berl18 romyBerlinale Zusammenfassung 2

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Sie hat es sich nicht leicht gemacht, die große Kollegin zu spielen. Ein früheres Angebot hatte sie schon einmal abgelehnt. In der deutsch-französischen Koproduktion „3 Tage in Quiberon“, die dem Wettbewerb der Berlinale seinen bislang stärksten Beitrag bescherte, ist Marie Bäumer nun doch noch Romy Schneider. Sie gleicht ihrem filmischen Vorbild, viele Einstellungen sind den legendären Porträtfotos von Robert Lebeck genau nachempfunden.

Aber Bäumer vertraut nicht nur auf ihr Privileg der äußeren Ähnlichkeit, sie durchlebt diese „unglückliche Frau mit 42“, die Romy selbst in sich sah, authentisch mit Haut und Haaren.

Die iranisch-französische Regisseurin Emily Atef schildert nur drei Tage im Leben ihrer Protagonistin, streift über das Interview, das Romy 1981 in einem bretonischen Kurhotel dem Stern-Journalistin Michael Jürgs gewährte, sehr verdichtet alles Wesentliche in ihrem Leben: das ambivalente Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, die berühmte Sissi-Rolle, die sie für immer loswerden wollte, die schwierige Familiensituation, das harte Ringen um Anerkennung im französischen Kino, Suchtprobleme und private Affären.

Robert Gwisdek gibt den jungen Reporter, der mit seinen taktlosen, indiskreten Fragen sein Gegenüber schamlos provoziert. Er attackiert ihren unkonventionellen Lebensstil als unmoralisch, insinuiert „Skandale“ und spielt sich als väterlicher Lebensberater auf. Schneider kontert überraschend souverän und offen, aber auch leichtsinnig und verletzt, es fließen viele Tränen und Alkohol. Birgit Minichmayr gibt eine starke Vorstellung als ihre Freundin Hilde, die Romy abzuhalten versucht, sich dem Reporter und damit der ganzen Welt derart riskant zu offenbaren.

Aber Romy bricht das Interview nicht ab, wohl auch, weil sie den Fotografen Lebeck (ungewöhnlich besetzt mit Charly Hübner) kennt, dem sie freundschaftlich vertraut. Das auch mit poetisch-schwermütig anmutenden Schwarzweißaufnahmen ästhetisch bestechende packende Kammerspiel über die Zwiespältigkeit des Star-Systems und die Presse empfiehlt sich gleichermaßen als ein starker Bären-Favorit für Regie und die beste Hauptdarstellerin.

Dagegen erreichte der Wettbewerb mit dem deutschen Beitrag „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ einen Tiefpunkt. Der Film beginnt etwas pseudointellektuell und prätentiös wie eine Meditation mit einem Geschwisterpaar, das sich im Grünen anspruchsvoller Lektüre widmet. Elena steht kurz vor dem Abitur und bereitet sich darauf vor. Ihr Bruder zitiert aus Schriften berühmter Philosophen, es geht um das Wesen der Zeit, um das Sein, die Bedeutung von Hoffnung und Liebe. Aber die Sätze bleiben im Raum stehen, die jungen Leute reflektieren sie nicht näher, es gibt vor allem keinen Bezug zur weiteren Handlung. Denn allzu bald überlagert Philipp Gröning die intellektuelle Erzählebene zusammenhanglos mit einer sehr banalen: Elena schließt mit Robert eine Wette ab, dass sie vor dem Abi mit einem Mann Sex haben wird.

Auf einer nahe gelegenen Tankstelle hält sie Ausschau nach potenziellen Aspiranten. So wie es allerdings schon mit dem Erstbesten läuft, den Elena erst verführt, dann aber zurückweist, wird bald klar, dass es hier das harmlose, sondern sehr gefährliche Spiel zweier Jugendlicher anbahnt. Es wird einen schockierend brutalen Ausgang mit einem regelrechten Gewaltexzess nehmen.

Das alles dehnt Gröning über die viel zu lange Laufzeit von knapp drei Stunden und mit viel Leerlauf in der Erzählung aus. Worum es ihm eigentlich geht und warum seine introvertierten Sonderlinge aus heiterem Himmel schließlich grausame Verbrechen begehen, vermittelt sich nicht.

Dabei steckt in der Geschichte durchaus ein interessantes Thema, das man aber erst dann erkennt, wenn man das ungleich bessere und kürzere Drama „Diary of my mind“ der Schweizerin Ursula Meier sieht, das die Berlinale im „Panorama“ zeigt. Hier ist es ein junger Schüler, der, ohne Not und ein fassbares Motiv, seine Eltern umbringt, inspiriert von der hohen Literatur, die seine Lehrerin in der Schule ihm nahegebracht hat. Zwar forscht man auch in diesem Film vergeblich nach einem psychologischen Motiv, doch wirkt der Film ungleich verstörender, da hier die von Fanny Ardant gespielte Lehrerin ins Zentrum rückt, die sich ob ihrer Verantwortung als Pädagogin viele unbequeme Fragen stellen muss, die den Film sehr spannend machen.

Dem Festivalzuschauer stellt sich daneben aber auch die drängende Frage, warum wie in den Vorjahren dieser sich zum Ende neigenden Ära Dieter Kosslicks ausgerechnet einmal mehr im Wettbewerb eine Vielzahl von mediokren, belanglosen, unbedeutsamen Produktionen laufen.

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