f VictoriaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. September 2017, Teil 1

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Queen Victoria (Judi Dench) hat 1887 ihr 50jähriges Thronjubiläum. Die manchmal etwas eigensinnige Monarchin ist jetzt 68 Jahre alt und seit 26 Jahren Witwe. Morgens hat sie regelmäßig Probleme aus dem Bett zu kommen und sie schläft auch immer wieder bei Banketten ein.

Da sie seit 11 Jahren auch Kaiserin von Indien ist, soll sie zum Thronjubiläum eine kostbare Münze aus Indien erhalten. Als Überbringer werden der groß gewachsene 24jährige Schreiber Abdul Karim (Ali Fazal) und der deutlich kleinere Mohammed (Adeel Akhtar) ausgewählt. Mohammed muss mit, da der eigentliche Überbringer kurzfristig krank wurde.

Bei dem Fest lernt Victoria Abdul kennen, ist von seinem Aussehen und seinem sonnigen Naturell begeistert. Obwohl Karim auf alle Fälle den direkten Augenkontakt mit der Monarchin vermeiden soll, lächelt er sie bei der Übergabe der Münze unbekümmert an. Dies imponiert Victoria sehr und sie macht ihn zu ihrem persönlichen Diener. Karim weckt in der Königin neuen Lebensmut. Daneben führen die beiden lange Gespräche, in denen Karim ihr seine Sicht auf Indien näherbringt.

Victoria glaubt Karims Aussage, dass er in Indien als Lehrer gearbeitet hätte (obwohl er Schreiber im Gefängnis von Agra war) und befördert ihn recht schnell vom Diener zu ihrem Sekretär (auf Urdu Munshi). Karim gibt der Königin nicht nur Sprach- und Schreibunterricht in Hindi und Urdu, sondern lehrt sie auch indische Bräuche. Das führt dazu, dass sie auch einige Räume im indischen Stil einrichten lässt.

Victoria nimmt Abdul zur königlichen Residenz Balmoral Castle in Schottland, nach Osborne House auf die Isle of Wight und in den Buckingham Palast mit. Zu all diesen Reisen muss Karims indischer Gefährte Mohammed als Karims Diener mit, obwohl er gerne wieder nach Hause fahren würde und auch vom englischen Wetter krank wird.

Abdul wird auch eingeladen, die Königin in andere Länder zu begleiten, z.B. nach Florenz, wo sie Giacomo Puccini (Simon Callow) treffen, der ihr Teile aus seiner neuesten Oper Manon Lescaut vorsingt. Dies führt sehr zum Missfallen ihrer Begleiter dazu, dass die Königin selbst singt.

Die Vertraulichkeit zwischen der Queen und ihrem Munshi gefällt dem Rest des königlichen Haushaltes nicht allzu sehr. Besonders der Kronprinz Albert Edward genannt "Bertie" (Eddie Izzard), der Haushofmeister Sir Henry Ponsonby (Tim Pigott-Smith) und Victorias Begleiterin Jane Spencer, Baroness Churchill (Olivia Williams) sind doch verbittert und denken darüber nach, die Königin für verrückt zu erklären. Die hält aber eisern an ihrem Munshi fest, auch als sie erfahren muss, dass Karim in Indien eine Frau hat, dass er über seine Herkunft geflunkert hat und dass er auch über die indische Geschichte nicht so ganz die Wahrheit gesagt hat.

Abdul Karim wird bis zu Victorias Tod 1901 ihr Munshi bleiben. Dann werden er und seine Familie allerdings vom neuen König Edward VII nach Indien zurückgeschickt werden und der König wird alle Korrespondenz und alle Bilder vernichten lassen.

"Victoria & Abdul" basiert auf dem Roman "Victoria & Abdul: The True Story Of The Queen’s Closest Confidant" (2011) von Shrabani Basu. Der Goldmann Verlag veröffentlicht im September 2017 eine deutsche Fassung unter dem Titel "Victoria & Abdul - Die Queen und ihr treuester Diener".

Hafiz Abdul Karim, Queen Victorias Munshi, wurde 1863 in Jhansi geboren und starb 1909 in Agra. Basus Buch und damit auch der Film beruhen also auf wahren Begebenheiten, die die Autorin zuerst bei ihren Recherchen für ein anderes Buch herausfinden konnte. Später hat sie nicht nur die Tagebücher von Abdul Karim von dessen Neffen, sondern auch die Tagebücher von Queen Victoria zum Lesen bekommen, die die Königin in Urdu abgefasst hat und die von britischen Historikern bisher nicht ausgewertet wurden.

Regisseur des Films ist Stephen Frears nach dem Drehbuch von Lee Hall, der u.a. auch für die Drehbücher von "Billy Elliot" (2000) und "Die Gefährten" (2011) verantwortlich ist. Der Regisseur hat sich bereits in einem früheren Film mit einer anderen britischen Königin befasst und zwar in seinem Film "Die Queen" (2007) mit Victorias Ur-Ur-Enkelin Elisabeth II, für den er auch eine Oscar-Nominierung als bester Regisseur erhalten hat.

Frears hat auch schon vor "Victoria & Abdul" mit Judi Dench, der Darstellerin der Königin Victoria zusammengearbeitet und zwar in den Filmen "Lady Henderson präsentiert" (2005) und "Philomena" (2013). Judi Dench wiederum hat Queen Victoria bereits 1997 in dem Film "Ihre Majestät Mrs. Brown" dargestellt. John Brown ist übrigens 1883 gestorben, so dass Abdul Karim sein Nachfolger als Begleiter der Königin war.

Wie Regisseur John Madden in "Ihre Majestät Mrs. Brown" setzt Stephen Frears in seinem Film der tiefen Freundschaft der Königin und ihrem loyalen Diener ein Denkmal. Dabei zeigt er durchaus auch die Lächerlichkeit des königlichen Pomps, wenn er z.B. aufwendige Staatsbankette zelebriert, aber bei denen immer, wenn die Königin aufgegessen hat, bei allen Anderen die Teller abgeräumt werden. Auch die Gespräche über die königliche Verdauung zwischen der Queen und ihrem Arzt Dr. Reid (Paul Higgins) sind doch recht absurd.

Das Zentrum des Films ist aber Judi Dench als Queen Victoria. Sie spielt die alte Königin erneut mit einer intensiven Mischung aus royaler Grandesse, tiefer innerer menschlicher Zerrissenheit und Einsamkeit. Dabei sind es wunderbar gelungene Szenen, wenn die Queen aus ihren Routinen ausbricht und wie sie mit beinahe jugendlicher Begeisterung Abduls Geschichten lauscht und an seinem Unterricht teilnimmt. Vor allem in den Nahaufnahmen ihres Gesichtes zeichnet sich das fortschreitende Alter aber auch die positiven Veränderungen durch ihren Munshi ebenso überzeugend ab, wie der zermürbende Kampf einer Frau innerhalb des Hofes, der als Jahrmarkt der Eitelkeiten von Missgunst geprägt ist.

Der junge indische Schauspieler Ali Fazal verkörpert Abdul zwar mit Wärme und Güte, seine Interpretation der Rolle lässt allerdings offen, ob er das alles aus Freundschaft oder als karrierebewusster Abenteurer mit Berechnung macht. Das spielt Fazal gut, allerdings bleibt seine Rolle auch zurückhaltend und blass. Aus dem weiteren spielfreudigen Ensemble ragen vor allem Eddie Izzard als missgünstiger und sich zurückgesetzt fühlender Kronprinz "Bertie" und der im April 2017 verstorbene Tim Pigott-Smith als Sir Henry Ponsonby, der etwas überforderte Chef des königlichen Haushalts heraus.

Der Film lebt natürlich auch von seiner perfekten Bildkomposition von Kameramann Danny Cohen, den prachtvollen Kostümen, den sehenswerten Spielorten und einer passenden Filmmusik von Thomas Newman.

"Victoria & Abdul" wurde von der deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat besonders wertvoll ausgezeichnet.

Stephen Frears lässt schon am Anfang des Films schreiben "Based on a true story". Es ist also klar, dass hier eine wahre Begebenheit der ungewöhnlichen Freundschaft, die Queen Victoria zu ihrem indischen Bediensteten Abdul Karim unterhielt, humorvoll und mit Augenzwinkern fürs Kino verändert wurde. Auch wenn der Film Spaß macht und man das Kino am Ende sicher mit einem Lächeln auf dem Gesicht verlässt, verläuft alles nach recht bekannten Bahnen. Auch fällt leider der zweite Teil gegen den ersten etwas ab. Trotz der leisen Kritik ist "Victoria & Abdul" unbedingt sehenswert.

Foto: Judi Dench als Queen Victoria und Ali Fazal als Abdul Karim © Universal Pictures Germany

Info:
Victoria & Abdul (Großbritannien 2017)
Originaltitel: Victoria and Abdul
Genre: Drama, Historischer Film
Filmlänge: 112 Min.
Regie: Stephen Frears
Drehbuch: Lee Hall nach dem gleichnamigen Buch von Shrabani Basu
Darsteller: Judi Dench, Ali Fazal, Eddie Izzard, Michael Gambon, Olivia Williams, Sir Simon Callow, Adeel Akhtar, Tim Pigott-Smith, Fenella Woolgar u.a.
Verleih: Universal Pictures Germany
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 28.09.2017