Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. September 2017, Teil 1
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Amelie (Mia Kasalo) ist 13 Jahre alt, lebt in Berlin und hat Asthma, das sie soweit wie möglich übersieht. Als sie zu Hause wieder einem lebensbedrohlichen Anfall erleidet und erst in der letzten Sekunde im Krankenhaus gerettet werden kann, beschließen ihre getrennt lebenden Eltern Sarah (Susanne Bormann) und Jost (Dennis Moschitto), Amelie in eine Spezialklinik in die Südtiroler Berge zu bringen. Das passt Amelie - ganz aufmüpfiger Teenager - natürlich überhaupt nicht.
An der Klinik angekommen verschwindet sie auch erst mal und trifft auf einem Bauernhof in der Nachbarschaft im Kuhstall auf den 15jährigen Bart (Samuel Girardi), mit dem sie sich gleich mal streitet.
In der auf Kinder und Jugendliche mit Asthma spezialisierten Klinik soll Amelie lernen, mit ihrer Krankheit besser umzugehen. Genau darauf hat der sture Teenager allerdings absolut keine Lust. Sie will sich von der Klinikleiterin Dr. Murtsakis (Jasmin Tabatabai) nichts sagen lassen und sie hat auch keine Lust auf die Sport- und Therapieangebote. Außerdem fühlt sie sich von ihrer Zimmergenossin, der etwas aufdringlichen Steffi (Shenia Pitschmann) genervt. Deshalb packt sie ihren Rucksack und flüchtet gleich in der ersten Nacht in den Wald. Sie ist fest entschlossen, nicht in die Klinik zurückzukehren.
Doch Amelie flüchtet nicht zum Bahnhof, um nach Berlin zurückzufahren, sondern sie macht sich in die Berge auf. Kurz darauf trifft sie Bart wieder, der einen Berggipfel erreichen will, da dort oben ein traditionelles Feuer entzündet wird. Wenn man darüber springt, würden nach Aussage von Bart alle Wünsche erfüllt - auch schwerste Krankheiten würden geheilt.
Durch Amelies Sturheit fällt sie in einen Gebirgsbach, aus dem Bart sie rettet. Er will sie zurückbringen, aber das Mädchen hat sich in den Kopf gesetzt, den Berggipfel zu erreichen. Da Bart Amelie nicht allein lassen will, brechen die beiden Jugendlichen zusammen zum Gipfel auf.
Während Amelie und Bart unterwegs sind, in ein Gewitter kommen und auch im Freien übernachten müssen und sich dabei langsam näher kommen, versuchen Amelies Eltern, das Klinikpersonal und auch Carabinieri das Mädchen zu finden...
"Amelie rennt“ ist die erste italienisch-deutsche Koproduktion mit einem Südtiroler Koproduzenten. Insgesamt wurde im Mai und Juni 2016 an 6 Tagen in Berlin und an 24 Tagen in Südtirol gedreht, unter anderem in Seis, Völs am Schlern und dem Ahrntal.
Regisseur des Films ist Tobias Wiemann nach einem Drehbuch von Natja Brunckhorst, die durch die Rolle der Christiane F. im Film "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" (1981) bekannt wurde. Der Film schildert sehr authentisch, dass Amelie unzufrieden mit ihrem Leben und ihrer Krankheit ist, die sie einfach negiert. Bedingt durch die gleichzeitige Pubertät nimmt ihre Rebellion beinahe selbstmordgefährdete Züge an.
Amelie ist zu Beginn des Films kein Mädchen, das man trotz ihrer Krankheit ins Herz schließen will. Sie ist bockig, frech, aggressiv und verletzlich und teilt verbal auch gerne aus. Amelies Darstellerin, die 14jährige Mia Kasalo, zeigt dabei großartig, wie viel Verletzlichkeit hinter der rauen Fassade des Teenagers steckt. Vor allem in den Szenen mit Bart spielt sie ihr großartiges schauspielerisches und komödiantisches Talent aus. Der 16jährige Newcomer Samuel Girardi überzeugt als Dialekt sprechender Sonnyboy und entpuppt sich als vielseitig begabter, sehr präsenter und herausfordernder Partner. Dadurch entsteht eine gute Chemie zwischen den beiden Jugendlichen und man nimmt ihnen die beginnende Sympathie jederzeit ab.
Die Landschaft Südtirols wurde von Kameramann Martin Schlecht sehr gut in den Film integriert. Amelies anstrengende Wanderung zum Berggipfel mit der Veränderung der Landschaft mit zunehmender Höhe, ihren unterschiedlichen Etappen, verschiedenen Tageszeiten und plötzlichen Wetterwechseln werden sehr gut eingefangen. Dabei zeigt sich, dass das Naturerlebnis und die Erfolge auch Amelies Stimmung und Verhalten verändern.
Insgesamt ist "Amelie rennt" ein sehr gut gelungener Film über das schwierige Thema chronische Krankheit bei Jugendlichen und wie man damit umgeht. Der Film wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) zu Recht mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet. Auch die FBW-Jugend Filmjury hat den Film mit der Höchstzahl von 5 Sternen bewertet.
Trotz des ernsten Themas sorgen die frechen Dialoge, die herrlichen Bilder der Südtiroler Alpen, die berührende Geschichte und die starken Charaktere für einen spannenden Film für Jugendliche ab etwa 10 Jahren. Der Film ist nicht nur für Kinder sondern für die gesamte Familie geeignet, da er auf nachvollziehbare Art und Weise die Probleme junger Menschen mit chronischen Krankheiten zeigt. "Amelie rennt" ist absolut sehenswert.
Foto: Mia Kasalo als Amelie und Samuel Girardi als Bart © Farbfilm Verleih
Info:
Amelie rennt (Deutschland 2017)
Genre: Kinder- und Jugendfilm, Drama
Filmlänge: 97 Min.
Regie: Tobias Wiemann
Drehbuch: Natja Brunckhorst
Darsteller: Mia Kasalo, Samuel Girardi, Susanne Bormann, Denis Moschitto, Jasmin Tabatabai u.a.
Verleih: Farbfilm Verleih
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 21.09.2017