Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Damit dieser Film in einer Woche, wo so viele 'große' Filme anlaufen, nicht untergeht, wird er heute besprochen, denn er ist ist ein wirklich großer Film im Gewand des unentdeckten, aber perfekt geschliffenen Edelsteins, der aus Argentinien kommt, wobei Spanien Unterstützung leistet. Sein Hauptdarsteller, der famose Oscar Martínez, heißt nur Oscar, bekam diesen nicht, dafür aber den Darstellerpreis der Biennale von Venedig 2016. Daniel Mantovani (Oscar Martínez) ist der argentinische Schriftsteller, der sich ausgebrannt fühlt und auch seit fünf Jahren überhaupt nichts veröffentlicht hat, als ihn die Schwedische Akademie mit dem Literaturnobelpreis auszeichnet und er dann in seinem Heimatort geehrt wird. Tasächlich hatten ihn Gabriel Garcia Marquez und Pablo Neruda erhalten, vor allem auch Gabriela Mistral, die heute kaum jemand mehr kennt. Auf jeden Fall ist der Nobelpreis etwas, was als große Ehre, verbunden mit viel Geld auch in Lateinamerika sehr bekannt ist.
Auf Anhieb fallen uns sogar sechs Literaturnobelpreisträger ein: der Letzte war 2010 der Peruaner Vargas Llosa, 1982 war es der Kolumbianer Gabriel Garcia Marquez, die Dichterin Gabriela Mistral ist in Chile bis heute eine nationale Figur, den Nobelpreis erhielt sie 1945, dagegen ist der Argentinier Borges bei uns sehr bekannt und verehrt, auch wenn er nie von der schwedischen Akademie geehrt wurde, während sowohl der Guatemalteke Miguel Angel Asturias 1972 wie der Mexikaner Octavio Paz zu den insgesamt sechs lateinamerikanischen literarischen Nobelpreisträgern zählen. Und seit dem Film DER NOBELPREISTRÄGER auch Daniel Mantovani, der Argentinier.
Der Film leistet also auch eine nationale Wiedergutmachung, aber vor allem eine blitzgescheite Satire auf den Literaturbetrieb - und das nach allen Seiten, nein, nach zwei Seiten, denn der eigentliche Betrieb, also Verlag, Literaturkritik und Öffentlichkeit bleiben ausgespart. Im Vordergrund steht der Autor, aber es geht genauso um die Verwertung von Stoffen, woher er also seine Geschichten nimmt, und es geht um seine Leser in seinem Heimatort, den er vor 40 Jahren verlassen hatte, nie zurückkam und nun von diesem als Ehrenbürger geehrt werden soll, weshalb er mit gemischten Gefühlen zurückkehrt in dieses Kaff.
Das ist ein bekannter Topos, die Rückkehr in den Ort der Kindheit und Jugend nach langer Zeit. Dürrenmatts DER BESUCH DER ALTEN DAME fällt einem ein und so manchem auch das eigene Erleben, daß auf einmal das, was in der Erinnerung gespeichert groß und bedeutsam erschien, klein und mickrig ist, seien es Straßen, Häuser, Wohnungen oder Menschen. Und von Menschen handelt dieser Film. Zuerst einmal freuen sie sich, seine Heimatgenossen, jeder will ihn sehen, ihm die Hand schütteln und einen Teil seines Nobelpreises erhaschen. Und sie fühlen sich im Recht, denn die, die seine Romane gelesen haben - auch das ist Realsatire, wenn von den ihn Ehrenden zwar die meisten seine Bücher im Schrank stehen, aber nicht gelesen haben und darum erst zunehmend Ekel und Haß entwickeln, wenn ihnen die dörflichen Leser erklären, wie sie im Roman vorkommen, zu welchen Idioten oder miesen Typen sie verkommen - wissen daß der so berühmte Schriftsteller ihren dörflichen Kosmos nie verlassen hat: alle Bücher handeln von den Einwohnern, den Menschen seiner Aufwachsens. Ihre Geschichten hat er zu seiner gemacht.
Erst einmal wird dem Schriftsteller bei der Rückkehr nur die Oberfläche gezeigt, die tiefe Freude und Anerkennung ob seines Nobelpreises, an dem sie teilhaben wollen, indem sie ihn zum Ehrenbürger machen. Dann aber beginnt nach und nach als Naturereignis, also ohne böse Absicht, die gegenseitige Entlarvung, die alle Rollen umkehrt und aus dem zu ehrenden Mann den räudigen Hund machen, den alle jagen und der sich auch selbst nicht leiden kann. Wir Zuschauer auch nicht, denn eines der Geheimnisse dieses Films sind die Gefühle, die den Zuschauer beschleichen, wenn einem nach und nach jeder unsympathisch wird in diesem Film, bis auf die verlassenen Geliebte vielleicht, die Daniel damals zurückließ, noch dazu schwanger, was er nicht wußte, wie er sagt. Sie war schön, die Freundin, und sein bester Freund - Antonio (Dady Brieva) ist der eigentliche Gegenpart, der Bürgermeister und mächtigste Mann am Ort - nahm sie zur Frau. Das wäre auch ohne Nobelpreis einer durchtriebener Filmgeschichte wert.
Aber nicht ihr nähert sich als Wiedergutmachung der abgehalfterte Mann, sondern er läßt sich auf den Überfall einer hübschen jungen Verehrerin in sein Hotelzimmer ein, die im Bett endet, was ihm erst etwas bedeutet, als die Wahrscheinlichkeit aufleuchtet, er könne gerade mit seiner eigenen Tochter geschlafen haben, von der er ja nichts wußte. Unglaublich was nun alles passiert in einem Strom von immer schlimmer werdenen Zuständen. Es ist tatsächlich so, daß seine Romanfiguren zurückschlagen und wir Zuschauer entdecken die Hohlheit des Autors, der gar kein eigenes Leben führte, auch keine eigenen Figuren erfand, sondern die Einwohner dieses Dorfes als literarisches Personal vierzig Jahre lang benutzte, auspreßte, bis sie sich selbst nur als Abklatsch seiner Verarbeitung in Literatur empfanden - so sie ihn gelesen hatten.
Die vielen Stationen, in denen für alle die Wahrheit ans Licht kommt, sind subtil dargestellt, wie überhaupt sich jeder decouvriert und wir mit dem geschundenen Autor am Ende gerne das mordlüsterne Dorf verlassen. Wenigstens hat Daniel Mantovani wieder eine Geschichte zu erzählen. Wie ein Nobelpreisträger nach vierzig Jahren als Ehrenbürger in sein Dorf zurückkehrt....
Foto: Titel: Hier ahnt der Preisträger schon, daß sich etwas zusammenbraut; auf dem Laster wird er erst einmal dörflich geehrt © Verleih
Info:
Darsteller
Daniel Mantovani Oscar Martínez
Antonio Dady Brieva
Irene Andrea Frigerio
Nuria Nora Navas
Bürgermeister Manuel Vicente
Julia Belén Chavanne
Florencio Romero Marcelo D’Andrea
Vater von Julián Gustavo Garzón
Rezeptionist Julián Larquier
Roque Nicolás de Tracy
Der Film leistet also auch eine nationale Wiedergutmachung, aber vor allem eine blitzgescheite Satire auf den Literaturbetrieb - und das nach allen Seiten, nein, nach zwei Seiten, denn der eigentliche Betrieb, also Verlag, Literaturkritik und Öffentlichkeit bleiben ausgespart. Im Vordergrund steht der Autor, aber es geht genauso um die Verwertung von Stoffen, woher er also seine Geschichten nimmt, und es geht um seine Leser in seinem Heimatort, den er vor 40 Jahren verlassen hatte, nie zurückkam und nun von diesem als Ehrenbürger geehrt werden soll, weshalb er mit gemischten Gefühlen zurückkehrt in dieses Kaff.
Das ist ein bekannter Topos, die Rückkehr in den Ort der Kindheit und Jugend nach langer Zeit. Dürrenmatts DER BESUCH DER ALTEN DAME fällt einem ein und so manchem auch das eigene Erleben, daß auf einmal das, was in der Erinnerung gespeichert groß und bedeutsam erschien, klein und mickrig ist, seien es Straßen, Häuser, Wohnungen oder Menschen. Und von Menschen handelt dieser Film. Zuerst einmal freuen sie sich, seine Heimatgenossen, jeder will ihn sehen, ihm die Hand schütteln und einen Teil seines Nobelpreises erhaschen. Und sie fühlen sich im Recht, denn die, die seine Romane gelesen haben - auch das ist Realsatire, wenn von den ihn Ehrenden zwar die meisten seine Bücher im Schrank stehen, aber nicht gelesen haben und darum erst zunehmend Ekel und Haß entwickeln, wenn ihnen die dörflichen Leser erklären, wie sie im Roman vorkommen, zu welchen Idioten oder miesen Typen sie verkommen - wissen daß der so berühmte Schriftsteller ihren dörflichen Kosmos nie verlassen hat: alle Bücher handeln von den Einwohnern, den Menschen seiner Aufwachsens. Ihre Geschichten hat er zu seiner gemacht.
Erst einmal wird dem Schriftsteller bei der Rückkehr nur die Oberfläche gezeigt, die tiefe Freude und Anerkennung ob seines Nobelpreises, an dem sie teilhaben wollen, indem sie ihn zum Ehrenbürger machen. Dann aber beginnt nach und nach als Naturereignis, also ohne böse Absicht, die gegenseitige Entlarvung, die alle Rollen umkehrt und aus dem zu ehrenden Mann den räudigen Hund machen, den alle jagen und der sich auch selbst nicht leiden kann. Wir Zuschauer auch nicht, denn eines der Geheimnisse dieses Films sind die Gefühle, die den Zuschauer beschleichen, wenn einem nach und nach jeder unsympathisch wird in diesem Film, bis auf die verlassenen Geliebte vielleicht, die Daniel damals zurückließ, noch dazu schwanger, was er nicht wußte, wie er sagt. Sie war schön, die Freundin, und sein bester Freund - Antonio (Dady Brieva) ist der eigentliche Gegenpart, der Bürgermeister und mächtigste Mann am Ort - nahm sie zur Frau. Das wäre auch ohne Nobelpreis einer durchtriebener Filmgeschichte wert.
Aber nicht ihr nähert sich als Wiedergutmachung der abgehalfterte Mann, sondern er läßt sich auf den Überfall einer hübschen jungen Verehrerin in sein Hotelzimmer ein, die im Bett endet, was ihm erst etwas bedeutet, als die Wahrscheinlichkeit aufleuchtet, er könne gerade mit seiner eigenen Tochter geschlafen haben, von der er ja nichts wußte. Unglaublich was nun alles passiert in einem Strom von immer schlimmer werdenen Zuständen. Es ist tatsächlich so, daß seine Romanfiguren zurückschlagen und wir Zuschauer entdecken die Hohlheit des Autors, der gar kein eigenes Leben führte, auch keine eigenen Figuren erfand, sondern die Einwohner dieses Dorfes als literarisches Personal vierzig Jahre lang benutzte, auspreßte, bis sie sich selbst nur als Abklatsch seiner Verarbeitung in Literatur empfanden - so sie ihn gelesen hatten.
Die vielen Stationen, in denen für alle die Wahrheit ans Licht kommt, sind subtil dargestellt, wie überhaupt sich jeder decouvriert und wir mit dem geschundenen Autor am Ende gerne das mordlüsterne Dorf verlassen. Wenigstens hat Daniel Mantovani wieder eine Geschichte zu erzählen. Wie ein Nobelpreisträger nach vierzig Jahren als Ehrenbürger in sein Dorf zurückkehrt....
Foto: Titel: Hier ahnt der Preisträger schon, daß sich etwas zusammenbraut; auf dem Laster wird er erst einmal dörflich geehrt © Verleih
Info:
Darsteller
Daniel Mantovani Oscar Martínez
Antonio Dady Brieva
Irene Andrea Frigerio
Nuria Nora Navas
Bürgermeister Manuel Vicente
Julia Belén Chavanne
Florencio Romero Marcelo D’Andrea
Vater von Julián Gustavo Garzón
Rezeptionist Julián Larquier
Roque Nicolás de Tracy