f emilybaumerSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. April 2018, Teil 8

N.N.

Berlin (Weltexpresso) - Im Film wirkt es, als hätte Romy anfänglich auch Jürgs benutzt, um ihr eigenes Bild in den Medien zu korrigieren. Ein Wechselspiel der Interessen?

Ja, das ist richtig. Aber das war sicherlich keine Strategie, denn Romys Handlungen waren wahrscheinlich nicht kalkuliert. Romy war einerseits ganz frei und gleichzeitig abhängig von Öffentlichkeit und Anerkennung. Sie hatte einen Hang zur Selbstzerstörung und hat sich in dieser Zeit verzweifelt den großen Fragen ihres Lebens gestellt: Bin ich eine gute Mutter? Wie schaffe ich es, alles unter einen Hut zu bringen? Wie kann ich funktionieren? Auch sehr aktuelle Fragen, die wir uns meist hinter geschlossenen Türen in einer sicheren Atmosphäre stellen. Ihre Suche nach ihrer Identität als Frau, Mutter und Schauspielerin teilte sie jedoch mit der ganzen Welt. Dass sich jemand so ohne Angst und Filter vor einem Journalisten äußert, ist selten - daher (be)rührt Romy einen so sehr. Wenn sie sagte, sie sei unglücklich, nichts wert und dass ihr Leben hätte besser laufen können, führte das zu einer neuen Schlagzeile - aber Romy sagte so etwas ohne Kalkül dahinter. Mich hat in Bezug auf meinen Film ihre instinktive Intelligenz interessiert, mit der sie es schafft, einen ehrgeizigen, aufstrebenden Reporter so zu bewegen, dass er ihr am Ende sogar sozusagen „final cut“ überlässt.


War es für Sie herausfordernd, zwischen dem Mythos und der Person Romy Schneider zu unterscheiden?

Nein, nicht wirklich. Mein Film sollte so wahrhaftig wie möglich sein in dem, was der Zuschauer sieht. „Kunst ist eine Lüge, die der Wahrheit am nächsten liegt“, hat Picasso gesagt - in seinen Frauenportraits steckt mehr Wahrheit, als in manchem Foto. 3 TAGE IN QUIBERON ist nicht auf den Star Romy fixiert, sondern zeigt einen Menschen in einer Lebenskrise, der für einen Moment zu sich selber findet. Wenn der Film einen größeren Bogen, beispielsweise bis zum Tod ihres Sohnes, geschlagen hätte, hätte er mich nicht mehr interessiert. Der Film ist bewusst kein Biopic, will nicht ihr Leben erzählen, sondern konzentriert sich auf drei Tage in Romys Leben. Das führt dazu, dass man Zeit hat, mit ihr zu fühlen und ihren emotionalen Zustand mitzuerleben. Ich hätte nie ein Biopic aus Romys Leben machen können und mag das Genre auch nicht unbedingt. Als Zuschauerin frustriert es mich, keine Zeit zu haben und über Jahre hinweg springen zu müssen. Ich brauche Zeit und verweile gerne an einem Ort, wie zum Beispiel in der 20 Minuten langen Barszene in 3 TAGE IN QUIBERON. Denn so kann ich sehr gut verstehen und fühlen, wie es jemandem geht.


Jürgs und Lebeck konnten Romy in Quiberon sehr nahe kommen und das Publikum ist bis heute süchtig nach Enthüllungen aus Romys Leben. Wie weit finden Sie selbst, dass eine Schauspielerin der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollte?

Film ist ein öffentliches Medium und das Publikum ist hungrig nach Geschichten, die über die Rolle hinausgehen. Was in Aussagen und Verhaltensweisen interpretiert wird, ist unberechenbar. Aber ein Schauspieler ist nicht verpflichtet dazu, sein Privatleben mit der Welt zu teilen. Man sollte das Recht haben, sich emotional zu schützen – vor allem in Zeiten, in denen alles multimedial ausgeschlachtet und zur Sensationsnachricht gemacht wird.


Als Regisseurin müssen auch Sie die Schauspieler dazu bringen, sich ihnen gegenüber zu öffnen. Welche Verantwortung entsteht daraus?

Speziell für diesen Film war unglaubliches Vertrauen gefordert von allen Personen, besonders natürlich von Marie. Schon während den ersten gemeinsamen Gesprächen im Frühjahr 2013 haben Marie und ich uns angefreundet und es hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Doch trotz des Vertrauens blieb der Dreh eine Herausforderung. Wie spielt man eine Frau, die ein weltweiter Mythos ist und stellt sich danach dem Vergleich zum Original? Da habe ich als Regisseurin natürlich eine schützende Funktion, kann zuhören und da sein, wenn es emotional wird. Und natürlich haben wir über Romys Biografie gesprochen, da es für mich wie gesagt nicht darum ging, Romy Schneider realitätsgetreu abzubilden. Damit konnte ich Marie einiges an Last von ihren Schultern nehmen.

Aber Marie musste nicht nur Romy Schneider spielen, sondern jemanden, der am Ende ist, sich mitten in einer enormen Lebenskrise befindet. Dafür musste sie alles geben und sich sehr öffnen. Marie brauchte nach jedem Take Zeit, um aus der Tiefe einer Emotion, die sie für die Szene gefunden hat, wieder herauszufinden. Das ist ein sehr fragiler und in der Tat absolut schutzbedürftiger Prozess.


Ist 3 TAGE IN QUIBERON eine Hommage an Romy Schneider?

Nein, dann hätte ich mich nicht auf diesen Zeitpunkt konzentriert, sondern würde sie mehr bei ihrer Arbeit als Schauspielerin zeigen. Mein Film ist eher eine Momentaufnahme einer Zeit ihres Lebens, in der es ihr gelingt, sich für einen kurzen Moment aus einer massiven Krise zu befreien. Robert Lebeck ermutigt sie in einer Szene, dass sie ihr Leben selbst in der Hand hat, dass sie selbst entscheiden kann, wann sie arbeiten und wann sie mit ihren Kindern sein will. Sie nimmt seine Worte sehr ernst.


Mit Charly Hübner, Birgit Minichmayr und Robert Gwisdek haben Sie weitere namhafte deutsche Schauspieler für die Hauptrollen Ihres Films gewinnen können. Wie haben Sie mit Ihrem prominenten Cast gearbeitet?

Ich habe die Rolle von Romys Freundin Hilde wirklich für Birgit Minichmayer geschrieben. Nachdem sie das Drehbuch gelesen hatte, hat sie mir sofort zugesagt - das war ungefähr ein Jahr vor Drehstart. Also haben wir uns immer wieder getroffen, über die Rolle gesprochen, geprobt und bis zu den Drehtagen am Text gefeilt. Das liebe ich sowieso: Die Dialoge und Situationen mit den Schauspielern zu erarbeiten und zu vertiefen. Auch ich lerne dabei immer noch mehr über die Figuren.

Bei Robert Gwisdek hatte ich das Glück, viel Zeit mit ihm zu haben. Wir sind immer wieder durch die Szenen gegangen, haben geprobt und gemeinsam Michael Jürgs in Hamburg getroffen. Das war sehr spannend für Robert, denn er konnte als Einziger die reale Person hinter seiner Rolle kennen lernen.

Charly Hübner war in der Vorbereitungsphase zu unserem Dreh sehr eingespannt in ein anderes Projekt, hat sich aber physisch und geistig intensiv mit Robert Lebeck auseinandergesetzt. Er wollte die Rolle unbedingt spielen und es gab von Anfang an eine wunderbare Energie und Vertrautheit zwischen ihm und Marie, was sehr wichtig war für die Beziehung Romy und Lebeck im Film. Er bringt eine große Wärme in die Rolle.
Und mein Glück war, dass ich dank meines Produzenten Karsten Stöter genügend Drehtage hatte. Das hat mir erlaubt, ausgiebig mit den Darstellern zu proben.

Ich fühle mich sehr beschenkt, dass ich mit diesen Schauspielern arbeiten durfte, die die Figuren aus dem Drehbuch so wundervoll zum Leben erweckt und noch bereichert haben. Natürlich geht es vorrangig um Romy Schneider - aber es war mir sehr wichtig, dass jede Figur ihre eigene Perspektive auf die Dinge hat und ihre eigene Entwicklung durchläuft.

Unsere Berlinalekritik:
https://weltexpresso.de/index.php/kino/12260-3-tage-in-quiberon

Foto:
Emely Atef l. mit ihrer Hauptdarstellerin Marie Bäumer r.
© berlinale.de

Info:
„3 Tage in Quiberon“, D / Ö / F 2018, 110 Minuten, Filmstart 12. April 2018
Regie und Drehbuch Emily Atef

Darsteller:
Marie Bäumer
Birgit Minichmayr
Robert Gwisdek
Charly Hübner
Denis Lavant