Serie: Eine Ausstellung des Deutschen Filmmuseums in Zusammenarbeit mit der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, Los Angeles vom 14. November 2012 bis 28. April 2013 in Frankfurt am Main, Teil 6

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Endlich. Endlich ist die Oscar-Ausstellung eröffnet, über die wir schon so viel gehört und auch geschrieben hatten. Bringen Sie Zeit mit und dann gehen Sie ganz langsam von Film zu Film an den oscar-ausgelobten Filmen seit 1927/28 bis 2011 vorbei, was THE ARTIST war, der am 26. Februar 2012 den 84. Academy Award erhielt.

 

 

Grund der Ausstellung ist die große Bedeutung der Oscarverleihung einerseits und das geringe Wissen um das Prozedere der Stimmvergabe, die zum Oscar führt. Weiterer Anlaß ist das ungeheure Reservoir an papiernen Dokumenten und sinnlichen Gegenständen, die die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die den Oscar auslobt, über die Jahre gesammelt hat und in ihren Archiven verwahrt, ohne daß die Öffentlichkeit davon etwas hat.

 

Der Film-Oscar ist der wichtigste aller Oscars und wird an die Produzenten verliehen. Bei THE ARTIST war das Thomas Langmann. Wir lesen allerdings den Ausruf von Michel Hazanavicius, Regisseur des Films und Eröffner dieser Ausstellung: „Und ich möchte drei Personen danken: Ich möchte Billy Wilder danken. Ich möchte Billy Wilder danken. Ich möchte Billy Wilder danken. Vielen, vielen Dank.“ Eine der rührenden Kleinigkeiten dieser Ausstellung, daß man Aussprüche liest, die einem das Herz erwärmen, weil das Filmgeschäft zwar längst die Betonung 'geschäft' verdient, aber die Menschen, die es betreiben, eben kreative Individuen sind und sich der Filmgeschichte bewußt sind.

 

Die meisten der Leihgaben für diese Ausstellung kommen also von der oscarverleihenden Academy in Los Angeles, wo sie aus den Archiven von den deutschen Kuratoren Jessica Niebel und Michael Kinzer herausgesucht wurden. Vom Ergebnis der Ausstellung ist auch die Academy so begeistert, daß sie nach der Frankfurter Schau diese Ausstellung in Los Angeles zeigen wird, sozusagen als Ausnahme, denn bis heute hat die Academy nur ihr gewaltiges Archiv/Bibliothek, aber noch kein Museum. Das ist nun für 2016 geplant mit einem Kostenaufwand von 250 Millionen Dollar.

 

Die Ausstellung ist allerdings nicht auf die Oscarsieger der 85 Jahre beschränkt, denn für jedes Jahr werden die nominierten Filme mitgenannt mit allen weiteren Angaben, so daß Sie es mit rund 500 Filmen zu tun haben. Lange waren es jeweils fünf Nominierungen, in den letzten Jahren wurden diese auf zehn ausgeweitet. Das sind Details, die Sie nebenbei erfahren, wenn Sie die Zeitleiste entlangschreiten und die Vitrinen und Kojen für jedes Verleihjahr betrachten können. Am spannendsten sind die bewegten Bilder, wenn Sie nämlich Ausschnitte aus dem Siegerfilm sowie einen Ausschnitt von der Verleihung sehen können. Das ist erst einmal die Struktur der Ausstellung.

 

Daneben aber - und das macht den Rundgang abwechslungsreich - gibt es gewissermaßen neun Inseln, auf denen Themen wie OSCAR'S VERGESSENE FILME, oder OSCAR IM KRIEG oder OSCAR SHOW in Bild und Ton und Text dokumentiert werden. Hier werden die Schätze der Academy ausgebreitet, sowohl was Kostüme angeht oder, was die Schreiben der Academy-Mitglieder betrifft, wie Gary Cooper, der prophezeit hatte, daß VOM WINDE VERWEHT“der größte Flop der Geschichte“ werde, was der Oscar-Gewinner von 1939 dann glänzend widerlegte. Man liest sich ununterbrochen fest, weil es Neuigkeiten über Schauspieler, über Filme, über das Hin und Her im Filmgeschäft gibt, man liest von Neid und Eifersucht, aber auch von großer Solidarität.

 

Die Gründung ist hervorragend dokumentiert. Von den 36 Gründungsmitgliedern, sind hier 18 in der Fotografie von 1927 versammelt. Drei sitzen am spiegelnden Tisch, darunter links in Starpose im weißen Hosenanzug, den schwarzen Pelz über der Schulter, Mary Pickford, als einzige Frau unter den Gründungsmitgliedern. Den ziemlich komplizierten Abstimmungsmodus hat der Zahn der Zeit ergeben. Ursprünglich waren die Aademymitglieder auch diejenigen, die über alle Preise abstimmten. Dann aber kamen verschiedene Regularien, die heute dazu führen, daß nur über den Bester Film alle heute 6 000 Mitglieder abstimmen, die anderen in der Regel nur in ihrer eigenen Branche.

 

Da jeweils über die Leistungen der in einem Jahr erbrachten Leistung natürlich erst nach dem Ende des Jahres abgestimmt werden kann, sind Filmfirmen dazu übergegangen, ihre preisverdächtigen Filme erst im Herbst/Winter zu zeigen, damit diese Filme noch stark im Gedächtnis der Abstimmenden ruhen. Wie nun abgestimmt wird, zeigen die Ausstellungsmacher an zwei Tortendiagrammen der Jahre 1982 und 2011. Das sind also kreisrunde Flächen, die hundert Prozent ausmachen, auf denen die Stimmenanteile der Sparten der Academy sowie die Abstimmungsergebnisse für die verschiedenen Oscars verzeichnet sind. Wir haben uns da stundenlang aufgehalten und können das nur empfehlen.

 

1982 konnten 4 636 Mitglieder abstimmen, 2011 waren es 6 579; davon ist die größte Gruppe die der Schauspieler, die mit 1159 Personen 1982 ein Viertel der Abstimmungsberechtigten ausmachte, 2011 aber nur noch 20 Prozent mit 1283 Personen. Man sieht deutlich, welche Gruppen abnehmen: Cutter, Musiker, Maske...und welche zunehmen: visuelle Effekte, Regisseure, Kamera. Schauen Sie selbst weiter. Fortsetzung folgt.

 

bis 28. April 2013

 

Die Nominierungen für den Oscar 2012 werden am 10. Februar 2013 bekanntgegeben. Dann organisiert das Deutsche Filmmuseum einen OSCAR TIP zum Besten Film. In einer langen Nacht am Sonntag, 24. Februar kann man verfolgen: „And the Oscar goes to...“ und gehört potentiell zu den Siegern.

 

 

Katalog:

 

And the OSCAR goes to ...85 Jahre Bester Film . Eine Ausstellung der deutschen Filmmuseums in Zusammenarbeit mit der Academy of Mition Picture and Sciences, Deutsches Filmmuseum, hrsg. von Deutsches Filminstitut – DIF e.V., Frankfurt am Main 2012. Edel. Edel ist die erste Eigenschaft, die man dem Katalog beim Aufblättern zuerkennt. Schon der Titel – diesmal DIN A 4 im Querformat – ist ein Hingucker. Wie die männlichen Torsi der griechischen Klassik, ist auch dieser Oscar eine muskulöse Büste, die im Gesicht bis zur Nase reicht und an den schmalen Hüften aufhört. Dazwischen aber breite Schultern und die Arme vor der Brust um eine Filmrolle gedreht. Goldbronze auf schwarzem Grund. Blättert man auf, bronzener Goldgrund. Blättert man weiter. Schwarzer Lack.

 

Das Entscheidende ist die vollständige Aufzählung der Oscars aller Jahre in der Kategorie Bester Film von 1927/28 bis 2011, was bedeutet, daß der Oscar anfängt mit einem der letzten Stummfilme und die Ausstellung und der Katalog enden mit THE ARTIST, ebenfalls ein Stummfilm, der gegen große Konkurrenz den Oscar gewann und auch in der Erinnerung ein wunderschöner Film bleibt. Die lange Reihe von Jahren wird in vier Etappen bewältigt: bis 1939, von 1940 bis 1967, 1968 bis 1999, 2000 bis 2011, wobei man wissen muß, daß die Preisverleihung inzwischen im Jahr darauf im Februar stattfindet, für uns also der Gewinnerfilm THE ARTIST, Sieger des 84. Academy Awards 2011 ist.

 

Die Oscars für den Besten Film, die also eigentlich ACADEMY AWARDS heißen und von den Produzenten entgegengenommen werden, sind in der selben Manier dargestellt. Zum Jahr und dem Titel des Films sind zusätzlich alle weiteren Nominierten aufgeführt, mit Produktionsfirmen und den Regisseuren, sowie dem Original- und dem deutschen Titel, aber auch einem Filmbild. 1927/28 hieß der Sieger WINGS – Flügel aus Stahl, ein Kriegsdrama und auf der rechten Seite ist das Erstaufführungsplakat zu sehen neben der Silhouette eines Oscars mit dem deutschen Filmtitel, so daß man auch als Überblick gleich die rechten Seiten durchblättern kann und immer auf die Gewinner stößt. Nur drei Filme standen im ersten Jahr am Schluß zur Wahl, schon im nächsten wurden es fünf, was bis ins Jahr 2008 blieb, dann aber sind die Nominierungen für den Besten Film seit 2009 auf zehn Filme ausgeweitet worden.

 

Eingeleitet ist der Band mit der Gründungslegende, die ja in unseren Zeiten stattfand, von daher gar nichts Legendenhaftes hat, sondern gut protokolliert ist, mit der einen Dame – Mary Pickford – und den 17 anwesenden Herren, zu denn nochmal 18 Herren dazukamen, so daß dies Gruppenbild mit Dame geradezu verdoppelt werden muß. Die Bilder vom Gründungsbankett zeigen, daß die Einrichtung des Oscars durchaus wirtschaftliche Gründe hatte, den Film als Gattung und auch als Kunstgattung gesellschaftlich aufzuwerten. Übrigens auch an den Tischen beim Bankett: überwiegend Männer. Ganz wichtig sind die eingestreuten Essays, die bestimmt Themen vertiefen, wie beispielsweise das jährliche Procedere ist, oder Aussagen von Oscargewinnern weitertragen und vor allem ausführlich die Oscarnacht zu Wort und Bild kommen lassen. Eine rundherum runde Sache, denn dies ist ein Buch, das einen im Leben weiterbegleitet.

 

www.deutsches-filminstitut.de

www.deutsches-filmmuseum.de