f zeughauskinoApril bis Juni 2018 im Zeughauskino Berlin 

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) - Meist berichten wir national und erst recht international, was Filme angeht, nur über Festivals, von den jeden Donnerstag in Deutschland anlaufenden Filmen abgesehen. Aber die außerordentlich interessanten Filmreihen, die meist in kommunalen Kinos, bzw. derartigen Einrichtungen unter einem bestimmten Thema ablaufen, kommen dabei zu kurz. Das soll sich ändern!

Film und Museum
Passage durch eine Beziehungsgeschichte
4. April bis 13. Mai 2018

Was geschieht, wenn das Medium der Masse die bildungsbürgerliche Institution par excellence aufsucht, wenn die Kamera zum Ausstellungs- und Museumsführer wird? Seit den 1960er Jahren verlassen künstlerisch ambitionierte Filme das Kino und migrieren ins Museum, um dort neue Räume und Displays zu erobern. Nicht minder auffällig ist jedoch die umgekehrte Marschrichtung: Filme wenden sich dem Museum zu. Film und Museum widmet sich einer Beziehungsgeschichte, die von inniger Umarmung bis spöttischer Abwehr reicht. Zu sehen sind unter anderem dokumentarische Portraits wie das des Louvre von Nicolas Philibert oder das des Kunsthistorischen Museums in Wien von Johannes Holzhausen, Heist-Movies wie Topkapi (USA 1964), Experimentalfilme des kanadischen Künstlers Mark Lewis und Paul Lenis Das Wachsfigurenkabinett (D 1924). Am 18. April wird die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy Berliner Museumsfilme der 1930er Jahre vorstellen.

Darüber hatte Weltexpresso schon eine inhaltliche Vorschau veröffentlicht.


Querläufer
Retrospektive Helmut Käutner
12. April bis 30. Juni 2018

Den politischen Zeitläufen folgend, galt das Œuvre von Helmut Käutner lange als ein zweigeteiltes. Geschätzt wurden viele der im Nationalsozialismus entstandenen, dort scheinbar einschmuggelten Filme; kritisiert fast ausnahmslos die Arbeiten der Adenauer-Ära. Hier die Hoffnungen, die Filme wie Romanze in Moll (1943) und Große Freiheit Nr. 7 (1944) weckten, dort die Enttäuschungen der Nachkriegszeit. „Zuerst war ich immer das enfant terrible und plötzlich der Papa von Opas Kino. In der Mitte war ich nie“, beschrieb Käutner rückblickend seinen Werdegang. Selbst dort, wo sich seine Filme der Nachgeschichte des Faschismus und den Verwerfungen der Gegenwart zuwenden, wo komplexe, kritische Zeitbilder entstanden sind, selbst mit diesen Arbeiten wurde Käutner kein Platz in der Mitte des bundesrepublikanischen Kinos zuteil. Heute gelten seine Studien über das geteilte Deutschland (Himmel ohne Sterne) und die Abgründe im Wirtschaftswunderland (Der Rest ist Schweigen, Schwarzer Kies) als zentrale Wegmarken eines anderen Films in der Adenauer-Ära. Damals konnte die deutsche Filmkritik nur Verklärung und  Anmaßung diagnostizieren, und als einige Jahre später die Oberhausener Gruppe zu neuen Ufern aufbrach, war Opas Kino schlichtweg für tot erklärt und Käutner als väterlicher Freund auf dieser Reise unerwünscht. Im Rahmen einer umfangreichen Retrospektive präsentiert das Zeughauskino Käutners vielseitiges, an Querläufern reiches Œuvre.

Auch dazu gab es in Weltexpresso schon Ausführlicheres zu lesen.


Entdeckungen
Polnische Stummfilme der 1920er Jahre
26. April bis 1. Mai 2018

Nach 123 Jahren der Teilung erscheint Polen als ein unabhängiger, souveräner Staat 1918 wieder auf der Landkarte Europas: ein außerordentliches politisches Ereignis, das auch das Verlangen nach symbolischen Handlungen weckt, nach Mythen und Erzählungen, die eine nationale Identität und kollektive Erinnerungen stiften könnten. Wenngleich im Konzert der Künste nicht die führende Stimme, reagiert das polnische Kino auf dieses Bedürfnis, und es entstehen im noch jungen Staat Filme, deren Stoffe, Figuren und Geschichten in der polnischen Kulturgeschichte beheimatet sind und die damit auch politischen Forderungen nach „polnischen Themen“ Rechnung tragen. Andererseits sind diese Produktionen der Zwischenkriegszeit, die sich im Kino einer Übermacht ausländischer Filme gegenübersehen, unverkennbar von den europäischen Avantgarden beeinflusst. Im Rahmen des Festivals filmPOLSKA sind im Zeughauskino fünf polnische Stummfilme aus den 1920er Jahren zu erleben, darunter Mocny człowiek (1929, Regie: Henryk Szaro), der lange als verschollen galt, bis 1997 im Archiv der Cinémathèque Royale in Brüssel eine Kopie gefunden wurde.



Vom Anfang Israels
Die ersten Jahre und das israelische Kino
15. bis 27. Mai 2018

In den 70 Jahren israelischer Filmgeschichte kehren Regisseurinnen und Regisseure immer wieder zu den ersten Gründungsjahren Israels zurück. Während der Film zunächst noch ein Mittel der Geschichtsschreibung ist, untersuchen sie ab Ende der 1960er Jahre die Legenden der „ersten Israelis“ (Tom Segev) kritisch. Persönliche Geschichten, die nicht in einem Nationalnarrativ aufgehen, lösen heroische Darstellungen ab. Anlässlich des 70. Jahrestags der Staatsgründung Israels zeigt das Zeughauskino eine Auswahl von diesen Filmen, darunter Yosef Millos 1967 entstandenen Film Hu Halach B'Sadot (He Walked Through the Fields) und Moshé Mizrahis autobiografischen Film Ha-Bayit Berechov Chelouche (Das Haus in der dritten Straße).


Europa und das Meer
16. bis 30. Juni 2018

Spätestens seit der Aufnahme des Meeres in die Poetik des Kinos durch den italienischen Neorealismus kehren europäische Filmemacherinnen und Filmemacher immer wieder zum Raum des Meeres zurück. In jedem einzelnen Werk entfaltet sich diese Begegnung auf eigene Weise, werden bedeutende Hafenstädte wie Lissabon, Marseille oder Plymouth erkundet oder Schiffserlebnisse erzählt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich auf das Meer einlassen, sich dem Horizont hingeben, ihn zu überschreiten versuchen und die Wahrnehmungen intensivieren. Im Rahmen unserer ausstellungsbegleitenden Filmreihe Europa und das Meer beleuchten wir die ästhetische Kondition der Meeresbegegnung und präsentieren spannungsgeladene Werke, die aufgrund ihrer extremen Eigenständigkeit eine marginalisierte Position in der Filmgeschichtsschreibung einnehmen.


Aus dem Fernseharchiv
Regie: Falk Harnack

Im Rahmen der Reihe Aus dem Fernseharchiv präsentieren das Zeughauskino und die Deutsche Kinemathek monatlich einen Fernsehspielfilm in der Regel aus den 1960er oder 1970er Jahren – seit Anfang 2018 aus dem Bestand der Sammlung Fernsehen der Deutschen Kinemathek. Im zweiten Quartal stehen drei Fernsehfilme auf dem Spielplan, die unter der Regie von Falk Harnack (1913-1991) entstanden sind: Unwiederbringlich (BRD 1968, 8. und 11. April), Ein Fall für Herrn Schmidt (BRD 1971, 19. und 20. Mai) und Silverson (BRD 1974, 19. und 23. Juni).

Der aus einer Akademikerfamilie stammende Harnack war frühzeitig im Widerstand gegen die Nazis, hatte das „Dritte Reich“ jedoch mit viel Glück überlebt – im Gegensatz zu seinem Bruder Arvid Harnack, dessen Frau Mildred oder seinen Cousins Ernst von Harnack und Dietrich Bonhoeffer. Bei der jungen DEFA wirkte Falk Harnack, der zunächst nur beim Theater gearbeitet hatte, 1949-52 als künstlerischer Direktor. Nachdem seine Arnold-Zweig-Adaption Das Beil von Wandsbek in der DDR angegriffen worden war und sich weitere DEFA-Projekte zerschlagen hatten, versuchte er in der westdeutschen Filmindustrie Fuß zu fassen, wo er jedoch nur wenige Werke inszenieren konnte. Ab Ende der 1950er Jahre arbeitete Harnack, außer am Theater, fast ausschließlich für das Fernsehen – weshalb sein ebenso umfangreiches wie bedeutendes Schaffen mittlerweile kaum mehr präsent ist.


Berlin.Dokument

Unter dem Titel Berlin.Dokument präsentiert das Zeughauskino in chronologischer Folge monatlich ein Programm mit dokumentarischen Aufnahmen von Berlin. Am 1. und 3.  April versammelt die Reihe die beiden Portraitfilme Die Stationen der Lore Diener (BRD 1975, Regie: Ulrich Leinweber) und Martha (DDR 1979, Regie: Jürgen Böttcher), die von den Lebenswegen zweier Berlinerinnen aus einfachen Verhältnissen erzählen: Lore Diener, die als Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau eingeliefert wird; und Martha Bieder, die mit 68 Jahren immer noch auf dem Bau arbeitet und im VEB Kombinat Tiefbau in Rummelsburg, am Förderband stehend, Metallteile aus dem Bauschutt sortiert.  Unter dem Motto „Wie der deutsche Tonfilm Berlin und die Berliner zeigt“ kompiliert Berlin – Dein Filmgesicht (BRD 1979, Regie: Hans Borgelt) – das Berlin.Dokument-Programm am 11. und 12. Mai – Ausschnitte aus 48 Spielfilmen. Im Juni wird die Reihe eine Spielpause einlegen.

Foto: 
©

Info:
Das Zeughauskino sagt über sich:

DAS ZEUGHAUSKINO
Das Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums präsentiert Filmreihen der besonderen Art: Programme, die aus der gesamten Filmgeschichte schöpfen, Querschnitte nach thematischen, historischen und biografischen Gesichtspunkten sowie Zyklen zu zeitgenössischen Filmkulturen. Das Augenmerk gilt bevorzugt Filmen, Genres und Perioden, die wenig oder nicht bekannt sind. Raritäten aus den Archiven der Welt, die in Deutschland nur sehr selten oder noch gar nicht zu sehen waren, zeigt das Zeughauskino in der Originalfassung. Stummfilme – bekannte, außergewöhnliche, neu entdeckte oder frisch restaurierte – werden live von Pianisten und Ensembles begleitet.

Das Zeughauskino befindet sich auf der Ostseite des barocken Zeughauses, in dem ein Teil des DHM untergebracht ist. Der Kinosaal, der 2004 nach einer Renovierung neu eröffnet wurde, bietet 166 Zuschauern Platz.