DAS UNERWARTETE GLÜCK DER FAMILIE PAYAN

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Juli 2017, Teil 1

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Manchmal braucht‘s eine außerordentliche Herausforderung für eine Familie, bis sie aufwacht, die Situation erkennt und zu dem wird, was man eine richtige Familie nennt.

Nicole Payan (Karin Viard) hält seit Jahren ihre Familie zusammen und hält sie zudem aus: denn sie ist diejenige, die als Kassiererin an der lokalen Autobahn-Mautstelle auch noch das Geld für alle verdient. Alle, das sind neben dem Ehemann Jean-Pierre Payan (Philippe Rebbot) ihre Mutter, genannt Mamilette (Hélène Vincent), die Tochter Arielle (Manon Kneuesè), die selbst schon Kinder hat, die dann von allen miterzogen werden – und vor allem von Nicole. In diesem Chaos, dem Nicole Strukturen gibt und für alle die Ansprechpartnerin ist, also die Verantwortliche für alle, geschieht mit ihr etwas, was die Neunundvierzigjährige für ihre Wechseljahre hält. Sie fühlt sich nicht wohl, macht schlapp und mag es nicht glauben, als der Arzt ihr sagt, daß sie schwanger sei.

Da läuft doch eigentlich gar nichts mehr zwischen ihr und ihrem Mann, für so was hat sie eigentlich keine Zeit. Aber doch. Nachwuchs. Was tun? Für ihren Mann ist das ganz einfach. Der hatte sich in seinem Hobby, dem Sport, wo er sich als Trainer wichtig tun kann, gerade so schön eingerichtet. Das Kind muß weg. Das ist ja in diesem Vier-Generationen-Haushalt auch das sinnvollste, wo doch die Kinder der Tochter dann älter wären als das noch ungeborene Baby – und außerdem die Geldverdienerin nicht ausfallen kann.

Doch – und das kennen wir alle – für Nicole dreht sich auf einmal die ganze Situation. Sie, die sowieso gläubig ist, sieht das als Zeichen, als ein Zeichen, das das Leben doch noch einmal etwas mit ihr vorhat, ihr eine Chance gibt, ihr und ihrer ganzen Familie. Denn ihre erste, ebenfalls ungewollte Schwangerschaft hatte sie mit 15, als dann Arielle zur Welt kam. Sie will das ungewollte Kind. Doch die Schwangerschaft macht Probleme. Ihr Arzt (Grégorie Bonnet) verordnet strikte Schonung und das Bett. Was tun?

Nicole mußte ihr Leben lang organisieren, jetzt halt vom Bett aus. Sie schickt ihren Mann als Vertretung zu ihrer Mautstelle und macht ihrer Tochter klar, daß diese endlich ihr eigenes Leben führen muß, wozu das Ausziehen gehört. Nicols zweites Kind, ihren erwachsenen Sohn, den sie ans Schiff gebracht hatten, als er in See stach. Der ahnungslose Vincent (Raphael Ferret) erfährt von seinem neuen Geschwisterchen durch einen sehr verklausulierten Brief der Schwester, den er überhaupt nicht versteht, der aber an Bord anders, nämlich als potentielle Gefahr ausgelegt wird.

Ja, es geht alles schief, was nur schiefgehen kann. Denn Nicols Mann hatte seine Arbeitszeit mit Nicole Kollegen getauscht. Er mußte unbedingt wegen des potentielles Aufstiegs der Mannschaft das Training weiterführen. Doch dieser Damian vergißt die Uhrzeit . Die Mautstelle ist geschlossen und der Ehemann gefeuert.

Was sich als neues Familienmodell entpuppt, ist gewachsenes Chaos. Nicole ist am Ende und bringt Damian dazu, mit ihr nach Holland zu fahren. Aber als das Mann, Mutter, Tochter merken, handeln sie geschlossen, sausen im Wagen Nicole hinterher und zeigen ihr, daß sie die ganze Zeit eine Familie hat, auf die sie bauen kann, auch wenn der eine oder der andere etwas länger dazu braucht.

Obwohl also das Geschehen durchaus voraussehbar ist und der Begriff „französische Komödie“ viele Beigeschmäcker hat, gehört diese Komödie zu den richtig guten. Dabei ist es das Debüt von Nadège Loisseau. Die kann allerdings auf die wieder einmal wunderbare Karin Viard bauen, die elegant und mit Gemüt so unaufdringlich wie eindringlich diese werdende Mutter spielt und dabei in ihren Familienmitgliedern so gut gezeichnete Charaktere vorfindet, die in den Besetzungen dann brillieren können, so daß ein richtig guter Film herauskommt.

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