f voll verSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. Dezember 2017, Teil 1

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) – Ein intelligenter Film, der hinterfotzig auch klamottige Anteile so in die sich turbulent entwickelnde Handlung einbindet, daß man unwillkürlich lachen muß - und dann aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommt.

f vollverschArmand ( Félix Moati) und Leila ( Camelia Jordana) studieren an der Grande Ecole Science Po, sind also Studenten der Wirtschaftswissenschaften und obwohl sie aus unterschiedlichem sozialen Milieu stammen, sind sie schwer ineinander verliebt und sehen eine gemeinsame Zukunft vor sich. Armand kommt aus gutem Haus, seine Eltern stammen aus dem Iran und er wohnt mit ihnen im 16. Arrondisment, Leilas Eltern sind aus dem Maghreb nach Frankreich gekommen und bei einem Unfall tödlich verunglückt. Aber die jungen Leute beklagen nicht das Verlorene; sie sind nach vorne orientiert, sie wollen ein Praktikum bei den Vereinten Nationen machen, sind schon angenommen worden und wollen nach New York ziehen.

In dieser Situation kommt Leilas Bruder Mahmoud zurück aus dem Jemen. Leila erkennt ihren Bruder kaum wieder. Denn aus dem säkularen Burschen ist ein vertierter Islamist geworden, der schon äußerlich das volle Programm durchzieht: Vollbart, entsprechende Gewandung, gesalbte Reden und radikale Änderung der Lebensform. Zu der gehört, alles ‚Sündige‘ wie Filmplakate, wo eine Frauenbrust zu ahnen ist, zu zerreißen, und vor allem über seine Schwester die volle Kontrolle zu gewinnen, auf daß aus dem allzuweltlichen Mädchen eine sittsam verschleierte Muslimin wird.

Die läßt sich auf oberflächliche Islamisierung ein, nimmt also das Kopftuch und sieht sittsamer aus, aber das tut sie aus taktischen Gründen, denn nach wie vor wollen die beiden nach New York. Doch Mahmoud verbietet ihr jeden Kontakt mit dem Freund und versteckt ihren Paß. Armand kommt nicht mehr an Leila heran, bis er eine grandiose Idee hat. Er wird sich ihr als Freundin nähern, also eine Vollverschleierung nutzen, um Leila besuchen zu können. Deshalb trägt er den Niqab und nennt sich Scheherazade, die seit langem die beste Freundin von Leila ist.

Kaum sind die beiden im Leilas Zimmer, fallen auf beiden Seiten alle Hüllen. Frech. Denn draußen ist der Bruder, der aber die Sphäre der Frauen respektieren muß. Da Armand alles tut, um mit dem Bruder nicht reden zu müssen, sondern stumm an ihm vorbei in Leilas Zimmer huscht, ist Mahmoud erst einmal begeistert von dem zurückhaltenden, ja scheuen Wesen der jungen Frau. Aber genauso gut gefallen ihm ihre wunderschönen Augen, die durch den Schlitz zu sehen sind.

Natürlich gefällt dem Zuschauer außerordentlich, daß dieser reaktionäre Typ so an der Nase herumgeführt wird. Und ihm gefällt erst recht, als aus der Verwechslungskomödie für den Salafisten Ernst wird, er hat sich in Scheherazade verliebt und will sie heiraten. Und nun geht die Post ab. Immer wieder bringt sich Armand in Gefahr, sich selbst zu enttarnen; aber das muß auch geschehen, damit die Spannung bleibt, die dadurch entsteht, daß die Sache auffliegen kann. Und dann kann Armand seine Kenntnisse des Koran auch noch so dezidiert anwenden, daß Mahmoud hin und weg ist.

Der Zuschauer begeistert sich natürlich auch daran, daß die homophobe Mahmoud sich nun in einen verkleideten Mann verliebt, das Schlimmste, was einem solchen Typ passieren kann, für den Gleichgeschlechtlichkeit schwere Sünde ist.

Damit ist das Szenario beschrieben, dessen Witz man aus Filmen wie Charlys Tante oder Manche mögen es heiß, kennt. Der Regisseurin gelingt es, die von ihr herbeigeführte Situation voll auszuspielen, sie zieht alle Register, aber was passiert, wird hier nicht verraten.

Foto: ©

Info:
Regie
Sou Abadi

Darsteller

Félix Moati - Armand
Camelia Jordana - Leila
William Lebghil - Mahmoud
Anne Alvaro - Mitra
Carl Malapa - Sinna
Laurent Delbecque - Nicolas
Oscar Copp - Fabrice / Farid
Oussama Kheddam - Mustafa
Walid Ben Mabrouk - Ahmed
Miki Manojlovic - Darius