f emilyatefSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. April 2018, Teil 7

N.N.

Berlin (Weltexpresso) - Für Generationen deutscher Kino- und Fernsehzuschauer ist das alljährliche „Sissi“-Schauen an Weihnachten Teil der Biografie. Romy Schneiders weitere Arbeiten - besonders diejenigen in Frankreich - werden ganz anders wahrgenommen. Wie haben Sie sich dem Thema und der Person Romy Schneider angenähert?

Meine Mutter ist Französin und den Großteil meiner Kindheit und Jugend habe ich in Frankreich verbracht. Dadurch bin ich nicht durch Romys frühe Filme geprägt, die habe ich erst vor einigen Jahren zum ersten Mal gesehen. Mitte der 1980er Jahre war ich in Frankreich im Internat und meine Mitbewohnerin war glühender Romy-Fan. Sie wünschte sich Romy regelrecht als eigene Mutter und hatte ihr Zimmer mit Postern und Artikeln über sie dekoriert. Im Film habe ich diese Erfahrung in Form der Teenager eingebaut, die Romy in der Dorfkneipe ansprechen. Jeden Tag bin ich also im Internat zwischen diesen Bildern eingeschlafen, die auch auf mich eine Faszination ausgeübt haben. Zu dieser Zeit lebte Romy bereits einige Jahre nicht mehr - aber ihr Ikonenstatus in Frankreich war ungebrochen. Romy war so beliebt, dass sie von vielen Franzosen als eine von ihnen angesehen wurde und sie wird immer noch dort sehr geliebt. Aber natürlich waren auch ihre privaten Dramen in Frankreich immer sehr präsent in den Medien. Ich erinnere mich, als ihr Sohn starb: Da haben die Menschen regelrecht mitgelitten über Jahre hinweg.

Für mich ist Romy also eher eine „französische Romy“, ich liebe das, was sie in dieser Zeit gedreht hat. Ich bin mit den Filmen von Claude Sautet groß geworden wie „Die Dinge des Lebens“, „Cesar und Rosalie“. Meine Lieblingsfilme mit Romy sind übrigens „Eine einfache Geschichte“ oder auch „Der Zug – Nur ein Hauch von Glück“ mit Jean Louis Trintignant oder „La Piscine“ von Jacques Deray. Romys Spiel ist einfach wundervoll wahrhaftig! Bei diesen Projekten konnte sie wirklich in die Tiefe ihrer Figuren gehen und alle Facetten ihrer Schauspielkunst zeigen. Was ihre deutschen Produktionen angeht: Ich kann verstehen, dass sie als Künstlerin Abstand dazu suchte. Es wurden ihr in Deutschland keine Charakterrollen angeboten, sondern man sah in Romy das süße Mädchen in schönen Kostümen. Dennoch sind sie Teil eines kollektiven Filmgedächtnisses und bewegen nach wie vor viele Menschen.


Haben Sie das Projekt mit initiiert?

Nein, es kam über den französischen Produzenten Denis Poncet und Marie Bäumer zu mir, die miteinander befreundet waren. Denis ist leider während des Entstehungsprozesses des Films gestorben. Die Idee zu dem Film kam ursprünglich von ihm. Marie Bäumer lebt in Frankreich und ist - ähnlich wie Romy - sehr frankophil. Bisher hatte sie es aber abgelehnt, in Biopics oder TV- Filmen über Romy Schneider eine Hauptrolle zu übernehmen. Denis hat aber nicht locker gelassen und konnte Marie schließlich überzeugen, in 3 TAGE IN QUIBERON eine Hauptrolle zu übernehmen. Allerdings war von Anfang an klar, dass dieser Film ein deutscher Film sein sollte – schließlich ist er inspiriert von einem Interview, das in einem deutschsprachigen Nachrichtenmagazin zu lesen war.

Als man mir das Projekt anbot, hatte ich also schon eine emotionale Bindung zu Romy Schneider und habe dann erst einmal viel über sie recherchiert. Robert Lebecks Fotos in Quiberon haben mich sofort angesprochen. Diese intimen, uneitlen, wahrhaftigen Bilder berührten mich. Auf vielen Fotos ist Romy nicht einmal geschminkt. Lebeck ist es 1981 gelungen, den Menschen Romy, nicht den Weltstar und den Mythos Romy Schneider zu fotografieren. Anschließend habe ich das Interview von Jürgs im STERN gelesen und auch da ging es sehr stark um die Persönlichkeit Romy Schneider nicht um eine der bekanntesten europäischen Schauspielerinnen aller Zeiten. Für mich stand die persönliche Annäherung ebenfalls im Fokus, als ich begonnen habe, meinen Film zu drehen.


Warum bilden genau die 3 Tage in Quiberon den zeitlichen Rahmen für Ihren Film?

Der französische Produzent Denis Poncet und seine Frau haben sich intensiv mit Robert Lebecks Fotografien beschäftigt, dazu hat sie – wie später auch mich – Michael Jürgs' STERN-Interview von 1981 sehr beeindruckt. Lebecks Schwarz- Weiß-Bilder an den Felsen, in der Bar und während des Interviews haben mich in ihren Bann gezogen. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich sie betrachtet habe. Romy wirkt auf ihnen so offen und verletzlich und die ganze, heute undenkbare Situation zwischen ihr, ihrer Freundin und den Journalisten glich fast einer intimen Gesprächssituation unter Freunden. Ich konnte auch Michael Jürgs, der das Interview 1981 in Quiberon führte, ausführlich zu seinen Erfahrungen befragen. Er hat ein gutes Gedächtnis, hat viel erzählt - auch kleine Anekdoten - und ich habe ihn immer anrufen können, während ich das Drehbuch schrieb. Auch den über 80jährigen Robert Lebeck konnte ich kurz vor seinem Tod ein paar Mal besuchen. Er war zu dieser Zeit schon sehr krank, aber seine Erinnerung an die Zeit war sehr klar. Übrigens stammt der Titel von ihm: als ich einmal bei ihm war, hat er gesagt „Der Film könnte doch 3 TAGE IN QUIBERON heißen“. Mir gefiel die Idee sofort.


In der Tat ist ein solcher Interviewtermin mit einem Star dieser Größenordnung heute undenkbar, auch der Ort: Ein Luxus-Gesundheitshotel, in das Romy sich zur Erholung zurückgezogen hatte.

Die Mechanismen des Journalismus waren sicher andere, aber auch eine solche Schauspielerinnen-Persönlichkeit hat es selten gegeben. Romy verfügte über keinerlei Filter, konnte sich komplett öffnen – erst recht, wenn sie etwas getrunken hatte, denn da wurde sie noch emotionaler. Und ja der Ort: das Magische an Quiberon ist, dass sich in der Umgebung aufgrund strikter Bebauungsvorschriften der Bretagne kaum etwas verändert hat. Wunderbarerweise haben wir exakt dieselben Felskonstellationen wie auf Lebecks Fotos vorgefunden und konnten so eine sehr ähnliche Atmosphäre herstellen. Das Hotel ist noch heute in Betrieb, viele Prominente gehen dorthin zur Kur. Die Außenfassade ist komplett erhalten, den gesamten Innenbereich hat meine Szenenbildnerin Silke Fischer und ihr Team für den Film auf Fehmarn bauen lassen.


Warum haben Sie dazu entschieden, ihren Film in schwarz-weiß zu drehen?

Lebeck und seine Frau Cordula haben mir alle Bilder, die Lebeck während der drei Tage in Quiberon gemacht hat, anvertraut. Nur 20 Bilder hatte man damals veröffentlicht und nun hatte ich Zugang zu einem Archiv von fast 600 Bildern, darunter Probeaufnahmen, Schnappschüsse aus der Nacht in der Bar und unscharfe Fotos, die Jürgs von Romy und Lebeck aufgrund einer falschen Belichtung gemacht hatte. Für mich als Autorin und Regisseurin waren diese Fotos von unschätzbarem und sehr inspirierendem Wert. Als ich anfing, das Drehbuch zu schreiben, sah ich alle Szenen in schwarz-weiß. Es ging gar nicht anders, schwarz-weiß fühlte sich einfach richtig an. Es funktioniert für mich als Brücke zu der fiktionalen Geschichte, die wir erzählen: Weg von Marie Bäumer, hin zu Romy Schneider und der Atmosphäre von Lebecks Bildern. Die Bilder, die mein Kameramann Thomas Kiennast anschließend beim Dreh gemacht hat, sehen umwerfend schön aus.


Wie sehen Sie insgesamt das Verhältnis von Wahrhaftigkeit und Fiktion in Ihrem Film?

Die Fotos von Lebeck und das Interview von Jürgs sowie die Gespräche mit beiden waren meine Inspiration. Darüber hinaus habe ich natürlich recherchiert, sehr viel gelesen, Dokumentationen und Filme gesehen. Was mir aber sehr wichtig ist: Es geht nicht darum, die Erlebnisse der Beteiligten an diesen drei Tagen in Quiberon realitätsgetreu nachzuerzählen, sondern ich will einen Zustand erlebbar machen. Die Realität diente mir als Inspiration, um eine eigene Geschichte daraus zu entwickeln. Dafür war viel Recherche, aber umso mehr Fiktion notwendig. Auch das Interview von Michael Jürgs ist nicht eins zu eins das Interview aus dem STERN, sondern meine eigene Interpretation.

Die Figur der Freundin Hilde ist übrigens total frei erfunden, auch wenn es ein reales Vorbild für sie gibt. Ich wollte nicht nur „Romy und die Männer“ zeigen, sondern auch eine andere Form von Intimität zwischen Freundinnen. Romys Freundin, die damals dabei war, wollte im Unterschied zu Jürgs und Lebeck nicht im Film auftauchen.

Aber sie hat mir erlaubt, eine fiktive Freundin zu kreieren, was ein Glück für mich war.


Keiner der noch lebenden Personen aus den Quiberon-Sessions hat aber versucht, den Inhalt zu kontrollieren?

Nein, ich war da sehr frei. Mit Jürgs gab es schon Diskussionen über seine Figur - aber er versteht, dass der Jürgs aus dem Film Fiktion ist und dass Jürgs die Figur mit der größten Entwicklung ist: Vom anfänglich sehr ehrgeizigen und manipulativen Antagonisten zu jemandem, der am Ende Gefühl zulässt und loslassen kann. Jürgs steht voll hinter dem Film und findet dessen Atmosphäre authentisch und treffend.

Michael Jürgs ist es damals in Quiberon gelungen, Romys Vertrauen zu gewinnen. Nach dem tödlichen Unfall ihres Sohns im selben Jahr, in dem das Interview in Quiberon entstand, hat sie sich vor der Presse versteckt. Nur Jürgs und Lebeck hat sie noch einmal zu sich eingeladen und ein unendlich trauriges Interview gegeben. Jürgs hat dieses Interview aber nie veröffentlicht. Das Interview im STERN von 1981war das letzte Interview, das Romy einem deutschen Journalisten gegeben hat. Danach lebte sie nur noch ein knappes Jahr.

Unsere Berlinalekritik:
https://weltexpresso.de/index.php/kino/12260-3-tage-in-quiberon

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
Emely Atef l. mit ihrer Hauptdarstellerin Marie Bäumer r.
© berlinale.de

Info:
„3 Tage in Quiberon“, D / Ö / F 2018, 110 Minuten, Filmstart 12. April 2018
Regie und Drehbuch Emily Atef

Darsteller:
Marie Bäumer
Birgit Minichmayr
Robert Gwisdek
Charly Hübner
Denis Lavant