Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. August 2017, Teil 4
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Nora lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in einem Appenzeller Dorf. Im Jahr 1971 ist im Schweizer Hinterland von den gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der 68er-Bewegung noch nichts zu spüren. Die Männer haben das Sagen und verdienen das Geld, die Frauen kümmern sich um die Hausarbeit.
Nora hat gegen diese gesellschaftlichen Normen nie rebelliert. Aber als ihr Mann ihr verbieten will, sich auf eine Teilzeitstelle zu bewerben und sich dabei auf das Gesetz berufen kann, und ihre Nichte ins Gefängnis kommt, nur weil sie sich in den „falschen“ Mann verliebt hat, werden ihr die Ungerechtigkeiten dieses streng patriarchalischen Systems bewusst. Der private Konflikt politisiert sie, gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen kämpft sie für das Frauenwahlrecht.
Profunde Recherchen bilden das Fundament des witzigen, charmanten Films über die Anfänge der Frauenbewegung in der Schweiz. Das aus dem Chauvinismus resultierende, mitunter absurde Verhältnis der Geschlechter vermittelt sich in satirisch angehauchten Alltagsbeobachtungen. Sehr sorgfältig zeichnet die Regisseurin ihre lebensnahen Figuren, die sich nicht ausschließlich geschlechtsspezifisch in Befürworter und Gegner des Abstimmziels unterteilen.
Ausgerechnet das gegnerische Aktionskomitee führt eine Frau an. Nur angelegentlich grenzt die Geschichte ans Plakative, wenn etwa die Protagonistin ihr politisches Engagement mit einem Frisurwechsel einläutet. Der im Soundtrack verankerte feministische Song You don’t own me von Leslie Gore unterstreicht kraftvoll die Wandlung der sich emanzipierenden Protagonistin und die sich ausbreitende gesellschaftliche Aufbruchstimmung.
Als ein verdienstvoller Film über die spät einsetzende Frauenrechtsbewegung in der Schweiz bietet DIE GÖTTLICHE ORDNUNG spannende Anknüpfungspunkte zu gesellschaftspolitischen Prozessen und Mechanismen von Unterdrückung und Befreiung. Eine Analyse der Gründe, die dazu führten, dass die Schweiz 1971 als eines der letzten europäischen Länder endlich das Stimmrecht für Frauen einführte, drängt sich dabei ebenso auf wie die damit einhergehenden Veränderungen. Zum Vergleich kann die Situation der Frauen in Deutschland in den 1970er Jahren herangezogen- und darüber diskutiert werden, ob Frauen heute noch in bestimmten Bereichen benachteiligt werden. Bei alledem sensibilisiert der Film für die Fragilität von Frauenrechten in der Gegenwart, die in einem veränderten politischen Klima schnell verloren gehen können, und für die Risiken einer rigiden Rollenteilung, an der auch Männer zerbrechen.
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