go THE INTERPRETER thumbVom 18. bis 24. April 2018 gibt das goEast-Festival in Wiesbaden zum 18. Mal einen Einblick in die mittel- und osteuropäische Filmszene, Teil 10

Claudia Schulmerich

Wiesbaden (Weltexpresso) – Als Sonntagsmatinee gab es diesmal DEN DOLMETSCHER, einen Film des slowakischen Drehbuchautors und Regisseurs Martin Šulík , der auch als Schauspieler in seiner Heimat und den angrenzenden Ländern sehr bekannt ist und hier nur deswegen nicht jedem bekannt ist, weil in Deutschland der filmische Blick nach Westen geht, insbesondere in die USA und die so guten Filme aus Mittel- und Osteuropa kaum bekannt sind.

In Österreich schon eher und so ist dieser Film, der in Wien seinen Ausgangspunkt hat, einer, in der die Tschechische Republik, Slowakei und Österreich zusammenarbeiten, die einst in Österreich-Ungarn zusammengehörten, aber hier eine Geschichte aufarbeiten, die in die Gräuel der Nationalsozialisten zurückführt, wo die okkupierenden Deutschen eben auf zu viele willige Vollstrecker ihrer Mordpläne fanden. Deshalb ist der 80-jährige Ali Ungár (Jiri Menzel) auf dem Weg nach Wien, man sieht ihn, wie er ordentlich seine Sachen zusammenpackt, ein richtiger Bürokrat denkt man, was wertneutral gemeint ist, soll es doch nur die Anständigkeit und Pflichterfüllung ausdrücken, die von diesem Mann auf der Leinwand ausgeht. Und dann sieht man kurz die Pistole, die er – überraschend – in der Hosentasche trägt.

Später erfährt man, daß er in einem Buch eines einstigen SS-Offiziers den Mann gefunden hat, der seine Eltern hat hinrichten lassen, ein gewisser Dr. Graubner, der im 9ten Bezirk in der Türkenstraße in Wien wohnt. Dorthin macht sich nun Ali Ungár auf, denn dieser SS-Obersturmbannführer hat tatsächlich seine Missetaten, ach was, Verbrechen auch noch dokumentiert. Er schellt – und man muß wirklich sagen, daß dieser Anfang furios ist und die Drolligkeit und Besonderheit dieses Filmanfangs noch sehr lange nachwirkt, was angesichts des düsteren Hintergrunds eine Leistung ist! - und nach längerem Lästigsein öffnet sich die Tür und mit Ali treffen wir auf einen aufgeräumten, aber distanzierten Wohnungsinhaber namens Georg (Peter Simonischek), ein Lehrer im Ruhestand und 70 Jahre alt, wie wir später erfahren.

Als Ali nach dem Wohnungsinhaber fragt, erzählt ihm Georg, daß dies sein Vater war, den er Jahrzehnte nicht gesehen hatte und der gestorben sei, weswegen er jetzt die Wohnung bewohne. Was macht einer, der auf Rache aus ist und sich auf den Weg gemacht hat. Er fragt nach der Toilette. Die darf er benutzen und bekommt auch das erbetene Glas Wasser und hat so nebenbei längst den älteren Lebemann und unernsthaften Mann in Georg erkannt. Der nun wiederum, ein rechter Nichtsnutz, ist irgendwie beeindruckt von der Beharrlichkeit des ehrenwerten Herrn aus Bratislava beeindruckt, zudem fängt er an, sich jetzt in seinem Alter mit seinem Vater und dessen Verstrickung in den Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

Also wird er aktiv und bitten Ali Ungár, der passenderweise Dolmetscher ist, ihn auf der Fahrt in die Tätigkeitsbereiche seines Vaters in die Slowakei zu begleiten, um mehr darüber zu erfahren, wer sein Vater war und für was er stand. Und das gerät am Anfang spannend und auch überraschend, denn an einigen Standorten trifft er noch auf Überlebende und vor allem auf viele Videokassetten, wo längst Gestorbene von den Verbrechen der damaligen Zeit und der besonderen Grausamkeit dieses Dr. Graubner berichten.

Man muß nach Toni Erdmann, wo Simonischeks Vater mit dem künstlichen Gebiß eine Kultfigur wurde, natürlich bei seinem Auftritt auf der Leinwand an diese Rolle denken, so prägend war sie. Aber dies vergißt man schnell, denn auch im Normalmaß eines ehemaligen Lehrers ist er am richtigen Platz und gibt dem selbstzufriedenen Bonvivant genauso Statur wie der sture Pendant Jiri Menzel – ein Pärchen wie Max und Klärchen - uns immer mehr ans Herz wächst, weil er in dem Durcheinander, das nach und nach entsteht, der stabile Faktor wird, der alles zusammenhält.

Dadurch nimmt der Film, der so eindeutig begann, aber einen Zickzackkurs, der dann durch einen fulminanten Schluß wieder eingeholt werden. Dieser Schluß rechtfertigt dann auch manches, darf aber hier nicht verraten worden.

Foto:
© goEast

Info:
goEast am 22. April im Caligari Wiesbaden

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