Claudia Schulmerich
Frankfurt amMain (Weltexpresso) - Hätten die Kinoenthusiasten gewußt, wie unvergleichlich eindrucksvoll und berührend das bis Sonntag laufende Filmfestival TRANSITO. ELVIRA NOTARI – KINO DER PASSAGE gewesen ist, dann wären sie in Scharen gekommen, was aber nicht gut gegangen wäre, denn der Festsaal des Studierendenhauses, in dem das Studentenkino PUPILLE, das es schon in den Fünfzigern gab, residiert, war gerammelt voll.
Nicht immer während des Tages und der Vorträge, aber immer zu den großen Filmen, zu denen es jeweils musikalische Darbietungen gab, an denen das Sensationellste war, daß Musik und Instrumente zu jedem Film andere waren. Das ist das eine. Das andere ist eine Analyse, die sich dem Betrachter der Stummfilme einfach aufdrängt: es geht fast immer um Familie, natürlich um Liebe auch, aber immer im Zusammenhang mit der Familie und die – das fanden wir eindrucksvoll – ist grundsätzlich immer eine ‚beschädigte Familie‘. Damit soll ausgedrückt werden, daß in den Tochter-Vater-Szenen, die vorherrschen, keine Mutter vorkommt. Die Väter sind sowohl liebevoll fürsorgend und weinen sehr viel, wie auch die Geliebten sehr nah am Wasser gebaut haben, aber es gibt auch böse Väter, die die Tochter als jämmerliche Magd ausnutzen.
Und wenn es dann doch auch eine Mutter gibt, wie im letzten Stummfilm der Notari am Samstagabend, der sowieso vielleicht der interessanteste und gelungendste ist, wenn es also dann eine Mutter gibt, die beherrschend und die Tochter beschützend auftritt, dann fehlt ein Vater dazu. Man kann geradezu soziologische und psychologische Schlüsse ziehen, wie das junge Mädchen in seiner vaterlosen Gesellschaft keine Grenzziehung gegenüber der Männlichkeit erfährt und im Reiz der jungen Mädchenblüte bedenkenlos unter den Verehrern ihre Gunst verteilt, bis einer zurückschlägt, was mit ihrem Tod endet. Eine klassische Frauenkarriere. Dazu später noch mehr.
Die ausgesuchten Filme sind alle von den Notaris konzipiert und hergestellt. Im Gegensatz zu ihren Filminhalten konnte die starke Filmfrau Elvira Notar ihre Familie zusammenhalten, ja sogar für ihr Filmschaffen ideal nutzen. Wir sprachen schon über ihren Familienbetrieb DORA, wie sie nach der jüngsten Tochter, die familiäre Produktionsfirma benannte, in der insbesondere der Sohn in den Filmen mitspielte und der Ehemann an den Drehbüchern mitschrieb und die Kamera führte. Als Reflexion über das Elvira Notari Festival beginnen wir nun mit dem Anfang.
Es begann also am Donnerstagabend mit
‘A Santanotte, IT 1922, R Elvira Notari, 61 Min., 35mm
Der Film wurde präsentiert mit Sologesang von Lucilla Galeazzi (Rom), komponiert und arrangiert von Michael Riessler (München). Uraufführung. In Auftrag gegeben von ZDF/ARTE.
Dabei geht es um eine junge Schöne namens Naninella (Rosè Angione - Sie erinnern sich? Das war die Nichtschauspielerin, die in einigen Filmen mitspielte, die aber in Wirklichkeit die Mathematiklehrerin des Sohns der Notari war) und – wie damals üblich - dick schwarz umrahmte Augen und ein tragisches Gesicht im lockigen Bubikopf durch den Film trägt. Diese Naninella ist der Sonnenschein für die Gäste eines Cafés, die aber immer etwas zu viel von ihr wollen. Noch mehr verlangt der Vater. Aber etwas anderes. Nämlich Geld, Geld, Geld, damit er seiner Trunksucht nachgehen kann. Was sich damals so junge Dinger gefallen ließen in einer patriarchalischen Gesellschaft! Der Vater schlägt sie, verletzt sie, wirft sie die Treppen herunter. Und dann kommen Tore (Alberto Danza) und sein Freund Caluccio ( ein Student der Schauspielschule der Elvira Notari, bez. ihrer Filmproduktion DORA) ins Spiel.
Lucilla Galeazzi (Rom) wurde mit freundlichem Beifall empfangen und nach dem Film mit Ovationen verabschiedet. Sie hatte 61 Minuten lang gesungen. Nur gesungen! Ohne Instrument. Das war ein unvergleichlicher Eindruck. Zwar haben wir inhaltlich nichts verstanden und ob Italiener etwas verstanden haben, wissen wir nicht, aber der Gesang war vom Ausdruck her der jeweiligen Situation angepaßt. Es ging sanft, es ging traurig her, es war dann Leidenschaft und Freude zu hören, Sehnsucht auch und die ganze Gefühlsskala der tragischen Filmgeschichte war in diesem so dramatischen wie perlenden Gesang ausgedrückt.
Daß Michael Riessler (München) dies komponiert und arrangiert hatte, muß man dazu sagen und auch er erhielt seinen Beifall, lange und kräftig. Aber im Ernst, der Eindruck war unglaublich. Das muß man noch einmal genau spezifizieren. Es geht nicht darum, daß es Musik oder daß es Gesang gab, sondern welche Wirkung diese Komposition hatte. Glutvoll und melodiös und mit wunderbarer Stimme in die Stille des Raums intoniert. Das sind Eindrücke, die man nie wieder vergißt.
FORTSETZUNG FOLGT
Es begann also am Donnerstagabend mit
‘A Santanotte, IT 1922, R Elvira Notari, 61 Min., 35mm
Der Film wurde präsentiert mit Sologesang von Lucilla Galeazzi (Rom), komponiert und arrangiert von Michael Riessler (München). Uraufführung. In Auftrag gegeben von ZDF/ARTE.
Dabei geht es um eine junge Schöne namens Naninella (Rosè Angione - Sie erinnern sich? Das war die Nichtschauspielerin, die in einigen Filmen mitspielte, die aber in Wirklichkeit die Mathematiklehrerin des Sohns der Notari war) und – wie damals üblich - dick schwarz umrahmte Augen und ein tragisches Gesicht im lockigen Bubikopf durch den Film trägt. Diese Naninella ist der Sonnenschein für die Gäste eines Cafés, die aber immer etwas zu viel von ihr wollen. Noch mehr verlangt der Vater. Aber etwas anderes. Nämlich Geld, Geld, Geld, damit er seiner Trunksucht nachgehen kann. Was sich damals so junge Dinger gefallen ließen in einer patriarchalischen Gesellschaft! Der Vater schlägt sie, verletzt sie, wirft sie die Treppen herunter. Und dann kommen Tore (Alberto Danza) und sein Freund Caluccio ( ein Student der Schauspielschule der Elvira Notari, bez. ihrer Filmproduktion DORA) ins Spiel.
Lucilla Galeazzi (Rom) wurde mit freundlichem Beifall empfangen und nach dem Film mit Ovationen verabschiedet. Sie hatte 61 Minuten lang gesungen. Nur gesungen! Ohne Instrument. Das war ein unvergleichlicher Eindruck. Zwar haben wir inhaltlich nichts verstanden und ob Italiener etwas verstanden haben, wissen wir nicht, aber der Gesang war vom Ausdruck her der jeweiligen Situation angepaßt. Es ging sanft, es ging traurig her, es war dann Leidenschaft und Freude zu hören, Sehnsucht auch und die ganze Gefühlsskala der tragischen Filmgeschichte war in diesem so dramatischen wie perlenden Gesang ausgedrückt.
Daß Michael Riessler (München) dies komponiert und arrangiert hatte, muß man dazu sagen und auch er erhielt seinen Beifall, lange und kräftig. Aber im Ernst, der Eindruck war unglaublich. Das muß man noch einmal genau spezifizieren. Es geht nicht darum, daß es Musik oder daß es Gesang gab, sondern welche Wirkung diese Komposition hatte. Glutvoll und melodiös und mit wunderbarer Stimme in die Stille des Raums intoniert. Das sind Eindrücke, die man nie wieder vergißt.
FORTSETZUNG FOLGT
Foto: A Santanotte, ©Cineteca Nazionale Rom
Info:
Neben den Filmen Vorträge, die in englischer Sprache
Veranstaltungsort Pupille – Kino in der Uni, Goethe Universität Frankfurt, Studierendenhaus Campus Bockenheim
Adresse: Mertonstraße 26-28, 60325 Frankfurt am Main
Telefon: 069 79828976
Weiterhin gibt es im Anschluß an das Filmfestival ein internationales wissenschaftliches Symposium ECHOES OF PARTHENOPE. ELVIRA NOTARI‘S CINEMA AND NEAPOLITAN POPULAR CULTURE vom 17. bis 19. Dezember 2017 an der Frankfurter Universität
http://www.kinothek-asta-nielsen.de/Notari/
Es gibt eine wertvolle, von der Kinothek herausgegebene kleine Schrift, die Sie unbedingt erwerben sollten, weil die Beiträge das, was Sie ahnen, deutliche ausdrücken können:
Hg. Heide Schlüpmann, Fabian Tietke, Transito. Elvira Notari - Kino der Passage, Kinothek Asta Nielsen 2017
ISBN 987-3-00-058492-3
Das Festival wird gefördert durch Kulturfonds Frankfurt RheinMain, HessenFilm und Medien, Frankfurter Stiftung: Maecenia für Frauen in Wissenschaft und Kunst und das Italienische Generalkonsulat in Frankfurt am Main. Partner sind ZDF/ARTE, Pupille – Kino in der Uni und das Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Über die Kinothek Asta Nielsen e.V.
Die Kinothek Asta Nielsen e.V. wurde 1999 in Frankfurt am Main gegründet. Sie widmet sich in besondere der Filmarbeit von Frauen in Geschichte und Gegenwart und deren Sichtbarmachung im Kino sowie der Aufführung von Filmen in ihren Originalformaten. Dieses Jahr wurde der Verein mit dem Binding-Kulturpreis 2017 ausgezeichnet. Seine Mitbegründerinnen Karola Gramann und Heide Schlüpmann erhielten einen der höchstdotierten Kunstpreise Deutschlands. Verliehen wurde der mit 50.000 Euro dotierte Binding-Kulturpreis am 2. September im Frankfurter Römer.
www.kinothek-asta-nielsen.de
Info:
Neben den Filmen Vorträge, die in englischer Sprache
Veranstaltungsort Pupille – Kino in der Uni, Goethe Universität Frankfurt, Studierendenhaus Campus Bockenheim
Adresse: Mertonstraße 26-28, 60325 Frankfurt am Main
Telefon: 069 79828976
Weiterhin gibt es im Anschluß an das Filmfestival ein internationales wissenschaftliches Symposium ECHOES OF PARTHENOPE. ELVIRA NOTARI‘S CINEMA AND NEAPOLITAN POPULAR CULTURE vom 17. bis 19. Dezember 2017 an der Frankfurter Universität
http://www.kinothek-asta-nielsen.de/Notari/
Es gibt eine wertvolle, von der Kinothek herausgegebene kleine Schrift, die Sie unbedingt erwerben sollten, weil die Beiträge das, was Sie ahnen, deutliche ausdrücken können:
Hg. Heide Schlüpmann, Fabian Tietke, Transito. Elvira Notari - Kino der Passage, Kinothek Asta Nielsen 2017
ISBN 987-3-00-058492-3
Das Festival wird gefördert durch Kulturfonds Frankfurt RheinMain, HessenFilm und Medien, Frankfurter Stiftung: Maecenia für Frauen in Wissenschaft und Kunst und das Italienische Generalkonsulat in Frankfurt am Main. Partner sind ZDF/ARTE, Pupille – Kino in der Uni und das Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Über die Kinothek Asta Nielsen e.V.
Die Kinothek Asta Nielsen e.V. wurde 1999 in Frankfurt am Main gegründet. Sie widmet sich in besondere der Filmarbeit von Frauen in Geschichte und Gegenwart und deren Sichtbarmachung im Kino sowie der Aufführung von Filmen in ihren Originalformaten. Dieses Jahr wurde der Verein mit dem Binding-Kulturpreis 2017 ausgezeichnet. Seine Mitbegründerinnen Karola Gramann und Heide Schlüpmann erhielten einen der höchstdotierten Kunstpreise Deutschlands. Verliehen wurde der mit 50.000 Euro dotierte Binding-Kulturpreis am 2. September im Frankfurter Römer.
www.kinothek-asta-nielsen.de