Ein Interview mit der neuen Direktorin des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt
Kirsten Liese
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Frau Harrington, Sie waren bis Dezember für die Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles tätig und Gründungsdirektorin des International Outreach Programs der Academy, die auch die Oscars verleiht. Die ganze Filmwelt träumt von Hollywood, Sie dagegen sind nun freiwillig nach Frankfurt gekommen und haben die Position dort aufgegeben. Warum?
Harrington: Das werde ich erstaunlicherweise immer wieder gefragt. Ich versuche dann immer die Leute zu ermuntern, ein bisschen stolzer auf das Deutsche Filminstitut in Frankfurt zu sein und sich der Bedeutung dieser Einrichtung gewahr zu werden. Filmmuseen sind nichts Selbstverständliches. Los Angeles, wo ich länger als 20 Jahre gearbeitet habe, hat bis heute noch keins. In ganz Amerika gibt es derzeit nur ein einziges, und zwar in New York.
In Deutschland gibt es dagegen einige Filmmuseen wie zum Beispiel auch in Berlin oder München.
Das Filmmuseum in Frankfurt existiert schon seit 1984. Und von Anfang an war klar, dass man es mit einem Kino ausstatten würde, und es wurde behandelt wie eine Kunsteinrichtung. Für mich ist es deshalb eine große Herausforderung und Freude, ein Museum und ein Institut zu leiten, das – abgesehen von der Oscar-Show, die es in Deutschland nicht gibt- in allen Bereichen der Academy in seinen Aktivitäten in nichts nachsteht: Es verfügt über das Filmarchiv, eigene Sammlungen, Kameratechnik im Wandel der Zeiten, Kostüme, ein eigenes Kino und wir habe auch Festivals im Haus. Es wird hier soviel mehr geboten als vielen es bewusst ist, und das macht für mich auch die Attraktivität dieses Ortes aus.
Nun ist es aber dennoch ein Unterschied, ob jemand bei einem beruflichen Wechsel, sagen wir von Los Angeles nach San Francisco oder von Berlin nach München zieht, als von Amerika nach Deutschland. Die Mentalitäten und Kulturen sind doch sehr verschieden. Mitunter bekommt man, wenn man als Europäer nach Amerika als Tourist kommt, doch einen Kulturschock, und das ist bestimmt auch umgekehrt so, auch wenn die Unterschiede nicht so auffällig sind wie zwischen der europäischen und arabischen Kultur. Werden Sie Ihre Heimat nicht vermissen? Machen Sie diesen großen Umzug samt ihrer Familie mit Links?
Harrington: Ich finde Veränderungen prinzipiell gut. Für mich sind solche Abenteuer ein wichtiger Teil des Lebens, sich auch beruflich zu erneuern und weiterzuentwickeln. Ich war zwei Jahrzehnte in Los Angeles und eines Tages werde ich auch dahin zurückkehren, ich habe immer noch mein Haus dort. Aber die Chance, eine Zeit mal in Europa zu arbeiten und mich hier zu orientieren über die hiesigen Infrastrukturen im Hinblick auf Netzwerke, Verbände und die Museumslandschaft, erhält man nur einmal im Leben.
Das Deutsche Filmmuseum bemüht sich ja insbesondere auch um das deutsche Kino. Das hat im Ausland nach wie vor einen schweren Stand. Wie erklären Sie es sich als Amerikanerin, dass in den Staaten immer nur deutsche Filme, die sich mit dem Holocaust, der NS-Zeit oder der Stasi und der ehemaligen DDR beschäftigen, größere Aufmerksamkeit erfahren und Chancen auf einen Award bei den Oscar-Verleihungen haben?
Harrington: Jedes Land hat dasselbe Problem, dass Hollywood die ganze Welt dominiert, die Produktionen von dort laufen auf allen Kanälen weltweit im Fernsehen, und dagegen kann jedes nationale Kino nur wenig machen. Ich denke, das Ziel sollte auch nicht sein, gegen Hollywood anzukämpfen oder ähnliche Blockbuster zu produzieren, meine internationalen Lieblingsfilme aus diversen Ländern sind diejenigen, die in spezifischer Weise ihre Kultur pflegen und das Publikum ansprechen und bewegen, und umso spezifischer sie sind, umso mehr Resonanz erfahren sie und berühren Zuschauer auf der ganzen Welt. Ich habe nie einem Filmemacher welcher Nation auch immer geraten, große Actionfilme zu machen und Hollywood zu kopieren. Jeder sollte seine eigene besondere Handschrift ausbilden. Nebenbei gesagt, entstehen auch in den USA jährlich Hunderte von schlechten Filmen.
In diesem Haus gibt es eine Reihe „Was tut sich im deutschen Film?“. Anfang April gibt es in Frankfurt auch einen Kongress zur Zukunft des deutschen Films und der Frage, warum ihm international oft die Anerkennung fehlt. Wie denken Sie denn persönlich über das deutsche Kino? Ist es besser als sein Ruf?
Harrington: Meiner Meinung nach ist das deutsche Kino genauso bedeutsam wie das europäische und osteuropäische und wenn Sie mal einen Blick auf Kritikerpreise werfen, dann sind deutsche Filme schon ziemlich gut bekannt. Es gab unlängst auch ganz interessante Trends im deutschen Film, da wurde zum Beispiel das Mumblecore Genre entdeckt, es steht in einer sehr interessanten Beziehung zu der Mumblecore-Bewegung in den USA. Und ich denke, das ist ja auch einer der Gründe, warum unser Institut so wichtig ist mit seinen Archiven von deutscher Filmgeschichte, die es mit der Öffentlichkeit teilt, und den aktuellen Tendenzen, die es mit ihm teilt.
Die Ausstellungen in diesem Haus in den vergangenen Jahren waren von sehr unterschiedlichem Anspruch getragen. Neben so anspruchsvollen Ausstellungen wie der über Stanley Kubrick oder amerikanische, heute leerstehende Filmtheater gab es auch welche, die eher kommerzieller und populärer ausgerichtet waren, wie zum Beispiel die über „Film und Games“ oder eine über britische Animationsfilmkünstler, die vor allem Familien ansprechen sollten. Welche Rolle wird der Anspruch in Zukunft spielen? Wie wichtig ist der anhand von Eintrittskarten messbare Publikumszuspruch für Sie?
Harrington: Mir behagt diese Einteilung in eine elitäre und eher simple, volksnahe Kultur nicht. Meines Erachtens ist es nicht sehr hilfreich, wenn wir Werte für unsere Einrichtung festlegen. Wir haben sehr unterschiedliche Publikumsschichten, und alle wollen und sollen bedient werden. Ein sehr wichtiges Besuchersegment sind tatsächlich die Familien, die sich auch dank unserer großartigen Education-Programme sehr angesprochen fühlen, das sind allein über 100.000 Besucher pro Jahr. Natürlich wollen wir auch den Cinephilen etwas bieten und museumsinteressierten Städte-Touristen.
Mir ist es sehr wichtig, eine gute Balance zu haben und eine Vielfalt anzubieten, so dass für jeden etwas dabei ist. Bisher war das Spektrum ja auch ziemlich groß wenn Sie an so unterschiedliche Ausstellungen wie die über Jil Sander denken oder die Video-Installation „Rot“. Wir werden im Übrigen auch immer wieder unsere eigenen Sammlungen präsentieren. Im Herbst steht zum Beispiel eine Schau über die Kostümdesignerin Barbara Baum an, die wir aber auch auf eine besondere Weise sinnlicher erfahrbar machen werden, so dass Zuschauer mit den Dingen auch stärker in Berührung kommen, Textilien auch mal anfassen können.
Aber natürlich werden wir auch in Zukunft die sogenannte Populärkultur in unserer Arbeit einbeziehen. Mein Ziel ist es, dass jeder, der unserer Website besucht oder sich anderweitig über unser Programm informiert, wenigstens ein oder zwei Angebote findet, die ihn ansprechen.
Wie präsent werden Sie selbst im Kino unten sein? Wie wichtig ist Ihnen der unmittelbare Kontakt zu Ihrem Publikum, das sich dort abendlich einfindet?
Harrington: Ich beabsichtige, sehr eng mit der Hauskino-Abteilung zusammenzuarbeiten. In den drei Wochen, die ich hier bin, war ich schon sieben oder acht Mal da, um mich über die unterschiedlichen Sektionen in der Programmgestaltung zu orientieren. Ich bin sehr beeindruckt über die Vielfalt, die sich da einem bietet zwischen historischen Filmen, internationalem Kino und speziell deutschem Kino. Ansonsten möchte ich den Kontakt zu Filmemachern und zur Filmwirtschaft gerne noch ausbauen, und damit das Haus noch stärker beleben.
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