f das leben einfest1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Februar 2018, Teil 4

N.N.

Paris  (Weltexpresso) – Das ist wirklich ein Ereignis, daß das Duo Toledano und Nakache, die Macher von ZIEMLICH BESTE FREUNDE, schon wieder eine umwerfende Komödie auf die Leinwand zaubern, die man unbedingt im Original mit Untertiteln sehen sollte, weil diejenigen, die Französich beherrschen, den Sprachwitz lieben werden und die anderen die Reaktion der anderen darauf mitbekommen. Die Redaktion

Wann hatten Sie erstmals die Idee zu DAS LEBEN IST EIN FEST?

Eric Toledano: Die Idee zum Film entstand 2015, als Olivier und ich beide etwas niedergeschlagen waren und das Bedürfnis hatten, an etwas Fröhlichem zu arbeiten. Es sollte ein Film werden, bei dem man lachen und Spaß haben kann, während gleichzeitig die Schwächen unserer Gesellschaft beschrieben werden. Zur selben Zeit entschieden wir uns dazu, Jean-Pierre Bacri die Hauptrolle anzubieten.

Olivier Nakache: Rückblickend kann ich sagen, dass die Idee für einen Film oft entsteht, während man noch am vorherigen Projekt arbeitet, denn die Nachbildung bestimmter Szenen bringt einen oft auf ganze neue Ideen. So spielt beispielsweise die erste Szene von HEUTE BIN ICH SAMBA auf einer Hochzeit. Es handelte sich um die Aufnahme einer langen Szene, die uns durch das ganze Gebäude führte. Die Szene hat gut resümiert, was wir machen wollten.


Ist der Schreibprozess immer derselbe?

Olivier Nakache: Im Allgemeinen ja. Normalerweise recherchieren wir ein bis eineinhalb Jahre lang zu dem Thema, das wir uns ausgesucht haben. Bei diesem Film haben wir uns auch an unseren eigenen Erinnerungen orientiert, denn in finanziell schwierigen Zeiten haben Eric und ich uns mit verschiedenen Jobs im Partybereich über Wasser gehalten und einer davon war auf Hochzeiten zu kellnern. Wir kannten also den Druck, unter dem man bei dieser Arbeit steht, und konnten viele Anekdoten zu diesem Thema sammeln. Während wir dann am Drehbuch schrieben, beschlossen wir, zusätzlich andere Kellner zu beobachten, um herauszufinden, wie die Menschen, die im Hintergrund arbeiten, große Events so außergewöhnlich machen. Das waren die Momente, in denen wir anfingen, unsere Charaktere zu entwerfen.

Eric Toledano: Meistens tragen wir unsere Ideen zusammen, notieren sie und bringen sie in eine passende Reihenfolge, die wir zum Schreiben untereinander aufteilen. Beim Arbeiten sitzen wir uns direkt gegenüber, so dass der jeweils andere die Entwürfe als erstes zu hören bekommt und bewerten kann. Dieses Mal sind wir die Sache aber etwas anders angegangen, da sich Jean-Pierre Bacri noch zu unserer Arbeit dazugesellte. Da er selbst Drehbuchautor ist, bot er uns schnell seine Unterstützung an und so konnten wir in dieser frühen Phase des Projekts zusätzlich von seiner Einschätzung profitieren. Wir hatten die einmalige Gelegenheit, einzelne Sätze und ganze Szenen direkt mit ihm auszuprobieren. Es war wie ein Traum. Mit seiner Stimme in den Ohren, konnten wir uns mit neuer Energie wieder an die Arbeit machen.


Warum träumten Sie davon, mit Jean-Pierre Bacri zusammen zu arbeiten?

Olivier Nakache: Und wenn man darüber nachdenkt, verkörpert Bacri all das, was wir an Filmen lieben. Er kann sich in Art House Filme genauso gut hineinversetzen wie in weniger anspruchsvolle Komödien wie DIDIER und ist in beiden Bereichen glaubwürdig. Wenn er ein Projekt zusagt, ist er von Anfang an voll dabei. Wir lieben seine Art zu arbeiten. Wir hatten schon häufiger das Glück mit großen Schauspielern wie Gérard Depardieu (ZWEI UNGLEICHE FREUNDE), François Cluzet (ZIEMLICH BESTE FREUNDE) oder jetzt Jean-Pierre Bacri zusammen zu arbeiten.


Warum war das Thema Hochzeit so spannend für Sie?

Eric Toledano: Eine Hochzeit ist ein Ereignis, bei dem jedes Detail geplant ist; so ähnlich wie ein Theaterstück: mit einem Publikum, festgelegten Kostümen und Rollen (Trauzeugen, Eltern, Freunde...). Die aufwendige Organisation einer Hochzeit führt zwangsläufig zu Stress, Spannungen und gemischten Gefühlen. Es ist ein Ereignis, das jeder kennt, und damit ist es der ideale Hintergrund für einen Film. Aber unser Ziel war es, den Abend aus der Perspektive derer zu betrachten, die dort arbeiten und für die eine Hochzeit ganz normaler Arbeitsalltag ist. Das führt automatisch zu komischen Situationen.


Man spürt eine Verbindung zu Ihrem zweiten Film, HILFE, FERIEN!. Mussten Sie daran denken, während Sie das Drehbuch zu Ihrem neuen Film schrieben?

Olivier Nakache: Die Verbindung entstand allmählich. Wie in HILFE, FERIEN! spielt der Film an einem Ort und es gibt einen klaren zeitlichen Rahmen. Außerdem war Jean-Paul Rouve dabei, genauso wie eine gute Portion Humor. Man könnte fast sagen, DAS LEBEN IST EIN FEST ist eine Art erwachsener HILFE, FERIEN!.

Eric Toledano: HILFE, FERIEN! ist ein Film, der unsere nostalgischen Gefühle zum Thema Kindheit zeigt. Dass Olivier und ich oft mit Menschengruppen arbeiten, liegt vielleicht daran, dass wir uns bei einem Sommercamp kennengelernt haben. Auch Kino entsteht vor allem durch die Zusammenarbeit eines großen Teams: Wir treffen uns, wir haben eine schöne Zeit zusammen, wir fühlen uns einander nah und dann trennen wir uns wieder... Es ist schön, wenn wir uns dann bei einem anderen Projekt wiedertreffen.


Hatten Sie weitere Filmreferenzen im Kopf?

Olivier Nakache: Ja, mehrere, unter anderem GARÇON! KOLLEGE KOMMT GLEICH von Claude Sautet. Grundsätzlich hat die gesamte Filmografie von Sautet eine große Bedeutung für uns. Der genannte Film inspirierte uns zu den Kamerabewegungen zwischen Esszimmer und Küche. Er zeigte uns, wie man sich in einer Kameraeinstellung von einem Universum in ein anderes bewegen kann. Sautet inszeniert alles so, dass der Zuschauer sofort in die Geschichte eintauchen kann.

Eric Toledano: Der Film WILD TALES – JEDER DREHT MAL DURCH von Damián Szifrón war ebenso eine Referenz für uns, denn er ist eine Art Röntgenaufnahme der zeitgenössischen argentinischen Gesellschaft. Wir waren mitten beim Drehbuchschreiben unseres Filmes, als wir seinen Film entdeckten.

Olivier Nakache: Und als wir seinen letzten Sketch sahen, einen der genialsten, wurde uns bewusst, dass wir dieselben Ansprüche an einen Film hatten. Wir wollten beide einen Abend als Ausgangspunkt nehmen, an dem so Einiges schiefgeht. DAS LEBEN IST EIN FEST wird zu einer Art Spiegelbild des heutigen Frankreich.


Wie kam es, dass Gilles Lellouche Teil des Projekts wurde?

Eric Toledano: Wir haben ihn uns von Anfang an als Teil unseres Films vorgestellt. Wir mögen ihn als Schauspieler ganz besonders, da er sich so nahtlos von einem Ausdruck zum nächsten bewegen kann. Für uns verkörpert er perfekt einen eher fragilen Typen, dessen Traum es war, im Rampenlicht zu stehen, der aber letztlich nur eine Hochzeit nach der anderen organisiert. Wir empfinden viel Wohlwollen und Zuneigung für solche Menschen, die voll in ihrer Rolle aufgehen, die nicht so ganz in der Realität leben und denen es nur schwer gelingt, Abstand zu sich selbst zu halten.

Olivier Nakache: Seine Figur ist zu Beginn sehr klischeehaft. Der Vorteil ist, dass wir uns so im weiteren Verlauf des Films schrittweise seiner Person nähern, ihr Nuancen geben und sie abrunden können. Gilles hat das Drehbuch gelesen und sofort zugesagt. Als wir ihn baten, gemeinsam mit einem auf Hochzeiten spezialisierten Sänger an dem Eros Ramazotti Song „Se bastasse una canzone“ oder „Lovely Day“ von Bill Withers zu arbeiten, tat er das sehr gewissenhaft. Er hat das Spiel wirklich mitgespielt. Genauso wie Benjamin Lavernhe, der, nachdem er abends drei Stunden in der Comédie-Française auf der Bühne gestanden hatte, mitten in der Nacht eintraf, um eine komplizierte Szene zu spielen, festgeschirrt in 30 Metern Höhe...


Es ist das dritte Mal, dass Sie Jean-Paul Rouve gebeten haben eine Rolle in einem Ihrer Filme zu spielen. Was gefällt Ihnen so an ihm?

Olivier Nakache: Mit Jean-Paul zusammen zu arbeiten ist etwas Besonderes. Er hat einen besonderen Platz in unseren Filmen. Wir sind mit ihm durchgestartet. Er hat uns Gérard Depardieu für unseren ersten Film vorgestellt. Er ermöglichte uns, zu existieren und uns zu entwickeln. Und er hat die Hauptrolle in HILFE, FERIEN! gespielt, einem für uns bahnbrechenden Film, der bei uns viele große Gefühle auslöst und uns in unauslöschlicher Erinnerung bleibt.


Was ist das Besondere daran, einen Ensemblefilm zu drehen?

Eric Toledano: Das Problem ist, wenn die Schauspieler Spaß miteinander haben, kann das Set schnell zu einer Art Schulhof werden und man muss den Aufseher spielen. Der Vorteil ist die Atmosphäre gegenseitiger Motivation am Set. Es ist aufregend, jeden Charakter mit Leben zu füllen und ihm dabei zu helfen, eine Aufgabe in der Geschichte zu erfüllen. Es hat etwas Musikalisches: Wir sind Dirigenten eines Orchesters und abhängig von der Entwicklung der Geschichte können wir den Schauspielern nahelegen, noch eine kleine Note zu ergänzen oder ein Solo zu spielen. Um ein gutklingendes Werk zu komponieren, muss man eine echte Beziehung zu jedem Schauspieler aufbauen.

Olivier Nakache: Es ist schön zu sehen, wie man in einem Film so verschiedene Spektren vereinen kann wie die von Vincent Macaigne, Alban Ivanov, Jean-Pierre Bacri, Gilles Lellouche oder Suzanne Clément. Jeden Tag animieren wir die Schauspieler von neuem, damit unsere Musik kreativ und harmonisch klingt.


Haben Sie die Choreographie für die Bedienungen vorab ausgearbeitet?

Eric Toledano: Wir haben unglaublich oft geprobt und viele Markierungen gesetzt, damit jeder Schauspieler zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war. Es hat viel Arbeit gekostet, alle Bewegungen natürlich aussehen zu lassen. Die einzige Frage, die uns beschäftigt hat, war: Sieht es glaubwürdig aus? Davon waren wir besessen, denn als Zuschauer mögen wir es, alles sofort glauben zu können.

Olivier Nakache: Das Risiko dabei, eine Geschichte zu erzählen, die an einem Abend und an einem Ort spielt, ist, dass es zu theatralisch werden könnte. Um das zu vermeiden, haben wir nach einem Anwesen gesucht, dessen Ausstattung vielfältig genug war, um uns ausreichend Bewegungsmöglichkeiten zu verschaffen. Dadurch ist die Kamera nie statisch, ihre Bewegungen bringen Energie und Spannung in den Film.


Wo haben Sie gedreht?

Eric Toledano: Im Schloss von Courances bei Fontainebleau. Es wurde im 16. Jahrhundert erbaut und gehörte Ludwig XIII.

Olivier Nakache: Die Besonderheit des Schlosses ist, dass es auf seinem Gelände dreizehn Quellen gibt. Das Gelände ist voller Wasser und daran mussten wir uns anpassen. Noch dazu regnete es häufig während des Drehs. Es ging uns wie Max und seinem Team im Film, wir mussten uns täglich neuen Anforderungen stellen und für unser Technikteam war jeder Dialog wie ein Echo unserer eigenen Gemütslage.


Musik spielt in diesem Film eine Schlüsselrolle. Wie sind Sie das angegangen?

Olivier Nakache: Die Jazzmusik von Avishai Cohen hat uns während des gesamten Schreibprozesses begleitet. Ihr besonderes Tempo und ihr Rhythmus haben uns inspiriert, da sie so improvisiert klingt, aber trotzdem einem vorgegebenen Muster folgt. Sie hat gut zu der Geschichte gepasst, die wir erzählen wollten. Avishai Cohen hatte noch nie zuvor Filmmusik komponiert, und trotzdem hat er sofort zugesagt, als wir ihn nach einem seiner Konzerte fragten, ob er es nicht für uns versuchen wollte. Das war eine großartige Überraschung und eine wunderschöne Begegnung.

Eric Toledano: Wir wollten schon immer mit einem Musiker zusammenarbeiten, der eigentlich in einem anderen künstlerischen Genre tätig ist. Und Jazz ist die Musikrichtung, die uns am meisten fasziniert. Avishai Cohens Jazz spielt im Film seine eigene Rolle, eine musikalische Verschmelzung von Schlagzeug, der Darbuka Trommel, Kontrabass, Klavier in atypischen Rhythmen. Die Musik untermalt die Handlung des Films voller Überraschungen und unerwarteter Ereignisse perfekt. Deswegen entschieden wir uns dazu, den Film mit einer Musikszene enden zu lassen, in der alle zugegen sind.


Glauben Sie, dass der Sinn fürs Lustige dem französischen Kino im Moment fehlt?

Eric Toledano: Viele Filme erzählen uns zurzeit tatsächlich wie hart, gewaltvoll und beängstigend unsere Welt ist. Unser Film jedoch stellt gezielt die Frage: Wie gelingt es uns, trotz alledem, unseren Sinn für Humor zu bewahren?