschichte drin stecken. Mein Chef meinte das auch, er gab mir etwas Geld und viel Vertrauen und sagte, ich solle doch einfach mal hinfahren und schauen, was herauskommt. Das ist keine Selbstverständlichkeit.



Und London? Wie lange waren Sie dort und hat sich die Planung dort verändert. Was hat Sie zudem überrascht, was haben Sie gemocht, was ging Ihnen gegen den Strich?

Ich war fünf Tage in London und überrascht, daß die Frage nach Dickens’schen Verhältnissen dort niemanden wirklich überraschte. Die Menschen sprachen gerne mit mir über Dickens und darüber, ob wieder soziale Mißstände drohen könnten wie vor 150 Jahren.



Sie sind fünf Tage spazierengegangen? Was passierte auf dem Dickens Walk?  Ein Beispiel?

Ja. Mehr oder weniger. Es war eine sehr angenehme Recherche. Ich bin spazieren gegangen, habe London kennengelernt, zwischendurch habe ich nette Leute getroffen, Dickens gelesen und Bier getrunken, in Kneipen, die er vor 170 Jahren besuchte. Der Dickens Walk selbst dauert ja nur gut 2 Stunden.



Dickens war ja nicht nur als großer Volksschriftsteller ein genauer Analyst seiner Zeit, des Kapitalismus im Aufbruch, sondern auch ein begnadeter Erzähler. Welche Romane würde er heute schreiben?

Alle Menschen mit denen ich sprach, sagten übereinstimmend: Dickens fände heute jede Menge Stoff, über den er schreiben könnte.



Für Journalisten ist dasein schöner Preis. Die Ehre, aber auch das Geld. Im Preis von insgesamt 6 000 Euro ist eine Spende von 1 000 Euro einbezogen. Wer bekommt Ihre?

Ich spiele seit vielen Jahren mit ein paar Leuten aus dem Togo Fußball. Wir haben gemeinsam einen gemeinnützigen Verein gegründet, der den Bau von Toiletten in Schulen dort finanziert oder die Reparatur von Dächern. Alle Spendengelder kommen zu hundert Prozent bei den Kindern an, wir machen keine Verwaltungs- oder Reisekosten geltend. Der Verein heißt BildungsAktion-Togo e.V.



www.djp.de/preisverleihung_gewinner2012