f Isle Of Dogs 00239B flat orgSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. Mai 2018, Teil 1

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Wes Andersons „Isle Of Dogs - Ataris Reise“, der großartige, aber nicht unumstrittene Eröffnungsfilm der letzten Berlinale, kommt heute in die Kinos.

„Ich gucke keine schmalzigen Hundefilme!“ „Läppische Comics will ich nicht sehen!“ „Ich hasse computeranimierte Blubber-Streifen!“ Für Wes Andersons („Grand Budapest Hotel“) neues Werk, darf man sich nicht von seinen berechtigten Vorurteilen oder üblen Kinoerlebnissen beeinflussen lassen: „Isle of Dogs“ ist eine cineastische Meisterarbeit, in dem sich filmische Form und erzählter Inhalt genial ergänzen - und ganz großes Kino mit den Themen Freundschaft, Verrat und Widerstand gegen Unrecht. Ehrlich!

Wir werden im Folgenden sehen, dieser Trickfilm konnte gar nicht anders gedreht werden. Wie sonst hätte der Regisseur seine Ideen - mit sprechenden und doch authentisch wirkenden Hunde- und anderen Puppen - verwirklichen sollen? Er wollte mit seinem Team lediglich einen in Japan spielenden Film über Hunde machen. Daraus wurde dann eine unterhaltsame und dennoch berührende politische Parabel mit folgender Geschichte:

Der autoritäre Bürgermeister und Katzenliebhaber der japanischen Großstadt Megasaki organisiert ein Pogrom gegen grippekranke Hunde, um seine Macht zu festigen. Demonstrativ lässt er als erstes den Wachhund seines zwölfjährigen Pflegesohnes Atari verbannen. Sämtliche kranken und gesunden Hunde der Stadt werden auf eine riesige Müllinsel geschafft und führen dort ein jammervolles Leben, hungern und verwildern. Der Erfinder eines wirksamen Mittels gegen die Seuche wird ermordet, seine Forschungsergebnisse verschwiegen.

Als vor der nächsten Wahl alle Tiere auf der Abfalldeponie endgültig ausgerottet werden sollen, macht sich Atari in einem kleinen Flugzeug auf, um seinen Hund Spot zu retten. Dabei trifft er auf die eigensinnige Clique ehemaliger Rassehunde King, Rex und Boss sowie den Streuner Chief, die ihn bei der abenteuerlichen Suche nach seinem verschwundenen Freund unterstützt. Auf dem Festland kämpft zur gleichen Zeit eine rebellische Schülergruppe gegen den Massenmord an Hunden, doch die Maschinerie der Vernichtung ist bereits in Gang gesetzt...

Die noch komplexere Geschichte wird mit Rückblenden, Erinnerungen und Parallelhandlungen erzählt, die Dramatik durch spannende Musik verstärkt. Bereits nach kurzer Zeit nimmt man den Streifen kaum noch als Stop-Motion-Puppentrickfilm (siehe Kasten) wahr, denn die menschlichen und tierischen Figuren wirken trotz ihrer eigentümlichen Art sehr wirklich. Sie entführen uns in eine traumartige und doch glaubwürdige Zwischenwelt. Außerordentlich genau wurden die unterschiedlichen Charaktere der Hunde mit ihren deutlichen Gefühlsregungen herausgearbeitet. Im englischen Original übrigens noch stärker - durch die Stimmen Tilda Swintons, Scarlett Johanssons oder Bill Murrays - als in der deutschen Synchronisation. Andersons bisher politischster Streifen wirkt keinesfalls sozialpädagogisch überfrachtet und ist völlig kitschfrei. Die spannungsgeladene, manchmal humorvolle, manchmal beklemmende Erzählung endet mit der philosophischen Frage Ataris: „Wer sind wir?“


Stop-Motion-Trickfilm mit Puppen

Echte Figuren werden für wirkliche Handlungen animiert und abgefilmt, sie entstehen nicht im Computer. Für jedes einzeln mit der Kamera aufgenommene Bild werden die Puppen nur geringfügig verändert. In zweijähriger Arbeit ließ Anderson für sein Werk 1.000 Figuren per Hand herstellen, jede in fünf verschiedenen Größen; außerdem wurden 240 reale Modelle als Hintergrund angefertigt. Mit sehr wenig digitaler Unterstützung wurden darin insgesamt 130.000 Standbilder aufgenommen. Bei 24 Bildern pro Sekunde bewegen sich die Puppen im Film dann flüssig.

Foto:
Wes Anderson mit seinen Geschöpfen © 2018 Twentieth Century Fox

Info:
„Isle Of Dogs - Ataris Reise“, Regie Wes Anderson, USA / D 2018, 100 Minuten. Filmstart 10. Mai