BUTTERFLY CITY - eine Dokumentation über die ungewisse Zukunft von Litauens Designerstadt Visaginas
Romana Reich
Lübeck (Weltexpresso) - Die litauische Stadt Visaginas wurde in den 1970er Jahren aus dem Nichts erbaut, um die Existenz eines sowjetischen Kraftwerks zu ermöglichen. Zuerst als Möglichkeit angesehen, dem Westen den Fortschritt der Sowjetunion anhand eines großen wirtschaftlichen Projektes aufzuweisen, repräsentierte IGNALINA später vor allem die energetische Selbstversorgung Litauens, nachdem das Land seine Unabhängigkeit deklarierte.
Der Eintritt in die EU bedeutete allerdings die Schließung des Werkes und somit auch der Hauptindustrie einer Stadt, welche von der Vogelperspektive aus dem Flügel eines Schmetterlings ähnelt.
Noch heute erinnert Visaginas an eine kleine USSR: Die Hauptsprache ist russisch, fast jede/r Einwohner*in stammt aus Russland oder einer anderen sowjetischen Republik. Doch sehen sich die litauischen Bürger auch als Teil der litauischen Gesellschaft an? Und wie sieht es mit deren Akzeptanz seitens des restlichen Litauens aus? Über die Jahre hinweg existierte die Stadt in einer selbst erbauten, geschützten Blase - doch diese droht jetzt zu Zerplatzen.
Dennoch scheint ein Licht zu leuchten am Ende des dunklen Tunnels: Während viele junge Menschen Visaginas verlassen haben, versuchen manche Bürger die Unabhängigkeit ihrer Heimat abseits der nuklearen Industrie zu bewahren und an einer Wiedergeburt der Stadt zu arbeiten.
BUTTERFLY CITY (Irland/Litauen/Belgien/Dänemark, 2017) feiert
am Freitag, den 3. November
bei den Nordischen Filmtagen Lübeck seine Deutschlandpremiere
BUTTERFLY CITY begleitet Personen von unterschiedlichen Hintergründen, alle am Scheideweg des Lebens - hervorgerufen durch den Druck der Schließung des Kraftwerks, als auch aufgrund der Verschlechterung der Beziehung zwischen Russland und dessen eigenen russischen Minderheiten. Nicht nur soziale Probleme spielen dabei eine Rolle. Auch die eigene Sprache, Kultur und Religion werden hinterfragt, letztendlich auch die Identität und Zugehörigkeit. Der Krieg in der Ukraine sitzt dazu im Gedächtnis, schafft eine polarisierende Meinungsbildung und zwingt die Menschen, sich für eine Seite zu entscheiden.
Regisseurin Olga Černovaitė, selbst in Vilnius geboren und Tochter russischer Eltern, begibt sich in ihrer Dokumentation auf eine Entdeckungsreise in das Innere einer zerrissenen Gesellschaft. Mit einem gezielt neutralen Blick auf die sozialen Missstände, stellt BUTTERFLY CITY eine simple, jedoch universelle Frage: ob es für unterschiedliche Gemeinden in einem demokratischen Staat möglich sei, Bürger zu sein, die eigenen Identitäten zu behalten, die der anderen zu respektieren und vor allem furchtlos und ohne Misstrauen zusammenzuleben.
BUTTERFLY CITY
Irland/Litauen/Belgien/Dänemark | 2017 | 95'
Regie: Olga Černovaitė
Produzent: Jeremiah Cullinane
Produktion: Planet Korda Pictures (Dublin)
Co-Produktion: CFC Short & Doc (Kopenhagen), Agent Double (Brüssel)
Weltvertrieb: Visible Film
Vertrieb Russland: Refelxion Films (Moskau)
Foto: © Verleih