f nilhilton1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. Oktober 2017, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mag ja sein, daß manchen der Film zu ‚nachgemacht‘ ist, nicht authentisch genug das Ägyptische spiegelt, aber für uns, die wir natürlich den film noir lieben und Ägypten kennen, ist das eine gelungene Mischung, besser: Anverwandlung, die zudem einen Namen trägt: Fares Fares.

Wem das nichts sagt, der ist selber schuld! Wir hatten nichts zum Film gelesen, sind ohne alles sozusagen in die Pressevorführung hineingeplumpst und konnten uns nicht mehr einholen im Vorsagen: „Meine Güte, sieht der dem Typen in den Verfilmungen der Jussi Adler-Olsen-Krimis ähnlich, diesem Assad, der den lustigen, witzigen, nur manchmal tieftraurigen Assistenten des Kommissars Carl Morck gibt, der meist mit gequälter Miene die Verbrechen aufklärt, wozu Assad gehörig beiträgt.“ Und während des Films sagten wir uns dann: „Er ist es, er muß es sein“.

So war es. Er ist Fares Fares. Das Interessante ist, daß er in dieser Rolle einen ganz anderen Charakter zeigt, einen eher düsteren, keinen lustigen auf jeden Fall, einen Durchschnittspolizisten, nämlich einen, der sich im System der Kairoer Polizei zurechtfindet, indem er genau so korrupt ist, wie die anderen, aber auf niedrigem Niveau, wie wir nach und nach mitkriegen. Und dann passiert etwas und wir sehen den ganzen Film hindurch der Persönlichkeitsveränderung dieses Ermittlers namens Norodin zu, der dem ägyptischen Sumpf den Garaus machen will – und erinnern uns auch an die anderen internationalen Filme, die Fares Fares längst als internationalen Star erkannt und entdeckt haben.

Der naturalisierte Schwede Fares Fares wurde 1973 in Beirut im Libanon geboren und kam früh nach Schweden. Von sich selber sagt er: „Ich fühle mich als Schwede. Ich liebe Schweden.“ Aber er geht auch einwandfrei als Ägypter durch, im Kairo des Jahresanfangs 2011, als es schon gärt, aber der ägyptische Frühling noch vor der Tür steht, an dem, das wissen wir, erst am Schluß des Films sich dieser Kairoer Polizist Noredin (Fares Fares) sicher beteiligen wird. Erst am Schluß, denn am Anfang des Films gehört er zu den Polizisten, die mit der Mehrheit abräumen, sich bereichern und schon auch mal weiteres Gesetzwidriges tun.

Er arbeitet als ranghoher Polizist unter dem Schutz seines Onkels Kamal Mostafa (Yaser Maher), seinem direkten Vorgesetzten in der Polizeibehörde, der dieses System von Schmiergeldern und Aufklärung von Verbrechen perfekt beherrscht, also von den Richtigen und Wichtigen nimmt, und die anderen in den Kerker schickt, seien sie schuldig oder unschuldig. Noredin lebt so vor sich hin, seit seine Frau bei einem Autounfall ums Leben kam, interessiert ihn die Welt nicht mehr besonders.

Der Film beginnt mit Aufnahmen, deren Relevanz wir erst später erkennen. Hörbar bekommen wir eine laute Auseinandersetzung zwischen einem Mann und einer Frau und dann Schreie aus einem Apartment des Nil Hilton Hotel mit. Zuvor hatten wir einen Mann aus dem Zimmer kommen sehen, genauso wie das Zimmermädchen Salwas (Mari Malek) sehen wir den Mann, der danach ins Zimmer gegangen ist und vor dem sie sich sofort versteckt hat: der Mörder.

Noredin ist als erster am Tatort und sieht die schöne Popsängerin Lalena in ihrem Blut liegen. Ein Mord. Ganz eindeutig. Aber während er noch die Zeugin Salwa sucht, hat die längst das Hotel verlassen, denn sie arbeitet als Sudanesin illegal im Land und darf nicht in Erscheinung treten. Für seine Kollegen ist der Fall klar, da hat ein eifersüchtiger Liebhaber ein Verbrechen aus Leidenschaft begangen. Doch Noredin auf Spurensuche hat eine andere Idee und will erst mal den Mieter des Luxusapartments eruieren. Doch den gibt es nicht. Offiziell. Ein Mann des Systems, ein Vertrauter des Präsidenten. Er findet Hatem Shafiq (Ahmed Seleem), einen mächtiger Geschäftsmann und politisch immun, der also von der Strafbehörde nicht ohne öffentliches Verfahren befragt werden darf. Gerade als er dies in Gang setzen will, hört er von seinem Onkel, daß dieser den eindeutigen Mord längst zum Selbstmord erklärt hatte. Das Verfahren ist beendet.

Offiziell, aber nicht für Noredin. Denn dieser hatte, als er gewohnheitsmäßig das Portemonnaie der Ermordeten leerte, auch einen Abholschein eines Fotoladens mitgenommen, wo er, nachdem er die Fotos abholte und diese betrachtete, sofort weiß, daß dieser Hatem Shafiq mit der Ermordeten ein Verhältnis hatte und ihn ohne Kompetenz einfach direkt aufsucht, also in das Privathaus eindringt. Der streitet erst mal alles ab, beschwert sich bei Norodins Onkel, der wiederum untersagt dem Neffen weitere Ermittlungen und jetzt beginnt ein Strudel von Ereignissen, die man – das ist das Gute an dem Film – alle mitbekommt und auf ihre Bedeutung hin selbst einordnen kann. Eben auch, wie einträglich das Geschäft war, heimlich die Liebhaber in der gewissen Suite mit den jeweiligen Damen fotografiert zu haben. Und wer daran mitverdiente, erfährt Norodin auch, was für Norodin eine familiäre Katastrophe bedeutet.

Deshalb an dieser Stelle Schluß und nur der Hinweis, daß sich angesichts des beginnenden Aufstands am 25. Januar 2011 die politischen Verhältnisse über Tage ändern und wer oben schien, auf einmal verfolgt werden darf. Für Noredin heißt das, er möchte, nachdem er selbst seinen Hauptschuldigen Shafiq als unschuldig erklären muß, seinen Onkel als Drahtzieher festnehmen...

P.S. Über die Rolle von Salwa und den Mitwissern, die ebenfalls ermordet wurden, wurde viel zu wenig erzählt. Sie, die Illegale überlebt, nachdem sie in notwendiger Selbstjustiz den Mörder erledigte.

Foto: © Verleih

Info:

Dies ist keine ägyptische Produktion. Die Ereignisse spielen nur dort. Es ist eine schwedische-deutsch-dänische Koproduktion. Nachdem in Kairo alles für die Dreharbeiten vorbereitet war, wurden diese kurzfristig verboten und es ging in Nordafrika, in Casablanca, weiter. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, als in Dubai eine Popsängerin ermordet wurde und sich ein politisch-gesellschaftlich-kriminelles Geflecht ergab.

Darsteller:

NOREDIN                  Fares Fares
SALWA                      Mari Malek
KAMAL MOSTAFA    Yaser Maher
HATEM SHAFIQ        Ahmed Seleem
GREEN EYED MAN  Slimane Dazi
GINA                         Hania Amar
NAGY                        Hichem Yacoubi
MOMO                      Mohamed Yousry
CLINTON                  Ger Duany