Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Juni 2017, Teil 5
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In New York konnte man in den 1980er Jahren jungen Männern begegnen, die durch umgedreht aufsitzende Baseballmützen, übergrosse Sporthemden aus schillernden Kunstfasern und riesige goldene Halsketten auffielen. Sie waren Vertreter des damals in Mode gekommenen Rap, eine in den Schwarzenghettos entstandene Musik mit politisch motiviertem Sprechgesang.
Einer ihrer prominentesten Vertreter ist der 1996 im Alter von nur 25 Jahren verstorbene Tupac (2Pac!) Shakur. Nun erzählt ein Biopic von Danny Boom in intensiven Bildern, schrägen Kameraeinstellungen und schnell getakteten Schnittfolgen die Lebensgeschichte des jungen erfolgreichen Rappers. Regisseur Danny Boom kommt selbst aus der Musikvideobranche und der biografisch wie ein Roman angelegte Film hat einiges von einem Music-Clip. Die Rückblenden auf den Lebensweg von Tupac (dargestellt von dem mindestens ebenso charismatisch wirkenden Demetrius Shipp Jr.) fliessen so selbstverständlich in die Rahmenhandlung eines Fernsehinterviews im Gefängnis ein, dass man bald nicht mehr wahrnimmt, auf welcher Zeitebene gerade erzählt wird und wo die Geschichte ihren Anfang nahm.
Im Hochsicherheitstrakt eines New Yorker Gefängnisses wird ein Strafgefangener in den Besuchsraum geführt. Als ihm die Handschellen abgenommen werden, vermutet man einen gefährlichen Schwerverbrecher, der sich einem Fernsehreporter gegenübersetzt. Dieser Moment baut eine Spannung auf, die sich in einem spektakulären Fluchtversuch hätte entladen können. Dieser wäre zwar von den stacheldrahtbewehrten Mehrfachumzäunungen des Sicherheitstraktes verhindert worden, doch hätte eine solche Aktion nicht der Haltung des jungen Musikers entsprochen. Der in seinen Shows immer provozierend auftretende Tupac hatte alles andere als Gewalt im Sinn. Zwar erzählen seine Texte von Brutalität und Ungerechtigkeit, doch kommt dies stets von der anderen Seite, ist Resultat von Vorurteilen und Polizeiwillkür. Dies aufzuzeigen begründete die Zündkraft seiner Songs und des Rap allgemein. Der von Tupac initiierte "Gangstarap" wurde als dessen Extremform zur starken Protestaktion und war auf ihre Art jenen Protesten der Eltern vergleichbar, die mit den Demonstrationen der Black Panthers in den Strassen New Yorks begonnen hatten. Auch Tupacs Mutter Afeni Shakur (Danai Gurira) musste für ihre Sache ins Gefängnis.
Im Interview merkt der Journalist einmal an, Tupac könne sich glücklich schätzen, denn er sei der erste Schwarze, dem noch während seiner Gefangenschaft eine TV Show gewidmet sei. Für seinen Protest im Gefängnis gelandet zu sein, mache ihn nur noch berühmter.
Schon zu Lebzeiten wurde er zur Legende. Kaum ein Musiker hat mit gerade einmal 22 Jahren 75 Millionen Platten verkauft. Sein bekanntester Song "All Eyez on me" aus dem Jahr 1995 ist nun Titel dieses Films. Mit charismatischen Auftritten, und sei es auch in kleinen New Yorker Clubs, hat Tupac vielen jungen Schwarzen eine Stimme gegeben. Zuletzt hatte er bei Death Row Records sogar ein eigenes Label. Mit dem Ruhm kamen die ausschweifenden Parties in teuersten Hotels wie dem Parker Meridien in New York, Drogen, Deals, Grenzenlosigkeit und viel viel Geld. Davon zeugten die grossen Goldketten, die nicht nur auffallendes Statussymbol waren, sondern auch aus massivem Gold bestanden. Zwischen New York und Los Angeles waren allerdings die Reviere eng und haarscharf abgesteckt und die Feinde nicht weit. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere wurde Tupac am 7. September 1996 in Las Vegas auf offener Strasse erschossen. Sein Tod ist bis heute nicht aufgeklärt.
In seiner Zeitlosigkeit und dem vom Rap inspirierten Rhythmus mutet der Film wie ein Musikvideo an. Das steigert seinen Unterhaltungswert, lässt aber eine ernsthafte politische Tiefgründigkeit oder allein die Frage nach den Umständen seines gewaltsamen Todes vermissen.
Foto: © Verleih
Info:
Tupac, USA 2016
Genres Biografie, Musik, Drama
Regie: Benny Boom
Drehbuch: Steven Bagatourian, Jeremy Haft, Eddie Gonzalez
Darsteller: Demetrius Shipp Jr., Danai Gurira, Kat Graham u.a.
Kamera: Peter Menzies Jr.
Schnitt: Joel Cox
Musik: John Paesano
Szenenbild: Derek R. Hill
Bühnenbildnerin Merissa Lombardo
Kostüme: Francine Jamison-Tanchuck
Produzenten: James G. Robinson, David C. Robinson, L.T. Hutton
Ausführende Produzenten: Afeni Shakur, Wayne Morris
Produktion: Emmett/Furla Films, Morgan Creek Productions, Oasis Film
Länge: 140 Minuten