N.N.
Paris (Weltexpresso) - „VOLL VERSCHLEIERT! ist eine Geschichte über Versöhnung. Über wen ich mich darin lustig mache? Über mich selbst. Und Kommunisten, Feministen, Iraner, die intellektuelle Elite und Fundamentalisten. Und zwar in der Hoffnung, dass wir letzlich alle zusammen darüber lachen können.“
Wie sind Sie inszenatorisch vorgegangen?
Rhythmus spielte eine wesentliche Rolle: Ich wollte, dass die Figuren schnell sprechen, rennen statt gehen, nie zur Ruhe kommen. Und so das Publikum in ihren Bann ziehen. Die Zuschauer sollten ebenso atemlos sein. Nach jeder Einstellung drehte ich mich um und fragte meinen Mitarbeiter: ’Wie lange hat der Take gedauert?’ Eine Komödie sollte keine 2 ½ Stunden lang sein. Jérôme Rebotiers Musik unterstützt den Rhythmus und den Humor. Ich weiß nicht, ob es so etwas wie ’komische Musik’ gibt, aber es braucht Elemente, die einen schmunzeln lassen, ohne dass sie gleich ins Karikaturhafte kippen. VOLL VERSCHLEIERT! ist eine Geschichte über Versöhnung. Über wen ich mich darin lustig mache? Über mich selbst. Und Kommunisten, Feministen, Iraner, die intellektuelle Elite und Fundamentalisten. Und zwar in der Hoffnung, dass wir schlussendlich alle zusammen darüber lachen können.
Wie war es für Sie überhaupt, eine Komödie zu drehen?
Kompliziert, wenn es vom ersten bis zum letzten Tag regnet – und an einem Tag auch noch so stark, dass alles überflutet wurde! Die Dreharbeiten fanden im Frühling 2016 statt, und an einem Tag hat es sogar geschneit! Wir waren draußen und warteten auf die Sonne, eine Stunde, zwei Stunden, aber schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als trotzdem zu drehen! Das zweite Problem war: Wie filmen wir eine wilde Verfolgungsjagd zwischen bärtigen Männern und Frauen in Niqabs mitten im Flughafen Orly, ohne eine Massenpanik auszulösen? Wir waren ohnehin sehr besorgt, dass wir gar keine Drehgenehmigung bekommen würden. Aber die Location war mir sehr wichtig, denn ich hatte beim Schreiben der gesamten Schlussszene den Flughafen von Orly im Hinterkopf, weil ich dort schon so oft auf zahllose Besucher aus Teheran gewartet habe! Die Zusage vom Flughafen kam, aber es war natürlich unmöglich, nur wegen uns den Betrieb lahm zu legen. Deshalb mussten wir sehr behutsam vorgehen, um die echten Passagiere nicht zu erschrecken, die möglicherweise unsere Warnschilder, dass hier gerade ein Film gedreht wird, übersehen hatten.
Warum haben Sie sich für Félix Moati als Armand entschieden?
Während der Schreibphase hatte ich keine konkrete Vorstellung von der Besetzung. Ich zögerte. Sollte Armand von einem echten Iraner gespielt werden? Nein, denn die Figur ist hier aufgewachsen. Im wirklichen Leben ist Félix alles andere als ein Muttersöhnchen wie Armand, aber er hat sich wunderbar in die Rolle hineingefunden. Er verstand, dass sich Armand seinen Eltern gegenüber verpflichtet fühlt und ihre Erwartungen, die in ihn gesetzten Hoffnungen, erfüllen will. Armands Auftreten und Körpersprache hat sich Félix hart erarbeitet. Und es war auch seine Idee, die Haare zu glätten, was ihm dieses Aussehen eines netten Jungen aus einer guten Familie verleiht.
Er bestand auch darauf, als Scheherazade Frauenschuhe mit niedrigen Absätzen zu tragen. Ich hatte ihn mir eher in Converse Turnschuhen vorgestellt, aber Félix spürte, dass die Schuhe mit dem Absatz dem Charakter einen ganz speziellen Gang geben würden, und er hat Recht behalten. Scheherazades Stimme hat er auch selbst entwickelt und sie mir erst ziemlich spät präsentiert. Ich wollte sie nicht zu realistisch. Félix hat diese Stimme gefunden, die manchmal heiser ist und bricht: Armand bemüht sich, so gut es geht!
Und der Niqab?
Wir probierten mit einer Schneiderin, die auf Niqabs spezialisiert ist und Maßanfertigungen herstellt, über mehrere Wochen verschiedene Modelle aus. Dann haben wir uns für einen speziellen Niqab entschieden, der Armand einige iranische Besonderheiten bietet, etwa Öffnungen, durch die man die Hände stecken kann.
Wie hat der Niqab Armand verändert?
In Bezug auf Mahmoud entdeckt Armand diese unerwartete Macht – der Niqab lässt ihn mysteriös erscheinen. Andererseits spürt er den Druck von außen, was andere Leute darüber denken. Das beruht ebenfalls auf eigener Erfahrung. Wenn ich an einer voll verschleierten Frau vorbeikomme, ist meine erste Reaktion instinktiv und irreal – ich spüre Angst und Ablehnung, was ich auf meine Kindheit unter dem Islamischen Regime zurückführe. Frauen in Niqabs gehörten zur iranischen Miliz. Sie waren bewaffnet und oft noch viel rücksichtsloser als die männliche Miliz. Diese irrationale Angst, die mir für ein paar Sekunden den Atem raubt, stört mich, weil wir in einer Demokratie leben und ich die Freiheit des persönlichen Ausdrucks und der Menschenrechte befürworte und unterstütze. Und dazu gehört auch, dass jede Person anziehen kann, was sie will.
Kanntest Du Camélia Jordana und William Lebghil schon vorher?
Absolut nicht! Aber ich habe eine gute Entschuldigung, denn ich besitze keinen Fernseher. Mein Casting-Direktor organisierte die Probeaufnahmen: Carmélia überzeugte mich mit ihrer Energie; sie stach heraus, obwohl sie nie Schauspielunterricht hatte. Für die Rolle des Mahmoud sprachen diverse Schauspieler vor, die mir entweder zu bedrohlich oder zu lasch waren. Es war immer alles einen Tick drüber. William ist praktisch das genaue Gegenteil! Aber gerade weil er nicht so dick aufträgt, konnte er die Stärke und Entschlossenheit der Figur vermitteln. Félix, William und Camélia haben wirklich sehr gut zusammen funktioniert.
Anne Alvaro ist als Mitra ebenfalls ganz wunderbar.
Sie ist eine großartige Bühnenschauspielerin und hat entsprechend ernsthaft und unermüdlich an ihrem Akzent gearbeitet. Ich stellte sie meinen iranischen Freundinnen vor und sie guckte sich von ihnen ab, wie sie sich bewegten und wie sie sprachen. Sie lernte sogar, wie man im Iran tanzt. Aber ihre Beobachtungsgabe ist nicht das Einzige, was ihre Performance so besonders macht: Sie spielt eine liebevolle und entschlossene Frau, die außergewöhnlich viel Stärke besitzt. Und sie verfügt über großartiges komödiantisches Timing. Ihr Ehemann, der von Miki Manojlovic gespielt wird, ist übrigens weit weniger unterwürfig als es scheint. Er ist einfach ein Mann, der unsterblich in seine Frau verliebt ist.
Ist die Geschichte wahr, die Mitra den Polizisten erzählt?
Es geschah direkt vor meiner Schule. Ein Jahr nach der Revolution, als wir im September wieder zur Schule kamen, mussten wir ein Schriftstück unterschreiben, mit dem wir uns der islamischen Kleiderordnung unterwarfen. Auch meine Mutter sollte als Lehrerin dasselbe Dokument unterschreiben. Wir diskutieren mit meinen Eltern stundenlang: Die einzige Möglichkeit, das Dokument zu umgehen, war Hausunterricht. Aber ich wollte nicht plötzlich zum Außenseiter abgestempelt werden, und meine Mutter wollte die Machthaber nicht glücklich machen, indem sie kündigte. Deshalb wickelten wir Schals um den Hals, die wir kurz vor der Schule über unseren Kopf zogen. In den Straßen sah man viele Frauen, die normal gekleidet waren, ohne Schal: Die Regierung versuchte sie einzuschüchtern, indem sie ihnen das Militär auf den Hals hetzte. Einige Meter von meiner Schule entfernt wurde ein Mädchen mit Schwefelsäure verätzt – das hätte auch mich treffen können. Diese Einschüchterungen seitens der Staatsmacht haben den iranischen Frauen letztlich die Freiheit genommen. Kurz gesagt: Ich habe die Tragödien meines Lebens genommen und sie in eine Komödie verwandelt.
Foto: Armand mit seinen Eltern, die im Text unterschlagen wurden, die aber wichtig sind: die Mutter eine unternehmungslustige Aktivistin, die immer irgendetwas ganz wichtig nimmt, der Vater voller Bewunderung für seine Frau; Armand ist das immer leicht peinlich © verleih
Info: Abdruck aus dem Presseheft
Regie
Sou Abadi
Darsteller
Félix Moati - Armand
Camelia Jordana - Leila
William Lebghil - Mahmoud
Anne Alvaro - Mitra
Carl Malapa - Sinna
Laurent Delbecque - Nicolas
Oscar Copp - Fabrice / Farid
Oussama Kheddam - Mustafa
Walid Ben Mabrouk - Ahmed
Miki Manojlovic - Darius
Info: Abdruck aus dem Presseheft
Regie
Sou Abadi
Darsteller
Félix Moati - Armand
Camelia Jordana - Leila
William Lebghil - Mahmoud
Anne Alvaro - Mitra
Carl Malapa - Sinna
Laurent Delbecque - Nicolas
Oscar Copp - Fabrice / Farid
Oussama Kheddam - Mustafa
Walid Ben Mabrouk - Ahmed
Miki Manojlovic - Darius