f teheranSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. November 2017, Teil 10

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ehe man auf den Film eingeht, muß man einfach über die Art und Weise der Darstellung als Animationskino eingehen. Die Welt in Teheran ist bunt, aber in dunklen Farben, dann wieder grell orange; über allem Leben, das wir knallhart erleben, liegt ein dunkler Schleier. Die animierten Figuren haben dieselben Farben und wirken schon durch die Zeichnung dramatisch. Rotoskopieverfahren heißt dies, wenn echten Filmaufnahmen die Animation übergestülpt wird.

Nach kurzer Zeit fühlt man sich in einer anderen Welt. Nicht unbedingt der Hades. Nein, ein Totenreich ist das nicht, in dem Pari und die anderen handeln. Es wirkt natürlich auch nicht wie das Paradies, sondern irgendwie abgehoben, wie ein Traum vielleicht, in dem seltsame Dinge passieren, die dann doch einen inneren Zusammenhang haben, der hier schlicht darin besteht, daß es um Unterdrückung geht, um Gewalt, um Sex, um ein Sittenbild dessen, was Teheran im Innersten zusammenhält. Dabei gilt die scheinheilige Hauptstadt für das ganze Land.

Solche offensichtlichen und düsteren Bilder bringt Ali Soozandeh auf die Leinwand, der aus dem Iran geflohen, heute in Köln lebt. Es geht um drei Frauen und einen Mann. Pari, Babak, Sara und Donya leben in der iranischen Hauptstadt Teheran. Pari arbeitet als Prostituierte, um sich und ihren fünfjährigen Sohn Elias durchzubringen. Ihr Mann sitzt im Gefängnis, ist drogenabhängig und weigert sich, die von ihr schon lange gewollte Scheidung durch seine Unterschrift möglich zu machen. Deshalb wendet sie sich ans Gericht und sieht im Richter einen ihrer Kunden. Genau um diese Doppelmoral kreist der Film, der uns ständig die Widersprüche von Menschen vorführt, die einmal politischer-gesellschaftlicher Natur sind, aber auch solche, die aus überkommenen patriarchalischen Strukturen krühren. So sieht in einem Auto der Mann, den Pari gerade oral befriedigt auf dem Trottoir seine Tochter herankommen, händchenhaltend mit einem Mann - und schon rastet der Kunde aus: wegen der Unsittlichkeit seiner Tochter!

Der Richter hat sich in die patente Pari verguckt, will sie dauerhaft an sich binden und bringt sie zum einen in einer gut gelegenen schönen Wohnung unter, zum anderen verspricht er ihr ständig, ihre Scheidung voranzubringen. Nachbarin Sara muß in ihrem Hausfrauendasein aufgehen und kann trotz Wohlverhalten ihren Mann nicht dazu bewegen, sie wieder arbeiten zu lassen. Stattdessen muß sie mit dessen strenggläubigen, scheinheiligen Eltern den Tag verbringen und sich als Dienstmädchen behandeln lassen. Noch schlimmer, nach zwei Fehlgeburten ist sie erneut schwanger – Freud läßt grüßen -, will das vom Ehemann und dessen Eltern ersehnte Kind nicht, da sie ja arbeiten will, um das Haus verlassen zu können und ihr Selbstwertgefühl durch sinnvolle Arbeit wiederherzustellen.

Am dollsten ist die Geschichte von Donya. Erst lernen wir den Musiker Babak kennen, der eine eigene CD veröffentlichen möchte und gerne den feschen Kerl gibt. Eines Nachts kommt in einem Club alles zusammen und er schläft mit einem jungen Mädchen, die ihm Tags drauf ihre Problem schildert. In einer Woche will sie heiraten, auf dem Land, wo sie herkommt. Bis dahin muß sie wieder Jungfrau werden, das wird durch das Zeigen des Leintuchs überprüft....Also muß ein neues Jungfernhäutchen her und was Donya nun alles erlebt, ist völlig surreal, aber wahr. Das ist operativ möglich, benötigt jedoch die Unterschrift der Eltern. Eine andere Möglichkeit ist eine Bestätigung von einem Gerichtsmediziner, daß ihre Entjungferung aus einem Unfall oder einer Vergewaltigung resultierte.

Nun verwursteln sich die Geschichte von Sara und Pari und jetzt wird aus dem Reagieren auf die Situation, die der Film bisher spiegelt, ein Agieren der beiden, eine unglückselige Tat . Denn Pari will dem unverschämten Hausmeister die Meinung geigen, und ruft auf dem Handy von Sara dessen Neffen an und trägt ihm Frivoles an. Sie ist beschickert, das sollte man hinzufügen. Und nun schlägt die Technik gegen die Frauen zurück. Der Anruf kann nämlich von der zuständigen Behörde zurückverfolgt werden, was Hausmeister Ahmed in Gang setzt und ausgerechnet die brave Sara steht jetzt als ungesittet dar. Ahmed nun wieder hat eigene Probleme. Die unverheiratete Tochter ist schwanger. Er braucht Geld für eine Abtreibung, dafür soll nun Saras Mann blechen. Der beschimpft seine Frau als verkommen, woraufhin sie ihm entgegenschleudert, daß die Fehlgeburten Abtreibungen waren...

Es wird immer schlimmer – für alle, es gibt keinen Ausweg. Allerdings fällt einem zunehmend auf, daß die vielen privaten Vergehen, diese Einzelfälle um sich selber kreisen und keinen gesellschaftlichen Hintergrund erhalten, der die Gesellschaft als Ganzes meinen könnte. Es fehlt die Dimension der Analyse und auch der Klärung, was das alles mit der gesellschaftlichen und politischen Situation zu tun hat.

Foto: ©

Info:
Besetzung:

Elmira Razadeh (Pari)
Zar Amir Ebrahimi (Sara)
Arash Marandi (Babak)
Negar Mona Alizadeh (Donya)