dvd elleNeu auf DVD und Blu-ray ab dem 21. Juli 2017

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Filme zeigen oft erst nach mehrmaligem Sehen ihr wahres Gesicht. Aber nein, sie zeigen bei jedem neuen Sehen ein neues Gesicht. So sollte man sagen.

Aber ein Thriller, der davon lebt, daß man wissen will, wer der Täter ist, hier der Vergewaltiger oder der, der in die Erotikszenen der Videospielfilme der Darstellerin das Gesicht der Chefin Michèle (Isabelle Huppert) aufpfropft...also ein Thriller, den man nach dem Wissen um Täter und Umstände mit voller Spannung noch einmal anschaut, der muß einfach was haben.

Und das liegt nicht nur an der unverschämt provokanten, weil ehrlichen Michèle, sondern genauso an den präzis herausgespielten, eindringlichen Charakteren der Mitspieler, wie Patrick (Laurent Lafitte), der Nachbar oder Richard (Charles Berling), der Ex-Ehemann, Anna (Anne Consigny), die Freundin, die nicht wußte, daß Michèle die Geliebte ihres Mannes Robert (Christian Berkel) ist, was ihr Michèle dann im Ehrlichkeitswahn selber mitteilt (“Es war noch viel schlimmer als mies). Dazu gehören die Mutter, die stirbt, bevor sie ihren jungen Lover, der wie ein Zuhälter aussieht, heiraten kann, der Vater, der seit langer Zeit als Massenmörder im Gefängnis sitzt und sich umbringt, als er hört, die Tochter wolle ihn besuchen, das Mamasöhnchen, das eine anspruchsvolle Freundin hat mit dem Baby eines anderen, und vor allem die religiöse Nachbarin, deren Mann der anfangs erwähnte so ehrbare wie zwiespältige Patrick ist.

Eine Ansammlung sehr auffälliger und anfälliger Charaktere, die Michèle wie eine Mafiabossin in Schach hält – und finanziell unterhält. Sie nämlich, die in einem luxuriösen Haus wohnt, mit einer sehr kartäuserähnlichen Katze, die rätselhaft dem Geschehen zuschaut, die leider später aus dem Blickfeld gerät, ist die Inhaberin und Chefin einer sehr profitablen Produktionfirma von Videospielen mit vielen Angestellten. Das Geld braucht sie auch, weil sie alle aushalten muß: in erster Linie die Familie: ihre Mutter, ihren Exmann, ihren Sohn. Wir aber lernen Michèle nicht als Obermackerin kennen, die sie wirklich ist, da sie allen zeigt, wo der Hammer und das Geld hängt, sondern als Opfer. Denn der starke Anfang, der dann als Traum oder Assoziation des Traumas mehrfach auf der Leinwand erscheint, so daß man erst einmal glaubt, daß der ersten Vergewaltigung eine zweite, dritte...folgt, zeigt eben sehr brutal und laut den Vorgang, wie ein großer, schwarz vermummter Mann über das Fenster einsteigt und sich brutal über Michèle hermacht.

Schrecklich anzusehen und wir alle in den Kinosesseln sind erschrockener und angewiderter als die alterslose, aber doch leicht in später Blüte stehende unerschrockene Frau, der Isabelle Huppert wirklich außerordentliche Contenance gibt. Nein, zwar spielt Regisseur Paul Verhoeven durchaus mit der sexuellen Gewalt, deutet an, ob diese Michèle nicht auch Lust verspürt, zumal ihr erotisches Leben mit dem Mann ihrer Freundin ähnlich nur auf männliche Lust hin dominiert ist. Aber nein, wir halten diese Michèle für eine Frau, die sehr erwachsen ist, sein muß, verantwortlich für eine große Anzahl von Menschen, die auf längere Sicht agiert. Sie muß nicht kurzfristig Dampf ablassen, sondern spielt angeblich das Spiel der anderen mit, bei dem sie aber alle Fäden in ihre Hand bekommt und behält.

Die Spannung im Film, der wirklich hinreißende Szenen typisch französischer Lebensart zeigt, beim großen Fressen oder den Liebesspielen, resultiert daraus, daß wir nicht genau wissen, was einfach passiert oder was die Personen in Michèles Umfeld auf ihre Verführung hin, auf ihre Direktiven, auf ihre Vorausplanung hin tun, also abhängig handeln, ohne das selber zu wissen.

Es ist also eine psychologische Spannung, die dem Thriller zugrundeliegt und sich in vielen expressiven Szenen entlädt. Starke Kost. Und eine starke Frau, die man lieber zur Freundin als zur Feindin haben möchte.


Info: 
Regie: Paul Verhoeven
Darsteller: Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Christian Berkel, Charles Berling u.a.