Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. April 2018, Teil 1
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - April 2013 in Boston: Der Costco-Angestellte Jeff Bauman (Jake Gyllenhaal) ist ein durchschnittlicher etwas unzuverlässiger Typ, der immer noch bei seiner trinkfreudigen Mutter Patty (Miranda Richardson) lebt und sich abends gerne mit seinen ähnlich gestrickten Freunden in einer Bar trifft. Wegen seiner Unzuverlässigkeit hat sich gerade seine Freundin Erin Hurley (Tatiana Maslany) zum dritten Mal von ihm getrennt.
Erin will in diesem Jahr beim Boston-Marathon mitlaufen. Da Jeff versucht, sie zurückzugewinnen, beschließt er, sie am Ziel mit einem selbstgemalten Plakat zu empfangen. Jeff ist ausnahmsweise einmal pünktlich. Kurz bevor Erin ins Ziel laufen kann, explodieren in der Nähe der Ziellinie zwei Bomben.
Jeff steht ganz in der Nähe von einer der Bomben. Als er im Krankenhaus erwacht, müssen ihm die Ärzte mitteilen, dass sie ihm beide Beine unterhalb der Knie amputieren mussten. Nach dem Aufwachen will er sofort einen Mitarbeiter des FBI sprechen, denn er ist in der Lage eine genaue Beschreibung von einem der Terroristen zu geben. Der wird auch später als Tamerlan Tsarnaev identifiziert.
Dadurch wird Jeff Bauman zu einem der Helden und als Symbol des Widerstandes gegen den Terrorismus unter der Bezeichnung "Boston Strong" bekannt.
Jeff wird von der Presse hochgejubelt, überall von Kameraleuten und Journalisten verfolgt. Vor allem seine Mutter und sein Freundeskreis, die sich auch in seiner Berühmtheit sonnen, wollen andauernd mit ihm zusammen im Rampenlicht stehen. Daneben beginnt für Jeff persönlich eine monatelange und schmerzhafte Rehabilitationsmaßnahme, an deren Ende er das Laufen mit Beinprothesen erlernen muss.
Erin steht ihm während der gesamten Behandlung bei. Sie gibt sogar ihren Beruf auf und zieht ins Haus zusammen mit Jeffs Mutter. Da Jeff aber immer mehr auf seine alten Verhaltsmuster zurückfällt, stellt ihm Erin ein Ultimatum. Er muss sich entscheiden, welchen Weg er langfristig gehen will...
Der Bombenanschlag der Brüder Dschochar und Tamerlan Zarnajew auf den traditionsreichen Boston Marathon ereignete sich am Patriot's Day, der 2013 auf den 15. April fiel. Auf der Zielgeraden zündeten etwa 4 Stunden nach dem Start im Abstand von 13 Sekunden zwei in Rucksäcken versteckte Sprengsätze, dadurch wurden drei Menschen getötet und 264 weitere schwer verletzt.
"Stronger" ist innerhalb kurzer Zeit der zweite Film nach "Boston" (2016), der sich mit dem Bombenattentat beschäftigt. Während "Boston" den Tathergang und die Verfolgung und Festnahme der Täter thematisiert, schildert "Stronger", wie das Leben von einem der Opfer danach weitergegangen ist.
Regisseur von "Stronger" ist David Gordon Green nach dem Drehbuch von John Pollono, dem wiederum das gleichnamige Buch von 2014 von Jeff Bauman und Bret Witter zu Grunde lag.
Der Film zeigt bewusst, wie durch das Attentat der Durchhaltewillen in typisch amerikanisch-nationalistischer Weise angestachelt wurde. In dieser Situation braucht es Helden, zu denen Jeff Bauman hochstilisiert wurde, ohne, dass er sich dagegen wehren konnte. Dies macht der Film deutlich, z.B. wenn Jeff Bauman in seinem Rollstuhl mit einer großen amerikanischen Fahne in der Hand vor einem Football-Spiel aufs Spielfeld geschoben wird.
Jake Gyllenhaal, der den Film auch produziert hat, zeigt allerdings durch seine hervorragende Performance die Gebrochenheit der Person, die es aber auch nicht schafft, sich dem Trubel um seine Person zu entziehen. Ja er beginnt sogar wieder in alte Rollenmuster zurückzufallen, z.B. wenn Erin ihn nach einem nächtlichen Gelage betrunken im Bad findet, während seine Mutter ihren Rausch ausschläft. Denn es ist vor allem seine Mutter Patty (hervorragend Miranda Richardson als rettenrauchende, alkohol-trinkende Frau), die plötzlich durch den Unfall ihres Sohnes im Mittelpunkt steht und die dies sichtlich genießt.
Insgesamt ist "Stronger" ein Film, der sich nicht am Schmerz seiner Hauptfigur laben will, sondern er erzählt durchaus ambivalent, authentisch und beispielhaft, welche Probleme die Opfer von Attentaten haben können. Das gelingt vor allem durch die herausragende Darstellung von Jake Gyllenhaal, der es schafft, das körperliche und seelische Leiden sowie die innere Zerrissenheit eines Mannes, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, deutlich zu machen. Obwohl der Film an manchen Stellen doch recht pathetisch ausfällt, funktioniert er auch deshalb, weil die dahinterstehende Geschichte wahr ist und weil die Darsteller der Hauptrollen starke Leistungen zeigen und absolut glaubhaft rüberkommen.
Foto 1: Filmplakat © Studiocanal GmbH
Foto 2: Jeff Bauman (Jake Gyllenhaal) kämpft sich, unterstützt von seiner Mutter (Miranda Richardson) und seiner Exfreundin Erin (Tatiana Maslany), zurück ins Leben. © Studiocanal GmbH
Info:
Stronger (USA 2017)
Originaltitel: Stronger
Genre: Drama, Biografie
Filmlänge: 119 Min.
Regie: David Gordon Green
Drehbuch: John Pollono, nach dem Buch "Stronger" (2014) von Jeff Bauman und Bret Witter
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Tatiana Maslany, Miranda Richardson u.a.
Verleih: Studiocanal GmbH
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 19.04.2018