f migran4Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. September 2017, Teil 13

Arman T.Riahi und Karin Schiefer

Wien (Weltexpresso) - Wie vollzog sich der Wechsel vom Schreibtisch zum Set? Haben die Hauptdarsteller auch in der Dreharbeit sehr intensiv mitgestaltet? Wie gab es beim Dreh Raum für Improvisation?

ARMAN T. RIAHI: Das Projekt bekam eine erste Absage bei der Herstellungsförderung vom ÖFI. Beim Hearing zur zweiten Einreichung haben Aleksandar und Faris vor dem Beirat ihre Filmfiguren gespielt. Das war der letzte Kick, der den beiden auch das Selbstvertrauen verlieh, dass sie auch vor Publikum ihr komisches Potenzial bringen können. Als dann die Zusage da war, sind wir alle nervös geworden. Wir haben zunächst noch am Buch gefeilt. Irgendwann wurde die Drehvorbereitung aber dringender: Aleksandar und Faris merkten, dass sie ihre Figuren erarbeiten mussten, auch wenn sie als Schauspieler schon einige Erfahrung hatten. Diesmal war es ein größeres Ding – nämlich unser Drehbuch, unser Film. So kam der Zeitpunkt, wo sich unsere Zuständigkeiten trennten und ich mich um Ausstattung, Motive und all die unzähligen Dinge, die ein Regisseur entscheiden muss, kümmerte. Wir mussten ins kalte Wasser springen und einfach tun.

Die Dialoge haben wir mit manchen Schauspielern überarbeitet, mit anderen haben wir geprobt und geschaut, wie es funktioniert, mit manchen haben wir gar nichts vorbereitet. Mit Rabie Peric, die im Film die Putzfrau spielt, haben wir die Szene, wo sie vorgibt, Titos Mutter zu sein, einmal geprobt. Ich liebe es, wenn Schauspieler improvisieren, auch wenn man nur einen Bruchteil davon verwenden kann. Plötzlich kommt das spontane Genie der Leute raus und das ist für mich Schauspielerei in seiner ursprünglichsten Form. Wir haben die Szene zwei- oder dreimal gedreht, dann konnte niemand mehr so richtig arbeiten, weil wir so lachen mussten. Das sind Glücksmomente. Ich wollte authentische Menschen im Film haben, ihren Lokalkolorit und vor allem ihre Sprache, die mir besonders wichtig ist.


Bisher haben Sie vor allem dokumentarisch gearbeitet. Hat sich diese Erfahrung auch beim Drehen eines Spielfilms bezahlt gemacht?

ARMAN T. RIAHI: Auf jeden Fall. Die Migrantigen ist ja ein versteckter Ensemble- Film mit an die 60 Sprechrollen. Ich habe mich bemüht, trotz der Hektik und des Stresses mit den Schauspielern zu arbeiten, sodass sie auch in kleineren Rollen etwas entwickeln konnten. Die Kommunikation mit den Schauspielern kann immer verbessert werden, dennoch war mir da meine Erfahrung aus dem Dokumentarfilm sehr hilfreich. Und der Umstand, nicht zum ersten Mal zu drehen, hat mich in extrem stressigen Situationen die nötige Ruhe bewahren lassen.

Wenn man einen Film dreht, der explizit in Wien verortet ist, dann versucht man ihn auch von anderen bildlich zu unterscheiden. Wie gestaltete sich die Auswahl der Drehorte in Wien?

ARMAN T. RIAHI: Der „Rudolfsgrund“ ist ja ein fiktives Viertel. Wir wollten ein Viertel finden, das noch nicht so abgegriffen war und auch keinem Wiener Grätzel ein schlechtes Image verpassen. Ich kann nicht behaupten, dass es sich um einen migrantischen Arbeiterbezirk handelt. Denn die Frage ist, ob es die so noch gibt. Sie haben zumindest eine Tradition. Ich musste einen noch unverbrauchten Markt finden und bin rasch auf den Hannovermarkt gekommen, weil meine Eltern da in der Nähe wohnen. Wir hatten auch im 21., 22., in Simmering und Favoriten recherchiert, der Hannover-Markt erwies sich als das perfekte Bindeglied zwischen Innen und Außen, zwischen urbanem Lebensgefühl und Randbezirk und es sollte 
glaubhaft vermittelt werden, dass es dort eine kleine Community gibt.

Es war mir wichtig, ein Wien zu zeigen, mit dem wir aufgewachsen sind und das viele Leute nicht kennen. Ich wollte keinesfalls eine gefaktes Umfeld für die filmische Handlung kreieren, sondern die Zuschauer sollten ein Gefühl von „Das kenn ich ja“ bekommen, nicht weil sie es schon so in einem anderen Film gesehen haben, sondern weil das einfach Wien ist. Es ist viel von dem Wien drinnen, in dem ich aufgewachsen bin, im Hannover-Markt spüre ich noch den Naschmarkt und den Schwendermarkt meiner Kindheit.


Von der ersten Einstellung weg, ist auch das Objekt Kamera im Bild. Das Schaffen von Bildern und die Hinterfragung ihrer Wirkung ist von Anfang an ein Thema. Welche Realitäten schafft das Bild? Wie wird Realität durch erzeugte Bilder aufgeschaukelt? Wie wichtig ist Ihnen dieser Subtext Ihrer Komödie?

ARMAN. RIAHI: Es ist mehr als ein Subtext. Wie sehr sind wir alle daran beteiligt, welches Bild von Menschen mit Migrationshintergrund in der medialen Wahrnehmung dominiert? Die Geschehnisse im Film sind ein Platzhalter für tagtägliche Situationen, wo unserer Meinung nach die Menschen auf Schlagzeilen reduziert werden. Wir leben in einer Zeit, wo Medien Profit machen müssen. Das ist nichts Neues, es wirkt sich dennoch auf das Bild der Menschen und die Berichterstattung über sie aus.

Die Fernsehsendung im Film steht für Methoden, wie heute – aus der Sicht der Medien verständlicherweise – nach „Stories“ gesucht wird. Darin verstehe ich den Film als ganz offene Medienkritik, die aber einem breiten Publikum zugänglich sein soll. Es wird sich erst erweisen, ob uns die Gratwanderung gelungen ist, einen gesellschafts- und medienkritischen Film mit der Oberfläche einer Komödie auszustatten. Wir wollten Unterhaltung schaffen und hoffen, dass der Film bei den Menschen nachwirkt. Es ist natürlich ein Experiment. Als wir am Drehbuch zu schreiben begonnen haben, waren Fake-News noch kein Thema. In der aktuellen Situation zu Donald Trumps Amtsantritt trifft es genau den Nerv der Zeit.


Wie viele Nationalitäten bzw. Hintergründe waren in dieser Produktion vertreten?

ARMAN T. RIAHI: Irgendjemand hat es mal gezählt, so an die zwanzig. Es war jedenfalls sehr lebendig und sehr erfrischend, mit Leuten zu arbeiten, die zwar noch keine sehr lange Filmographie, aber ein hohes Maß an Professionalität haben. Die sechs Wochen Dreh waren ziemlich stressig, umso mehr als es drei davon geregnet hat. Man ist beim Dreh in einem fahrenden Zug und muss danach trachten, auf dem Weg die Dinge einzufangen, die man für wesentlich hält. Im Nachhinein betrachtet habe ich das Gefühl, dass es für alle Beteiligen eine schöne Erfahrung war. Jedenfalls habe ich schon Rufe nach dem Teil 2 gehört.... Mir liegt eines sehr am Herzen, dass endlich Leute eine Plattform haben, die sonst nie eine Chance bekommen. Und dass diesmal kein Araber einen Kroaten und kein Österreicher einen Jugo spielen muss, und Wiener mit einer zweiten Kultur endlich das spielen können, was sie eigentlich sind: Österreicher.


Foto: Der Regisseur (Josef Hader), der den Film nobilitiert und den wir zu Ehren des echten Regisseurs des Films hier abbilden, wobei natürlich auch Hader nicht nur Schauspieler ist, sondern auch immer wieder Regie führt
© Camino Filmverleih

Info:

Benny / Omar : FARIS RAHOMA
Marko / Tito: ALEKSANDAR PETROVIĆ
Marlene Weizenhuber: DORIS SCHRETZMAYER
Sophie: DANIELA ZACHERL
Herr Bilic: ZIJAH A. SOKOLOVIĆ
Juwel: MEHMET ALI SALMAN
Klara: MADDALENA HIRSCHAL
Chris: MAHIR JAMAL
Sara: JULIA JELINEK
Monika Lorenz: MARGARETHE TIESEL
Herbert Sturm: RAINER WÖSS
Regisseur: JOSEF HADER
Casterin: MARTINA POEL
Poll: DIRK STERMANN