Lida Bach
„Er prüft uns. Unser Herrgott prüft uns.“, sagt Reverend Moore (Dennis Quaid) zu Filmbeginn. Das Publikum in Bomont, Tennessee, prüft er mit einer tödlich endenden Tanzveranstaltung, das Publikum vor der Leinwand mit einer tödlich langweiligen Tanzveranstaltung. Das Ende der ersten ist der Anfang der zweiten. Craig Brewers Remake des Filmmusical, mit dem Herbert Ross 1984 einen der belangloseren Beiträge zur 80er-Jahre-Tanzfilmwelle vorlegte, beginnt mit einer Szene ähnlich einem MTV-Clip. Es ist die erste einer minütigen Reihe von Sequenzen, deren Summe sich dramatisch so anspruchsvoll ausnimmt wie eine Nachmittagsshow auf besagtem Fernsehkanal unter dem Motto „Worst White Trash Videos“.
Vor unecht wirkender Kulisse kicken Jugendliche bei Tanzschritten, die viel zu gekonnt sind um spontan von Dorfkids improvisiert zu sein, ihre Turnschuhe rhythmisch der Kamera entgegen. Die Einstellungsperspektive ist emblematisch: nicht die Gesichter zählen, sondern Füße. Während die Protagonisten in Mine und Wesen geklont scheinen, soll ihr unterschiedliches Schuhwerk Zeitgeist Individualität vermitteln. Nebenbei läuft der Vorspann und der Titelsong, der wie der restliche Soundtrack beflissen zwischen Eingängigkeit und Austauschbarkeit balanciert. Die von Deborah Lurie zusammengestellten Covern und Songs, die man nach dem ersten Anhören mitsingen kann und ähnlich schnell wieder vergessen hat. Die Ära, als Musikfilme Klassikern und Kultsongs zum Durchbruch verhalfen, scheinen so tot wie die Clique, die in der unfreiwillig komischen Eröffnungsszene verunglückt.
Weil der Ortsprediger, dessen Sohn bei dem Unfall starb, die vorangehende Feier als buchstäblichen Tanz in den Tod auslegt, steht Bewegen zu Musik fortan unter Strafe. Bis der aus Boston zurückkehrende Ren (Kenny Mormald) die Landidylle und das Herz der rebellierenden Prediger-Tochter Ariel (Julianne Hough) aus dem Takt bringt. Fiktion und Realität überschneiden sich, wenn Reverend Moore die eröffnenden Dialogworte an die Zuhörer in der Kirche als im Kino richtet. „Was ist eigentlich aus der Trennung von Kirche und Staat geworden?“, wundert sich Ren scheinheilig, obwohl „Footloose“ den bibeltreuen Konservativismus idealisiert, den er zu kritisieren vorgibt. Mit Gottes Hilfe und der Bibel erhebt die Dorfjugend eine Petition gegen das Tanzverbot, in der Kirche gibt der Moore seinen Segen und der Abschlusstanz wir verlegt in die hinter der Ortsgrenze gelegene Baumwollfabrik, wo Bomonts Farbige arbeiten.
„Das Leben ist keine große Party und Marihuana ist schlecht.“, predigt die Handlung. Die „Welt ist voll von Bösem, Versuchung und Gefahr“. Aus ihr kommt Ariels räudiger Rennfahrerfreund, der kifft und Sex will während Ariels Zukünftiger im Familienbetrieb arbeitet, Nein zu Drogen sagt und sexuelle Enthaltsamkeit übt. Mit seinem kläglichen Bemühen Verruchtheit und Coolness verrät sich Brewers Pseudo-Liberalismus als heuchlerische Modernisierung von Bigotterie. In den Zeilen eines Songs: „Hey Mister! Won´t You sell me Your fake idea?“
Oneline: Der mit dem WASP tanzt.
Titel: Footloose
Land/ Jahr: USA 2011
Laufzeit: 113 Min.
Regie: Craig Brewer
Drehbuch: Craig zadan, Neil meron, Brad Weston, Dylan Sellers
Kamera: Amy Vincent
Schnitt: Billy Fox
Musik: Deborah Lurie
Darsteller: Kenny Wormald, Julianne Hough, Dennis Quaid, Ziah Colon, Ray McKinnon, Miles Teller, Ser'Darius William Blain, Andie MacDowell, Patrick John Flueger, Maggie Jones, Jayson Warner Smith
Verleih: Paramount
Kinostart: 20. Oktober 2011