Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. August 2017, Teil 2

f gesetz der familieCorinne Elsesser

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der englische Originaltitel des Films "Trespass against us" ist eine unmissverständliche Warnung. Die Grenze, die nicht übertreten werden darf, umreisst den Gewaltzusammenhang, innerhalb dessen die Aussenseiter nach eigenen Gesetzen leben.

Es sind Familienclans, die seit Generationen als "travellers" umherziehen und sich nur temporär irgendwo im freien Feld niederlassen. Der Spielfilm von Adam Smith portaitiert eine solche Familie und mutet zuweilen wie eine ethnographische Studie an.

Die Freiheit, die dieses Leben verspricht, wird in den ersten, wild und ungestüm gefilmten Szenen hautnah erlebbar. Die Kamera folgt einigen jungen Männern des Cutler-Clans, die in einem zerbeulten Auto quer durch Felder und Wiesen rasen, Kurven drehen, einem kleinen Hund folgen, der hier und da Fasane aufscheucht und die Richtung wechselt. Am Steuer sitzt der kleine Tyson (Georgie Smith) und darf mit Erlaubnis seines Grossvaters die Schule schwänzen.

Ein reiner Spass ist dieses wilde Leben nicht. Meist ist es nur ein Überleben und es ist hart zudem. Colby (Brendan Gleeson) bestimmt als Familienoberhaupt der Cutlers über den Alltag und die gemeinsamen Aktionen. Sein Sohn Chad (Michael Fassbender) bekommt dessen uneingeschränkte Macht deutlich zu spüren, als er für seine eigene Familie mehr Selbständigkeit anstrebt. Dass er seinen Sohn Tyson zur Schule schickt, passt Colby schon nicht, dass er jetzt auch noch von einem bürgerlichen Leben und gar von Sesshaftigkeit träumt, weiss sein Vater unverzüglich zu durchkreuzen. Chad bekommt zu spüren, dass die Warnung nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen gilt, Clangrenzen nicht zu übertreten. Colby versteht es, seinen Sohn wieder so fest in die Gesetze der Familie einzubinden, dass dieser fast daran zerbricht. Chad sieht sich vor eine Entscheidung gestellt, die so schmerzhaft wie befreiend sein kann.

In seinem Spielfilmdebut lässt der britische Regisseur Adam Smith Gegensätze aufeinanderprallen. Zum einen die Hassliebe zwischen Vater und Sohn, zum andern bildet die sanfte Hügellandschaft Gloucestershires als eine der wohlhabendsten Gegenden Englands einen Kontrast zum Leben der Cutlers, die sich gerade hier in ihrer Wagenburg eingerichtet haben. Auf engstem Raum spielt sich der dramatische Konflikt zwischen dem Wunsch des Sohnes nach einem selbstbestimmten Leben und der vom Vater eingeforderten Loyalität ab. Gewalt und Unerbittlichkeit sind für ein Dasein, das berufsmässig der "Korrektur bestehender Besitzverhältnisse" verschrieben ist, zwingend. Die Polizei ist den Cutlers ständig auf den Fersen. Es gibt Razzien. Doch immer kommen sie davon. Das ist meist dem Geschick des Familienoberhaupts zu verdanken, denn Colby macht es sichtlich Spass, die Ordnungshüter an der Nase herumzuführen.

Mit Fassbender und Gleeson als Vater-Sohn-Duo konnte Regisseur Adam Smith zwei der charismatischsten Schauspieler gewinnen. Sie führen nicht nur eindrücklich vor Augen, wie eng Spass und Verzweiflung beieinander liegen. Sie lassen die Geschichte so real und authentisch wirken, als sei der Film aus einer teilnehmenden ethnographischen Beobachtung entstanden. Die häufig eingesetzte Handkamera von Edu Grau verstärkt diesen Eindruck und der Soundtrack von Tom Rowlands (Chemical Brothers), mit dem Smith zuvor in verschiedenen Musikvideos zusammengearbeitet hat, steigert das Unstete und Chaotische, das ein Leben unter freiem Himmel ausmacht.


Foto: © Verleih

Info:

Das Gesetz der Familie (Trespass against us), Grossbritannien, 2016
Genre: Drama
Regie: Adam Smith
Drehbuch: Alastair Siddons
Darsteller: Brendan Gleeson, Michael Fassbender, Georgie Smith, Lyndsey Marshal, P.C. Lovage u.a.
Produzenten: Andrea Calderwood, Gail Egan, Alastair Siddons
Kamera: Edu Grau
Schnitt: Kristina Hetherington, Jake Roberts
Szenenbild: Nick Palmer
Kostüme: Suzanne Cave
Musik: Tom Rowlands / Chemical Brothers
Länge: 99 Minuten