Bildschirmfoto 2018 04 29 um 10.26.41Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. April 2018, Teil 12

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tja, was bedeutet DJAM? Warum nimmt man diesen Titel, bei dem man, wenn man hört, daß es ein Film um Musik ist, erst einmal an ein Instrument oder ein Musikstück denkt. Aber nein, viel einfacher. DJAM ist ein Name, DJAM heißt die junge griechische Musikerin (Daphné Patakia) , die wir in diesem Film begleiten.

In einem Film, der der Musik huldigt, speziell dem griechischen Rembetiko seine Aufwartung macht und damit für viele Heutigen eine im 20. Jahrhundert gängige Musik lebendig werden läßt, von der sie nichts ahnten. Besser als Theorie ist die Praxis und so beginnt der Film mit einem Lied, das von Liebe erzählt, einer Liebe, die ist, aber die nicht sein darf, denn der, der eigentlich singt, ist ein Mann, der eine verheiratete Frau liebt. Und sie ihn auch, hoffen wir doch. DJAM liebt es, alte Lieder zu singen, die eine heile Welt Griechenlands vermitteln, die es übrigens niemals gab, aber es gab das Bild von Griechenland in seiner Selbstdarstellung und dazu gehört die Rembetikomusik, die in großem Stil mit den Gefühlen leidet oder sich ins Unendliche aufschwingt.

Letzten Endes ist es nämlich egal, worum geklagt und gejammert wird, Rembetiko vermittelt eine melancholische Grundstimmung, in der es immer um Verlust geht, eine große Liebe oder ein schönes Leben oder ein großgedachtes Land, was aus vielfältigen Motiven dem Singenden entrissen wurde, weshalb die grandiosen Gefühle in eine schwelgerische Klangwelt einfließen, die wehmütig an einstige Größe denken läßt. Aber diese Musik ist nicht verzweifelt, denn im Inneren hat der Sänger, hier DJAM, ja noch das Bild der grandiosen Zeit in sich, denn die Musik ist kein Abgesang des Alten, sondern das lebendige Erinnern an einst, weshalb diese Musik stark macht und nicht schwach.

So fühlt es auch DJAM, die mit Rembetiko gegen die Krise Griechenlands und gegen das ständige Darüberreden ansingt. Wie die Lieder der Arbeiterklasse sind diese Lieder auch welche des Widerstands, nur daß es nicht um Gegenmacht zum Kapital, sondern um einen inneren Widerstand gegen das Auslöschen von Zeit und Grandiosität geht. Bißchen viel Vorspann, um nun auch von der Handlung zu erzählen. Aber dies ist auch ein Film, bei dem die Absicht wichtiger ist, als die schnöde Leinwand.

Dieses Mädchen Djam mit ihrem Instrument und den Liedern auf den Lippen, wird von ihrem Onkel auf eine Mission geschickt. Ihm ist in seinem Boot, das ein Restaurant ist, eine Stange, die im Getriebe nötig ist, abgeschliffen, sie funktioniert nicht mehr. Ersatz ist aber in Griechenland nicht zu erhalten, weshalb Djam nach Istanbul reisen soll, wo ihr Onkel einen Werkzeugmacher kennt, der das Teil neu schmieden soll.

Das genau geschieht, aber inzwischen hat Djam in Istanbul die junge Französin Avril kennengelernt, der auf dem Weg an die Syrische Grenze, wo sie Flüchtlingen helfen will, ihr Paß und alles Geld gestohlen wird, weshalb sie sich Djam anschließt, die zurück nach Griechenland will und muß, wobei Lesbos die erste Station ist. Früher galt die Insel Lesbos rein als Touristenparadies, aber seit den Flüchtlingswellen auch als Flüchtlingshölle. Der Film findet für die Überforderung aller schöne Bilder, von denen man solche, wie den Riesenhaufen leerer Schwimmwesten nie wieder vergißt.

Inhaltlich geht es jetzt die Reise zurück. Die Flüchtlinge wollen nach vorne, aber Djam und Avril wollen zurück, das aber ohne jegliche negative Konnotation. Das wird allerdings nicht einfach. Denn zu Diebstahl, der die Weiterreise blockiert, gesellen sich alle möglichen Aufenthaltsverlängerungen. Aber doch, obwohl der Onkel seine Nichte und die Stange aus Istanbul längst aufgegeben hatte, kommen beide zurück. Im Ohr bleibt die Musik, die überhaupt das Wesentliche am Film bleibt, denn die beiden Frauenfiguren kommen einem immer wieder wie ein Luxusprodukt der Filmindustrie vor. Sie leben nicht ihr Leben, sondern sie verkörpern, was der Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb, ihnen auf den Leib schrieb. Dessen Gedanken sind sehr viel tiefer, als die flache Leinwand zeigen kann. Deshalb im Folgenden in zwei Teilen sein langes Interview.

Foto:
Djam und Avril © Verleih

Info:
Besetzung

Djam             Daphné Patakia
Kakourgos    Simon Abkarian
Avril              Maryne Cayon
Pano             Kimon Kouris
Solon            Solon Lekkas
Vater             Yannis Bostantzglou
Maria            Eleftheria Komi

DAPHNÉ PATAKIA (DJAM)
Daphné wuchs in Belgien auf und machte ihren Abschluss am griechischen Nationaltheater, seitdem kann man sie immer wieder in Major-Produktionen aus ganz Europa entdecken. Bekannt wurde sie durch ihre Rolle in Yorgos Zois‘ INTERRUPTION, der 2015 auf den Filmfestspielen Venedig seine Premiere feierte. Daphné war außerdem 2015 als Gangmitglied in Constantine Giannaris‘ Film SPRING AWAKENING zu sehen. Anfang 2016 wurde sie auf der Berlinale von einer Jury aus Experten zu einem der interessantesten Shootingstars Europas gewählt.

SIMON ABKARIAN (KAKOURGOS)
Seine Kindheit verbrachte der Armenier Simon Abkarian im Libanon, wo es eine große armenische Gemeinde gibt. Danach zog er nach Los Angeles, um Mitglied einer armenischen Theatergruppe unter der Führung von Gérald Papazian zu werden. 1985 zog er nach Paris und trat dem Théâtre du Soleil von Ariane Mnouchkine bei. Abkarian hat in ungefähr dreißig Filmen mitgewirkt.