f 3zinnenfehlingSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Dezember 2017, Teil 5

N.N.

Berlin (Weltexpresso) - Sie haben in der Vergangenheit bereits bei DER FLUSS WAR EINST EIN MENSCH und seinem Kurzfi lm „We Will Stay in Touch About It“ mit Jan Zabeil gearbeitet. Musste er große Überzeugungsarbeit leisten, um Sie für DREI ZINNEN zu begeistern?

Die Arbeit an DER FLUSS WAR EINST EIN MENSCH fand unter derart extremen Umständen statt, dass wir uns während des Drehs sehr intensiv kennengelernt haben. Das bleibt. Wir wussten, dass wir sofort wieder miteinander arbeiten wollten. Daran bestand nie ein Zweifel. So hatten wir immer wieder Kontakt, um uns auf dem Laufenden zu halten. Und so wusste ich auch schon sehr früh von DREI ZINNEN, von dem Thema und den Figuren, konnte die Entwicklung des Buches von Anbeginn mitverfolgen und auch ein wenig mitformen. Wir haben uns immer wieder unterhalten, haben uns viel geschrieben. Das war ein Prozess, der sich tatsächlich ein paar Jahre hinzog. Was immer gut war, weil wir ja wussten, dass wir den Film miteinander machen würden.


Was hat Sie angesprochen? Was macht Aaron zu einer Figur, die Sie spielen wollten?

Es gibt Teile, da sind Jan und ich ganz unterschiedlich. Und dann gibt es wieder Teile, da sind wir uns ungeheuer ähnlich. Die Dinge, die ihn beschäftigen, die Fragen, die er sich stellt, ob nun zwischenmenschlich oder auch fi lmemacherisch oder erzählerisch, decken sich mit den Anliegen, die auch mich beschäftigen. Das ist eine gute, sehr solide Basis, um miteinander zu arbeiten. An Aaron interessieren mich unzählige, unterschiedlichste Dinge. Wie dieser innere Konfl ikt, der so unaussprechlich ist und für den man sich schämt, der sich aber nicht lösen kann, hier körperlich erzählt wird, habe ich geliebt.


Am wichtigsten ist seine Beziehung zu dem Jungen.

Ich fand diese Paarung ungemein spannend, dieser große Typ und dieser kleine Junge. Im Grunde wird alles auf den Kopf gestellt. Die üblichen Kraftverhältnisse in einer Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Kind kehren sich komplett um. Das war faszinierend für mich. Die ganze Geschichte gefällt mir, sie beschäftigt mich, arbeitet unablässig in mir, auch jetzt noch, lange nach Abschluss des Drehs. Ich glaube, wir behandeln ein sehr modernes und sehr heutiges Thema, das ich selbst aus meinem Leben aus verschiedensten Positionen kenne. Manchmal geht es darum, vor Allem die eigene Rolle so gut wie möglich zu spielen. Hier war es so, dass mich die ganze Erzählung ganz unmittelbar etwas anging und ich mithelfen wollte, sie zu vermitteln.


Wie nähern Sie sich einer solchen Figur?

Ich habe zunächst versucht, sie mir körperlich zu verinnerlichen. Das empfand ich als zwingend, weil Aaron ein so körperlicher Typ ist, der sich, ganz männlich, wie man meint, jeder Situation stellt – und gerade auch deshalb an seine Grenzen geführt wird, weil ihm alle seine Fähigkeiten auch nicht mehr nützen. Ich habe drei Monate vor Drehstart erst einmal zehn Kilo zugenommen. Das ist eine ganze Menge. Ich wollte mit meinem Körper einfach mehr Raum einnehmen, deshalb habe ich an Masse zugelegt. Und damit es nicht einfach nur Fett ist, habe ich auch entsprechend Sport gemacht, damit es auch Muskelmasse ist. Ich würde sagen, 40 Prozent dieser körperlichen Verwandlung hatten mit Sport zu tun, der Rest vor allem mit Essen. Der Kontrast zwischen dem Jungen und dem Mann sollte so groß wie möglich sein. Ich wollte auch etwas langsamer werden, mehr in den Boden kommen, mehr dastehen, ein bisschen unumstößlicher werden – um dann natürlich umso mehr umgestoßen zu werden. Daraus entstand die Figur.


Die Sie dann im Zusammenspiel mit Arian Montgomery formen konnten.

Ja, alles Weitere kam durch das Zusammenspiel. Es ging immer darum zu verstehen, was das für ein Verhältnis ist. Und wer ist dieser Junge, der das spielen wird? Ich wusste, dass Arian in München lebt. Also habe ich ihn in München besucht, habe Zeit mit ihm verbracht und ihn kennengelernt. Aus dieser Verbindung, die unheimlich schnell entstanden und extrem gewachsen ist, konnte ein weiterer Aspekt meiner Figur entstehen. Jan und mir war klar, dass diese Beziehung entscheidend für den Film sein würde. Aus diesem Jungen heraus konnte ich auch Aaron entwickeln. Uns war klar, dass es nicht reichen würde, wenn ich wüsste, wie ich meine Figur spiele. Damit wären wir nicht weit gekommen. Es kam darauf an, was Arian mit mir anfangen konnte. Er hat sich total in meine Hände gegeben. Ich konnte da gar nicht anders, als mich wiederum in seine Hände zu geben.


Was war Jan Zabeils Beitrag dabei?

Jan ist ein Suchender. Er weiß unheimlich viel, was in ihm entstanden ist mit dieser Geschichte und Erzählung, und doch ist er immer offen, noch mehr zu lernen und herauszufi nden. Er ist kein Kontrollfreak. Er hat die Gabe und die Kraft, aufzumachen und zu geben und dann zu warten, was passiert, mit einer unglaublichen Geduld. Er will kein Ergebnis von dir, er will vielmehr, dass du auch suchst, mit ihm. Er will dein Zartestes. Er will dein Unsicherstes. Auf diese Weise lässt er den Schauspieler selber finden und erfinden – und kommt so genau zu dem Ergebnis, das er will. Er bestimmt nicht, wie die Dinge sein zu haben. Er hat das Vertrauen, den Schauspieler in einer Form in seine Suche mit einzubinden, dass man sein verlängerter Arm wird, ohne jemals von ihm gesteuert zu werden. Er kriegt auf diese Weise, was er will. Und er bekommt noch tausend Sachen mehr, die nirgendwo festgehalten sind. So können Dinge entstehen, die nicht geplant sind oder ausgedacht, sondern vor der Kamera passieren.


Ein ungewöhnlicher Prozess ...

Er geht auf wahnsinnig diskrete Weise mit rein. Er steht nicht da und gibt von Außen Regieanweisungen. Er ist immer an deiner Seite, stützt dich und unterstützt dich und erlebt gleichzeitig mit ddir. Ein Beispiel: Bei dieser Szene in dem Eisloch – die ein wahnsinnig komplexes Unterfangen war – befand sich Jan im Neoprenanzug immer bei uns, wann immer es die Kameraeinstellungen zuließen. Er geht immer mit, drängt sich dabei aber nicht auf oder nimmt zu viel Platz ein. Er hat da ein ganz feines Gespür, was dieses Vor und Zurück betrifft. Er ist nicht an Ausgedachtem, Überlegtem interessiert, sondern will den Dingen von innen heraus auf die Spur kommen.


Gerade in der ersten Hälfte des Films fühlt es sich förmlich an, als würde eine Landkarte vermessen.

Jan denkt sich keinen Plot aus, über den er erzählt. Klar, es gibt eine Handlung. Aber er ist interessiert am Erschaffen einer Situation, die wie ein roter Faden ist. An diesem roten Faden entlang erzählen wir aus den Figuren heraus die Geschichte.


Als Schauspieler begibt man sich zwangsläufi g in ein Abhängigkeitsverhältnis mit seinem Regisseur. Egal wie gut man seine Rollen spielt, wie viel man anbietet, am Ende ist es doch der Regisseur, der entscheidet, welche Takes genommen werden und wie er die Aufnahmen montiert.

Ja, das ist ein Thema. Vertrauen ist wichtig. Man will dem Regisseur vertrauen können. Und man muss dem Material vertrauen können. Die Arbeit mit Jan ist auch deshalb so erfüllend, weil ich mir darum keine Gedanken machen muss. Ich weiß, dass wir an einem Strang ziehen, dass er niemals ausnutzen würde, was ich ihm anbiete. Natürlich spiele ich alle meine Rollen mit dem gleichen Einsatz, mit der gleichen Energie. Ich will immer, dass das Bestmögliche herauskommt und meinen Anteil dafür leisten. Ich gebe immer Alles. Aber es kann schon vorkommen, dass man vorsichtiger ist. Es gibt Regisseure, bei denen man es sich nicht leisten kann, viel falsch zu machen. An Jan schätze und liebe ich, dass ich Fehler machen kann, weil sie bei ihm zur Suche dazugehören. Bei ihm muss ich nicht vorsichtig sein. Bei Jan bin ich einfach.


DREI ZINNEN ist stellenweise erschütternd intim.

Es ist ein Film, der sich ganz vorsichtig vorwärts tastet. Das habe ich schon beim Dreh gespürt. Gerade bei meinen Szenen mit Arian haben wir unsere Figuren regelrecht gelebt. Der Übergang von Privatem zum Spiel war extrem fl ießend. Selbst dieses babylonische Sprachgemenge, das ja auch viel über diese Menschen und ihre Beziehung zueinander erzählt, kam mir einfach und leicht vor, auch wenn ich mich darauf eingehend vorbereitet habe. Sprache ist ein wichtiges Instrument in unserem Film, wie das eben auch im Leben der Fall ist. Man muss immer versuchen, eine gemeinsame Sprache mit anderen Menschen zu fi nden, in Beziehungen, in Freundschaften. Darum ringen auch die Figuren in DREI ZINNEN. Sie wollen eine gemeinsame Sprache fi nden, weil sie einander verstehen und zueinander fi nden wollen. Aber sie verstehen einander nicht, verstehen die Vokabeln anders, als sie gemeint waren. Das treibt einen Keil zwischen sie, bis nur noch Sprachlosigkeit bleibt und die Körper sprechen. 

Foto: © Verleih

Info:

DARSTELLER

Aaron Alexander Fehling
Lea Bérénice Bejo
Tristan Arian Montgomery

STAB

Regie & Drehbuch Jan Zabeil
Kamera Axel Schneppat