f detroitSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. November 2017, Teil 6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Fast gespenstisch, wie nahtlos der neue Film der in politisch aktuellen Leinwandepen erprobten Kathryn Bigelow – mehrere Oscars für THE HURT LOCKER – die Vergangenheit vom Sommer 1967 ins Jahr 2017 transportiert: Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten von Amerika, weil Weiße herrschen, die Schwarze unterdrücken.

Beim Zuschauen der durchaus dramatischen und bewegenden Szenen fehlt einem dennoch etwas, was ganz schwer zu beschreiben ist. Vielleicht ist einfach des Guten zu viel getan, vielleicht findet unsere Beurteilung der Hintergründe der Rassenunruhen – gnadenloser Rassismus der weißen Besitzenden, der blutige Opfer bei den Schwarzen erzeugt – einfach zu viel Bestätigung, so daß die innere Bewegung sich nicht entfalten kann? Denn – noch einmal – gegen die Machart und die überzeugenden Schauspieler ist nichts einzuwenden.

Wir sind mittendrin im Geschehen, wenn durch die Befragung damaliger Zeugen vom Drehbuchschreiber Mark Boal inszeniert, - wie es 1967 genau gewesen sei, als im Hotel Algiers in Detroit ein Schuß fiel, - ein Bild gewoben wird, das sehr klar die Unschuld der Menschen im Hotel beweist, die wie die Hasen auf einer Treibjagd erst ins Feld geschickt, dann verfolgt und schließlich abgeschossen werden. Es bleibt eine kalte Wut.

Erst einmal werden alle positiven Vorurteile wahr von der musikalischen Begabung Afroamerikaner, ihrer Musikalität, ihrem Witz und dem gemeinsamen Auftritt der afroamerikanischen Soulgruppe THE DRAMATICS beim Auswahlverfahren, der für sie die Chance für den Plattenvertrag und die Tournee bringen soll. So schwungvoll ist die Musik und so komisch, eitel und musikbesessen die Boys. Und gerade mitten in ihrem Auftritt hört man Schießereien von draußen, die die Veranstaltung unterbrechen und beenden. Die Zuschauer und die Bands laufen raus aus dem Saal, wollen nach Hause, laufen um ihr Leben. Aber draußen, das haben wir gleich zu Beginn mitangesehen, fahren weiße drei Polizisten im Auto durch die Straßen, sagen sich noch gegenseitig, daß die Absicht der Rassentrennung gescheitert sei, dann sehen sie einen Schwarzen auf der Straße, der gar nichts macht, sogar noch ergebend die Hände hebt und trotzdem von dem einen Polizisten gnadenlos niedergeschossen wird.

Diese Schizophrenie der Staatsgewalt ist schon sehr schwer zu ertragen, aber es kommt noch viel doller, denn nun konzentriert sich das Geschehen allein auf das Hotel ALGIERS. Aus gutem Grund. Erst einmal konnten sich die Bandmitglieder von der gefährlichen Straße in das Hotel retten, wo sie Dampf ablassen, gleichzeitig aber ihr Frontmann verrückt spielt und sich exaltiert aufführt, auf einmal eine Schreckschußpistole zieht und auch noch abschießt, raus durch das Fenster auf die Straße. Ohne Folgen, aber mit viel Krach. Denn das Schießgeräusch ruft die Polizei ins Hotel und nun wird eine Razzia veranstaltet, die zum Ziel hat, den Schützen, dem man Mordabsichten unterstellt, zu identifizieren. Dazu werden die Gäste, fast alle Afroamerikaner, an die Wand in der Lobby gestellt, nicht nur befragt, sondern mißhandelt, niedergeschlagen und drei von ihnen sogar einfach erschossen.

Das wundert einen, daß keiner den leicht überspannten Schützen denunziert und von der Schreckschußpistole berichtet, aber alle hatten verstanden, daß das aus Übermut geschah, aber keine Gefahr davon ausging. Die Brutalität der Polizei, aber nein, so generalisieren darf man nicht, es sind einzelne, wie dieser eine Polizist, die durchdrehen und ungehindert ihre Funktion als Ordnungshüter mißbrauchen und sadistisch völlig Unschuldige quälen, beschädigen, töten.

Worüber man sich jedoch vor allem wundert, ist, welchen Stellenwert dieses schreckliche, schlimme Ereignis erhält, das für sich wirklich tragisch ist, aber in diesem Film für das Ganze stehen muß, eben für die blutige Niederschlagung derer, die vom 23. bis 28. Juli 1967 gegen die Rassentrennung und die Folgen für die schwarze Bevölkerung erst einmal völlig friedlich auf der Straße demonstrierten, was zu 43 Todesopfern und 1189 Verletzten führte. 7000 wurden verhaftet und viele Gerichtsverfahren folgten. Eines von ihnen war der Prozeß um das Geschehen im Hotel und das kriminelle Verhalten der Polizisten, die alle freigesprochen wurden.

Was in diesem Film letztlich nicht zusammenpaßt und ihn trotz hinreißend lustiger und erschreckend tragischer Szenen nicht rund macht, ist dieses isolierte Kammerspiel im Hotel, das das Gesamtproblem auf diese wenigen Leute kapriziert, eine echte Horrorgeschichte, aber ohne die gesellschaftliche Dimension des Aufstandes der schwarzen Bevölkerung. Denn dazu hätte gehört, den Ort Detroit als einen des Zerfalls vorzustellen, wo unter dem Abbau der Automobilindustrie vor allem schwarze Amerikaner leiden, was nur ein Teil der Abwärtsentwicklung bleibt. All diese Hintergründe weiß zwar der ‚gebildete‘ Zuschauer, aber ein Film sollte sie aus sich heraus abbilden.

Foto: © Verleih

Info: 

Regie:
Kathryn Bigelow
Drehbuch:
Mark Boal

Besetzung

Dismukes        John Boyega
Krauss             Will Poulter
Larry                Algee Smith
Fred                Jacob Latimore
Carl                 Jason Mitchell
Julie                 Hannah Murray
Demens           Jack Reynor
Karen               Kaitlyn Dever
Flynn               Ben O’Toole
Auerbach        John Krasinski
Greene            Anthony Mackie
Vanessa          Samira Wiley