f migran1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. September 2017, Teil 12

Arman T.Riahi und Karin Schiefer

Wien (Weltexpresso) - In seinen Ausführungen zu seiner Regie sagt Arman T. Riahi: Die Migrantigen. Dieser Begriff ist ein Schmäh, um es auf Wienerisch zu sagen. Benny und Marko, die beiden Protagonisten unserer Geschichte, sind eigentlich keine Migranten. Manchmal sind sie grantig, okay. Aber Migranten?

Im Gegensatz zu ihren Eltern sind sie beide in Österreich geboren, sind Wiener durch und durch – wenn da nicht die schwarzen Haare von Benny wären. Benny, der Schauspieler, der nicht schauspielert, weil er sich weigert die Ausländerrollen zu übernehmen, die Omars und Kemals und Ahmads. Und Marko, der Camouflage- Jugo, der alles dafür tut um nicht wieder dort zu landen, wo er herkommt – im Gemeindebau.

Dass ausgerechnet sie, zwei eigentlich „Integrierte“, sich für das Fernsehen als nicht gesellschaftsfähig, kleinkriminell und gefährlich ausgeben, dass die Verkörperung der Klischees und Vorurteile durch die zweite Generation der Migranten selbst passiert, soll die Zuschauer nicht nur unterhalten, sondern ihnen auch die Angst nehmen – die Angst davor, Vorurteile zu haben, in Klischees zu denken, zu schubladisieren. Denn ja, der Türke wird manchmal aggressiv, der Jugo liebt die Jogginghosen und der Österreicher meckert gerne – manchmal. Wenn wir aber nur diese eine Seite der Geschichte zeigen, wird sie irgendwann zur ganzen Wahrheit. Und dann wird’s brenzlig.


Interview von Karin Schiefer mit Regisseur Arman T. Riahi

„Man kann Klischees auch mit Respekt anfassen“

In der Mediensatire Die Migrantigen jonglieren Regisseur und Hauptdarsteller mit MigrantInnen-Klischees und fragen, warum der viel zitierte Migrationshintergrund über Generationen im Vordergrund bleibt.


Arman T. Riahi über sein Debüt als Spielfilmregisseur

Sind Sie grantig auf das Wort „Migrationshintergrund“?

ARMAN T. RIAHI: Prinzipiell habe ich nichts gegen den Begriff „Migrationshintergrund“, falls mein Film diesen Eindruck vermittelt. Er ist nur mittlerweile selbst zum Klischee geworden und in einer Stadt wie Wien darüber hinaus ganz besonders nichts sagend. Wahrscheinlich kommen mindestens zwei Drittel der Wiener ursprünglich von irgendwo her. Es ist ein altmodischer Begriff, der eigentlich schon länger keine Relevanz mehr hat.


Das Drehbuch haben Sie gemeinsam mit den Hauptdarstellern Faris Rahoma und Aleksandar Petrović erarbeitet. Alle drei haben Sie Eltern, die mit migrantischem Hintergrund nach Österreich gekommen sind. Wie sehr inspirierten eigene Erfahrungen zur Geschichte von Die Migrantigen?

ARMAN T. RIAHI: Wir sind ja keine Wiener, die mit ihrem „Migrationshintergrund“ kämpfen müssen. Wir sind alle drei in Österreich recht behütet aufgewachsen und haben einen sozio-ökonomischen Hintergrund, wo das Migrationsthema nie ein großes Problem darstellte. Der Migrationshintergrund ist ganz einfach zu unserer Identität geworden. Als Kind ist er dir nicht bewusst, irgendwann erkennt man, dass man doch ein bisschen anders ist, dann kommt das Alter, wo man stolz darauf ist, dass man eine zweite Kultur hat und schließlich kommt der Zeitpunkt, wo man erkennt, dass es das Leben bereichert, im Grunde aber nicht sehr relevant ist.

Womit wir aber ein Problem haben, ist der Umstand, dass man Leute wie uns in Opfer-Täter-Schubladen stecken kann. Menschen mit Migrationshintergrund sind entweder das eine oder das andere. Die „erfolgreichen“ Integrationsbeispiele sieht man ja nicht. Integration ist ja per se schon ein Begriff, der am Ziel vorbeischießt. Es geht ja um Inklusion. Die Menschen, die einfach Teil der Gesellschaft geworden sind, sind ja unsichtbar. Unsichtbare fallen nicht auf und sind eigentlich still. Wir haben immer zu den „Stillen“ gehört. Dann liest man Zeitung und hört von Kopftuchdebatte, Terrorismus, und verübt jemand mit Migrationshintergrund einen Überfall, dann wird dieser betont. Die zweite Kultur, dieser unsägliche Migrationshintergrund wird einem drangehängt.

Wenn man als Ausländer in Österreich erfolgreich sein will, dann muss einem noch irgendetwas Ausländisches anhaften, an dem man festgemacht werden kann. Szenen wie das Casting in unserem Film erleben die beiden Schauspieler Faris und Aleksandar ja tatsächlich. Aleksandar wurde bisher in Österreich für Psychopathen mit „Migrationshintergrund“ und Kleinkriminelle besetzt, Faris hat schon alle möglichen Migrationshintergründe gespielt, auch schon einen Kroaten. Das einzige, was er eigentlich nie bekommt, ist die Rolle eines Österreichers, obwohl er hier geboren ist. Das Klischee haftet einem an. Wir können darüber lachen, weil es uns vergleichsweise gut geht. Leute, die ein Leben lang mit diesem Stigma umgehen müssen, erleben das weniger amüsiert. Für einen Schauspieler ist es hart, wenn einem nur ganz gewisse, sehr beschränkte Parts zugetraut werden.

Die Migrantigen ist natürlich auch ein Statement. Es geht mir um die meiner Meinung nach in Österreich total unterschätzte zweite Generation, deren Talente manchmal brachliegen. Wo sind die Drehbücher mit Rollen für Menschen mit Migrationshintergrund, die eine gesellschaftlich relevante, vorbildliche oder auch ambivalente Figur verkörpern und mit dem Opfer-Täter-Modell brechen?


Das Drehbuch entstand im Rahmen des Stoffentwicklungsprogramm Diverse Geschichten. Wie sehr unterstützte es euch, um das Buch zur Drehreife zu entwickeln?

ARMAN T. RIAHI: Ursprünglich hatten Aleksandar und ich für Diverse Geschichten eine Idee zu einem eher düsteren Gangsterfilm – Der Staatsbürger – , an dem wir jetzt wieder weiterarbeiten. Die Migrantigen hatte ein direktes Vorgängerprojekt, nämlich die Comedy-Serie Neue Wiener, die wir vor fünf Jahren bei PULS4 zu drehen begannen und in der ein kulturell durchmischter Freundeskreis in Wien im Mittelpunkt stand. Das Projekt wurde, nachdem schon erste Folgen gedreht waren, aufgrund firmeninterner Probleme der Produktionsfirma, die diese Serie damals hätte produzieren sollen, leider eingestellt. Wir wurden das Gefühl nicht los, dass wir diesen Stoff noch einmal aufgreifen sollten, um diesem Debakel eine positive Wendung zu geben. Wir versuchten die Essenz des Serien-Projekts herauszufiltern: nämlich spielerischer Umgang mit Klischees, Schubladisierungen und Erwartungen, die man an alle Menschen hat. Ich hoffe, dass dies in Die Migrantigen auch rauskommt, dass alle Menschen ungeachtet ihrer Herkunft durch den Kakao gezogen werden.

Wir zogen Der Staatsbürger bei Diverse Geschichten zurück und schlugen Die Migrantigen vor. Diverse Geschichten hat uns am Anfang sehr in seiner Grundlage geholfen, das Drehbuchprogramm Sources, an dem wir in einer späteren Phase teilnahmen, hat uns geholfen, Ballast loszuwerden. Wir haben zwei Jahre lang konsequent in insgesamt 15 Fassungen an dem Buch gearbeitet und viele stilistische Variationen ausgereizt. Es war ein Vor- und Zurückgehen, irgendwann ist der Punkt, wo man den Stoff verfilmen muss. Das perfekte Buch kann nie erreicht werden.


Komödie funktioniert oft mit und über Klischees. Gleichzeitig sollten diese Klischees ja aufs Korn genommen werden. Wie habt ihr die Gratwanderung zwischen dem Fernsehen, das Klischees produziert und verstärkt, dem Kino, das in der Komödie Klischees gerne überzeichnet und eurem Anliegen, Klischees zu brechen und zu hinterfragen, geschafft?

ARMAN T. RIAHI: Das ist eine komplexe Frage. Es ist nie eindeutig. Wir versuchten uns in der Mitte zu bewegen, eine klare Entscheidung hätte den Film in eine eindeutige Richtung gezwungen, die unserem Zugang die ganze Ambivalenz genommen hätte. Wir hätten auch in eine noch kommerziellere Richtung gehen können, allerdings wären dann immer mehr Schichten abgetragen worden. Im absurden Setting von Die Migrantigen gibt es viele Levels, die unserer Erfahrung und auch dem Leben anderer Leute mit Migrationshintergrund verhaftet sind. Ich denke an die Vater-Sohn-Beziehung. Wir haben versucht, die Klischees aus unserem Leben in den Film einzubauen und ihnen eine Wahrhaftigkeit zu verleihen. Klischees wurzeln immer in der Wirklichkeit. Man kann mit ihnen sehr übertrieben arbeiten, sodass man sie als unecht erlebt. Man kann Klischees aber auch mit Respekt anfassen.


Hat euch auch der Gedanke motiviert, der österreichischen Komödie eine neue Facette zu verpassen?

ARMAN T. RIAHI: Wir hatten im Dezember ein sehr erfolgreiches Test-Screening mit mehr als 200 Leuten, das verdeutlicht hat, dass die Menschen mehr als nur eine simple, vereinfachende Komödie vertragen. Die Migrantigen ist Unterhaltung, jeder konnte aber für sich Dinge herausfiltern, die für sie oder ihn auch gesellschaftlich, sozial oder politisch relevant waren. Es ist mir als Filmemacher wichtig, ein breites Publikum zu erreichen und den Leuten zu zeigen, dass auch aus Österreich Unterhaltungsfilme kommen können, die für sie auch eine Orientierungsfunktion haben.


Foto: (Doris Schretzmayer) Marlene Weizenhuber auf der Suche nach der richtigen Story
© Camino Filmverleih

Info:

Benny / Omar : FARIS RAHOMA
Marko / Tito: ALEKSANDAR PETROVIĆ
Marlene Weizenhuber: DORIS SCHRETZMAYER
Sophie: DANIELA ZACHERL
Herr Bilic: ZIJAH A. SOKOLOVIĆ
Juwel: MEHMET ALI SALMAN
Klara: MADDALENA HIRSCHAL
Chris: MAHIR JAMAL
Sara: JULIA JELINEK
Monika Lorenz: MARGARETHE TIESEL
Herbert Sturm: RAINER WÖSS
Regisseur: JOSEF HADER
Casterin: MARTINA POEL
Poll: DIRK STERMANN