Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Alle sprechen schon über den zweiten Oscar, den Judi Dench für ihre jüngste Glanzrolle gewinnen könnte. Er wäre ihr tatsächlich zu gönnen, ist es doch allein ihr Verdienst, dass diese einsame, müde, gelangweilte Königin Victoria berührt, deren Lebensgeister spontan von einem indischen Muslim geweckt werden.
Die ungewöhnliche Geschichte einer Freundschaft zwischen der britischen Regentin und dem jungen indischen Bediensteten Abdul Karim, den sie zu ihrem Lehrer kürt, soll sich real zugetragen- und 1887 in London anlässlich des 50. Thronjubiläums ihren Anfang genommen haben. Aber so wie Regisseur Stephen Frears den Islam über seine schier für diese Religion in Euphorie entbrennende Heldin anpreist, scheint es ihm um weit mehr als nur eine individuelle, ungewöhnliche Beziehung zu gehen, sondern vielmehr darum, zu aktuellen Spannungen zwischen den Kulturen und fremdenfeindlichen Strömungen im heutigen Europa Position zu beziehen. Das scheint gewiss ehrenwert, allein die Mission wirkt zu plump aufgetragen.
Man mag verstehen, dass eine alte, von ihrem Dasein angeödete Frau an einem gutaussehenden Jüngling einen Narren frisst. Auch, dass die 81-jährige Fanatikerin darauf besteht, Abduls komplizierte arabische Sprache Urdu in Wort und Schrift zu erlernen und sich von der indischen Baukunst fasziniert zeigt, mag noch plausibel erscheinen. Aber spätestens, als Abdul seine Frau und – als Anstandsdame gleich noch die Schwiegermutter dazu - aus Indien nachholt, die unter schwarzen Burkas wie Gespenster vor den Hof treten und die Monarchin über deren vermeintliche Schönheit ins Schwärmen gerät, wird „Victoria& Abdul“ unfreiwillig zur Satire, unabhängig von der Frage, ob sich muslimische Frauen einfacher Kasten zu dieser Zeit überhaupt in dieser Weise verschleiert haben. Wäre es also nicht Judi Dench, die mit ihrer würdevollen Erscheinung eine Autorität darstellt, so wie sie sich als selbstbewusste Königin souverän gegen ihren Hofstaat behauptet, dem ihre Begünstigungen des Ausländers sehr missfallen, man würde diese Queen wohl für eine Närrin halten.
Ohnehin wirkt das Drehbuch ganz und gar auf Judi Dench zugeschnitten, neben der auch Ali Fazal als Abdul – eine orientalische Erscheinung wie aus 1001 Nacht – , anfänglich noch eine treibende Kraft, im Fortlauf der Handlung bedeutungslos in den Hintergrund tritt.
All die servilen, egoistischen, ehrgeizigen, speichelleckenden Untertanen zeigt Frears nur als Stereotypen und Chargen. Allerdings war auch Judi Dench noch grandioser in dem ungleich besseren Film „Ihre Majestät Mrs. Brown“.
Fazit: Judi Dench brilliert als Königin Victoria in einem ansonsten flachen Porträt.
Foto: © Verleih
Info:
Victoria & Abdul (Großbritannien 2017
Filmlänge: 112 Min.
Regie: Stephen Frears
Drehbuch: Lee Hall nach dem gleichnamigen Buch von Shrabani Basu
Darsteller: Judi Dench, Ali Fazal, Eddie Izzard, Michael Gambon, Olivia Williams, Sir Simon Callow, Adeel Akhtar, Tim Pigott-Smith, Fenella Woolgar u.a.
Info:
Victoria & Abdul (Großbritannien 2017
Filmlänge: 112 Min.
Regie: Stephen Frears
Drehbuch: Lee Hall nach dem gleichnamigen Buch von Shrabani Basu
Darsteller: Judi Dench, Ali Fazal, Eddie Izzard, Michael Gambon, Olivia Williams, Sir Simon Callow, Adeel Akhtar, Tim Pigott-Smith, Fenella Woolgar u.a.