Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. November 2012, Teil 1

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das können Historiker, Film- und Gesellschaftshistoriker in Zukunft einmal untersuchen, warum es fast 70 Jahre nach dem 2. Weltkrieg einen Schub von Filmen der Nazi-Zeit gibt, Filme, die vor allem die Auswirkungen dieser die Menschen vernichtenden Zeit unter die Lupe nehmen. Das Erstaunliche ist, ja wir können diese Filme gut gebrauchen.

 

DER DEUTSCHE FREUND

 

Die argentinische Regisseurin Jeanine Meerapfel mit den deutsch-jüdischen Wurzeln hat einen Film gedreht, der über weite Strecken von Anfang an so schön und so berührend ist, daß man glaubt, man sei in einem vergangenem Leben gelandet und auch in einem vergangenen Filmleben. In Ruhe und Konzentration mit visuellen Höhepunkten von Orten und Kostümen entwickelt sich in Argentinien eine Liebesgeschichte, die eigentlich historisch nicht hat sein dürfen – weil sie die Tochter vor den Nazis geretteter Juden ist und er der Sohn eines höheren SS-Schergen - und die es auch unter den neuen Bedingungen schwer hat. Wir verfolgen, wie Sulamit (schön und durchschlagend: Celeste Cid, deren Liebe zum deutschen Freund Friedrich - Max Riemelt - wir mitspüren und auch ihre Geborgenheit bei Michael - Benjamin Sadler) im Zug zu einem uns noch unbekannten Zielt reist und wir nun, wie als Rückblenden in der Erinnerung der Celeste, die Geschichte von Anfang an erfahren.

 

Den Verlauf der Geschichte haben unsere Kolleginnen im Premierenbericht ausführlich dargestellt. Wir wollen uns stärker dem Filmischen am Film widmen. Denn da gibt es eine Sogwirkung, die dadurch entsteht, daß Jeanine Meerapfel ihre Protagonisten ernst nimmt. Sie läßt ihnen den Raum zur Entwicklung, auch zur Entwicklung von Mann und Frau, die normalerweise vorüberrauschen, weil die Gegenwart das Ziel ist. Die kurze Gegenwart am Schluß des Films zeigt aber die Offenheit der Situation, also eine potentielle Zukunft, die auch wiederum sich ein Filmemacher nur trauen darf, wenn er seine Filmfiguren liebt und ihnen vertraut. Und das tut Jeanine Meerapfel, das merkt man in jeder Einstellung.

 

Kurz gesagt, es gibt in diesem Film eigentlich nur Vergangenheit und Zukunft, aber der filmische Trick ist, daß wir in jeder Sekunde Gegenwart verspüren, weil die Vergangenheit nicht vergangen ist, sondern in den Menschen weiterwohnt. Jedes Wort wichtig, jede Szene hat ihre Funktion, wir verfolgen Kinder- und Teenagergefühle wie die der - angeblich – Erwachsenen, weil sich die Regisseurin die Mühe macht, diese Entwicklung in Dialogen, in großen Augen, in engen Räumen, im Auto, in Studenten-WGs, in schicken Wohnungen aus aller Nähe uns vor Augen zu führen. Wir fühlen Gegenwart, obwohl das Ambiente, die Kleidung, die Autos der Zeit, und überhaupt alles, Vergangenheit suggeriert. Es gibt im Film also zwei Ebenen. Die äußere Zeit und die innere Entwicklung.

 

Wer älter ist, erkennt allein in den Szenen der WGs und Prostestbewegung, daß die Regisseurin dies alles kennt. Jeanine Meerapfel ist wie ihre Filmprotagonisten aus Argentinien nach Westdeutschland gekommen, 1964, und hat bei Alexander Kluge und Edgar Reitz das Filmemachen studiert. Und dann, wir können nicht genau sagen wann, kippte etwas im Film. Es kippte eher in uns. Auf einmal waren die Personen, deren individuelles Schicksal wir berührt verfolgten, doch eher wie Kleiderpuppen, die für etwas standen: für Juden, für Nazis, für Studenten, für Argentinien, für Deutschland, für den Egoismus von Männern, die Empathie von Frauen, für Rollen also und dann gleichzeitig auch noch für Zeiten: für die Fünfziger, Sechziger, Siebziger, Achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Damit überfrachtet der Film sein Filmpersonal. Trotzdem ein sehr schöner Film, der fast ein ganz wunderbarer geworden wäre.

 

OH BOY

Das gibt es noch. Das Filme in Schwarz-Weiß einfach das Leben dokumentieren, so als ob die Maschinerie in Berlin angehalten worden wäre und die Leute einfach ein bißchen vor sich hinleben, gewürzt mit Jazz und einem Lebensgefühl, daß der Moment das Eigentliche ist. Ein erstaunliches Regiedebüt von Jan Ole Gerster.

 

HEINO JAEGER – LOOK BEFORE YOU KUCK

Ein Dokumentarfilm von Gerd Kroske, der „Fragen Sie Dr. Jäger“ , eine Kultserie der 70er unter die Lupe nimmt, besser: den Heino Jäger mit allem Guten und Schlechtem.

 

ALLES WIRD GUT

Diesen Film konnten wir noch nicht sehen, wissen aber seit NOBODYS' PERFECT, daß wir etwas verpassen, wenn wir einen Film von ihm nicht sehen. Der Verleih hat leider noch keine DVD geschickt. Wir bleiben dran.