f magmySerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. August 2017, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Gelungen. Wir treffen auf Charlie, besagten Karl Schmitt, als er schon fünf Jahre in seiner therapeutischen Drogen-WG in Hamburg lebt, wobei überlebt der richtigere Ausdruck ist. Es ist jetzt clean in jeder Hinsicht, denn da gab es für ihn nur das Entweder Oder. Entweder das Abgleiten ins Nirwana oder ohne Alkohol und Zigaretten sowie Rauschmittel die nackte Existenz zu sichern. 

Der Film fängt schon stark an, wenn wir diese Typen in der WG erleben, von denen deren Betreuer Werner Maier (Bjarne Mädel) die schrägste Nummer ist. Und nach und nach entdecken wir, daß dieser Karl Schmidt, der eigentlich hier nur immer hockt, doch den größten Durchblick hat und außerdem fast ein Heiliger in seiner Akzeptanz, Alkohol und Nikotin sowie jede Form von Drogen zu meiden. Etwas langsam ist er in allem, den Bewegungen, den Worten, aber ziemlich spät ist dann doch offensichtlich, daß er den Überblick hält. Was es mit ihm auf sich hat, wird dann in Rückblenden ins Bild gesetzt.

Doch jetzt sind wir Mitte der 90er Jahre und erst einmal fungiert Charlie als Hausmeister in einem Kinderkurheim und wird fuchsig, wenn irgendjemand ihm seine Arbeit streitig macht. Es kann gar nicht genug verstopfte Klos oder Rohre geben, nicht genug Kurzschlüsse, die er reparieren muß. Er ist wirklich der gute Geist in einem überschaubaren Bereich. Noch wissen wir nicht mehr, als der schlichte Lebensrhythmus gleich zweifach dadurch unterbrochen wird, daß er nämlich einen richtigen Hausmeister als Vorgesetzten erhält und daß er, der nie Urlaub nahm, jetzt zwangsweise Urlaub nehmen muß und - es ist von Werner alles schon geregelt - in die Lüneburger Heide fahren muß.

Doch zuvor hatte Charlie durch Zufall seinen alten Kumpel Raimund (Marc Hosemann) aus seiner Berliner Zeit (aha!) wiedergetroffen. Noch dazu in einer Eisdiele, denn das Schlemmen dort sind bisher die einzigen Vergnügen, die sich Karl Schmidt gönnt, weil er anschließend mit dem aufrichtigsten Blick dem Betreuer erzählt, er habe nur einen völlig schwarzen Espresso getrunken, denn zuckergefährdet und zu dick ist er auch. Mit diesem Treffen aber nimmt nicht nur der Film fahrt auf, sondern Charlie auch nach und nach ab. Denn Raimund, der zusammen mit Freund Ferdi (Detlev Buck) inzwischen einen Club und Bumm Bumm Records, als eine Plattenfirma, betreibt, die sich der Technoszene verschrieben hat, womit die beiden stinkreich geworden sind, knüpft an die alten Zeiten an.

Damals im Berlin der aufkommenden Technoleidenschaft war Karl Schmidt der Größte. Er war Herz und Seele der Westberliner Technoverrückten. Und dann passierte es. Die Mauer fiel und mit der Mauer auch Charlie. Ein Sturz ins Bodenlose. Während sich Stadt, Land, Welt  vor Jubel nicht mehr einholten, soff er sich um den Verstand und triftete in alle möglichen Welten ab, so daß er in der Psychiatrie landete. Daß Raimund ihn nun nach Berlin holen will, weil er eine Aufgabe habe, die nur er speziell leisten könne, ist also für Charlie durchaus eine gefährliche Sache. Aber er tut's. Er läßt die WG und Betreuer im Glauben, er sei in die Lüneburger Heide gefahren.

Der Job, für den sie Charlie brauchen ist einem Hausmeister nicht unähnlich, nur nicht statisch, sondern mit ständigem Unterwegssein verbunden. Eine „Magical Mystery“-Tour durch Deutschland soll nicht nur ihr Plattenlabel noch bekannter machen, sondern auch die längst fällige Verschwisterung zwischen dem Rave der 90er und  dem Hippiegeist der 60/70er fertigbringen. Charlie als Antialkoholiker soll idealerweise der Fahrer dieses Kleinbusses sein, der nun ständig bekiffte und betrunkene Sänger und Musiker mit ihren Instrumenten durch die Lande gondelt, an den Clubs angekommen alles regelt, die Bühne herrichtet, die Verwirrten orientiert und einfach der Stein in der Brandung ist. Charlie wächst über sich hinaus.

Das braucht man nicht erzählen, denn der Film folgt hierin dem Roman von Sven Regener, der blutvoll die Szenerie beschrieben hat, die dieser Film kongenial auf der Leinwand umsetzt. Was da nämlich an Feuerwerk entsteht und von hervorragenden Schauspielerleistungen unterstützt wird, wobei uns besonders Detlev Buck gefällt!, zu dem noch diese von den einen geliebten, von den anderen verabscheute Musik, bzw.  Technolärm,  gehört - man hat sie stundenlang danach noch als Gewummer im Ohr - , gibt nicht nur hervorragend ein bestimmtes Lebensgefühl einer Gruppe im erst getrennten, dann wiedervereinten Deutschland wieder, sondern macht durch selbstironische Schlenker einfach Spaß beim Zusehen. 

Die vielen komischen, tragischen, doofen und herrlichen Situationen, in die Charlie und damit wir geraten, braucht man nicht erzählen, die muß man bunt und laut auf der Leinwand verfolgen. Daß man bei einer ja eigentlich einfachen Geschichte so dabei bleibt, hat mit einem Phänomen zu tun, wie hier die Eintönigkeit des Techno auf das Filmemachen übertragen wird. Denn der Film, der zwischendurch ganz schnell ist, verlangsamt sich immer selbst. So wie Charlie, dem wir noch viele weitere Stunden zugeschaut hätten, so prächtig ist Hübner in diese Rolle geschlüpft, ganz langsam ist und immer dasselbe macht, sehen wir auch mehrere Szenen, wie z.B. das gemeinsame Essen, die Diskussionen, das Fahren immer als gewollte Wiederholung - und da kommt es einem beim Zusehen, daß das Absicht sein muß, daß nämlich das ewig Gleiche im Techno hier auf das Leben der Leute längst eingefärbt hat. Sehr interessant.

Diesen Film zu sehen macht Spaß und gibt trotzdem was zu denken. 

Foto: © Verleih

Info: 

Regie: Arne Feldhusen
CHARLY HÜBNER – CHARLIE /KARL SCHMIDT
DETLEV BUCK - FERDI MARC HOSEMANN 
RAIMUND ANNIKA MEIER - ROSA
BJARNE MÄDEL - WERNER MAIER
BASTIAN REIBER – BASTI JACOB MATSCHENZ –
HOLGER SARAH BAUERETT – ANJA LEON ULLRICH 
DUBI JAN-PETER KAMPWIRTH – SCHÖPFI
SARAH VIKTORIA FRICK – SIGI
Drehbuch und Roman: Sven Regener