f esSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. September 2017, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -  Es geschieht nicht so oft, daß man sich genau daran erinnert, wo man ein bestimmtes Buch gelesen hat. Aber ES hat sich auf ewig ins eigene Gedächtnis eingegraben. Es war die Zeit, wo in der Provinz der Film EINER FLOG ÜBERS KUCKUCKSNEST (1975) lief, den wir endlich sehen konnten und tags drauf in den Schwarzwald fuhren, in die Waldhütte einer Freundin, wo ich ES dann las.

Den ganzen Tag über, aber auch den Abend und die beginnende Nacht las ich durch. Provinzgrauen.Was war es, was mich erst aufmerken, dann versteinern ließ, dann mit bodenloser Angst erfüllte. Ich war ja nicht allein, hätte ja nicht so tiefe Angst haben müssen, war aber durch ein Geräusch da draußen an den Rand meiner Nerven gekommen. Zitternd vor Angst, so stelle ich mir einen Zusammenbruch vor, die Filmbilder von EINER FLOG...noch genauso im Kopf wie die neuen, die man beim Lesen von ES produziert. In meinem ganzen Leben nicht, weder vorher noch nachher, war ich je in einer solchen Situation, die der zuständige Mann übrigens so löste, daß er mit mir einen nächtlichen Waldspaziergang unternahm, denn – witzigerweise – schien es draußen in der Natur weniger gefährlich, wurde die Angst nach und nach zu einem Gefühl, über das man lachen konnte. Aber ES habe ich dann nicht im dunklen stillen Schwarzwald zu Ende gelesen, sondern im lauten neonerhellten Frankfurt. Nur, vergessen habe ich das nie, aber auch nicht erwartet, darüber einmal zu schreiben.

Deshalb war das Erleben der Geschichte im Kino für mich erst einmal ein Abenteuer. Aber eine alte Weisheit hatte auch hier recht: die Bilder im eigenen Kopf sind allemal viel schrecklicher als die auf der Leinwand, denn da kann man sich immer sagen: klar, ist ja jetzt fürs Kino gemacht. Diese Selbstvergewisserung braucht man bei dieser Verfilmung von ES, die nur den erste Teil des umfangreichen, auch im Taschenbuch erschreckend dicken Romans ist, dessen Handlung in den 50er Jahren aus guten Gründen in die 80er verlegt sind. Da waren nämlich viele von heute noch Jugendliche und vielleicht ist es die letzte Zeit, in der Jugendliche noch mit dem Fahrrad durch die Straßen fuhren und miteinander draußen spielten, wo heute der Rechner und die Angst der Eltern sie in Wohnungen zwingt, allerdings das Smartphone sie wieder befreit.

Es beginnt unheimlich. Unheimlich deshalb, weil alles erst einmal normal scheint. Der kleine Junge im Haus. Er spielt, er will raus, er will sein selbst gebautes Schiffchen schwimmen lassen, denn die Welt da draußen ist ein Regenfaß, das zuwege bringt, daß an den Straßenrändern sich das Wasser erst staut und dann nach einer Richtung abfließt, in den Gully, der nicht wie bei uns direkt in die Erde führt, sondern hier unter den Bürgersteig, unter die Häuser in die Kanalisation. Und da schwimmt sein Schiffchen hin.

Was tun? Natürlich sich hinhocken, naß machen, mit der Hand hineinfahren – und ...längst haben wir die Clownsmaske (Bill Skarsgård) gesehen, hinter der eine butterweiche süßliche Stimme den Jungen auffordert...tatsächlich wird im der Arm abgebissen, aber das ist noch nicht alles. Er wird in die Kanalisation gezogen. Tot. Das eigentliche Grauen beginnt, wenn es die Kinder, besser die Jugendlichen selbst sind, die entdecken, daß hier auf rätselhafte Weise Kinder sterben, einer nach dem anderen, in dieser doch eigentlich beschaulichen und überschaubaren Kleinstadt Derry in den USA.

Diese siebenköpfige Jugendbande „Club der Verlierer“, so richtig normale Jungs, der eine stottert, der andere ist mehr als fett, der andere von dunkler Hautfarbe, da wieder so ein Naseweis, und sogar ein Mädchen ist dabei, sie sind alle beisammen, die wir aus Jugendbüchern und eben auch von Mark Twain kennen. Diese Jungen wissen um ihren Gegner, den Clown Pennywise, wobei der nur die Maske seines Herrn, eben der von ES ist, zudem wird Ben Hanscom, das ist der Dicke, als erster hinter das dunkle Geheimnis kommen, das alle 27 Jahre zuschlägt.

Auch bei der Fernsehverfilmung gab es 1990 zwei Teile und so wird diesem Film das Leben in der Kleinstadt 27 Jahre später folgen, wenn aus der jugendlichen Bande erwachsene Männer geworden sind. Warten wir es ab. Sicher werden wir aber auf Teil 2 keine 27 Jahre warten müssen, sondern dies noch zu des Autors und unseren Lebenszeiten erleben.

Auf jeden Fall ist dieser Teil 1 ansprechend verfilmt, weil er sich auf das Wesentliche konzentriert und im Erwachsenen – für den der Film gemacht ist – die eigene Jugend auferstehen läßt.

P.S. Wir hätten diesmal besonders gerne aus dem Presseheft Deutungen veröffentlicht. Aber da dieses unverständlicherweise nur auf Englisch zu haben ist, haben wir darauf verzichtet. Warum Warner dies nicht, wie andere auch, in Übersetzung bietet, die allein dann auch rechtlich als Aussage abgesichert ist, ist unverständlich. Die Leute wollen doch an den Zuschauern verdienen und müßten alles tun, um Informationen unters Volk zu bringen.

Foto: © Verleih

Info: 

REGIE
Andy Muschietti

SCHAUSPIELERINNEN UND SCHAUSPIELER

Bill Skarsgård           Rolle : Pennywise
Jaeden Lieberher     Rolle : Bill Denbrough
Finn Wolfhard           Rolle : Richie Tozier
Jack Dylan Grazer    Rolle : Eddie Kaspbrak
Sophia Lillis              Rolle : Beverly Marsh
Jeremy Ray Taylor    Rolle : Ben Hanscom
Wyatt Oleff                Rolle : Stanley Uris
Chosen Jacobs        Rolle : Mike Hanlon