f dogs2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. Mai 2018, Teil 3

N.N.

Berlin (Weltexpresso)  - Jedes Mitglied des kommunikativ begabten Trash Island-Rudels hat einen gut abgehangenen Hundenamen, der uns verrät, dass diese Hunde einst geliebt wurden und in der gesellschaftlichen Rangliste ganz oben standen: Chief, Rex, King, Duke, Boss. Diese Namen erinnern sie umso schmerzlicher an den Verlust ihrer alten Heimat unter den Menschen. Nachfolgend ihre Charakteristiken:

f dogs6Ein drahtiger, rauhaariger Köter mit stacheligem, geschecktem Fell und den Augen eines arktischen Schlittenhundes. Seine Rippen stechen hervor wie bei einem gusseisernen Heizkörper. Das ist Rex.Ein eleganter, rotfelliger Köter mit einer zobelbraunen Schnauze und einem gezwirbelten Schnauzbart. Er ist übersät mit Schorf, Narben, Schrammen und Kratzern. Das ist King.Ein kräftiger, mit schwarzen Flecken getupfter Köter mit schwarzen Pfoten und einem Schwanz wie eine ausgedrückte Zigarre. Er trägt einen schmutzigen, schmierigen, abgerissenen, gestreiften Hundepulli aus Wolle mit eingestickten Baseballbällen und darüber in quer verlaufender Kursivschrift das Wort „Dragons“. Das ist Boss. Ein bohemehafter Sennenhund. Feingliedriges Gesicht, schnittige Ohren, und der überelastische Gang eines Balletttänzers. Es fehlen ihm sieben Zähne und er hat den Reizhusten eines Schwindsüchtigen. Das ist Duke. Ein kohlschwarzer Jagdhund mit langen Beinen, schwarzer Schnauze, Boxerkinn, und von weißen Punkten gesprenkelten Schlappohren. Er besitzt den kompakten Knochenbau eines Mittelgewichtlers, aber die Ausgezehrtheit eines Langstreckenläufers. Das ist Chief.

Die Stimme von Chief, jenes grimmig autarken Streuners, der eine unerwartete Wandlung durchmacht, stammt von Bryan Cranston. „Chief ist ein eigenartiger Typ, besitzt aber natürliche Vornehmheit“, merkt Cranston an.

Cranston empfindet die Verbannung der Hunde aus der modernen Gesellschaft und ihren Überlebenskampf als eine eindeutige Allegorie auf den Menschen. „Dies ist eine Geschichte über weggeworfene Hunde, doch sie stehen auch für realistische Erfahrungen, die Menschen in jedem Land und in jeder Lebensphase durchmachen. Es gibt ausgestoßene Menschen, Weggeworfene. Und jene Ängste schürende Demagogie, die dazu führt, dass alle Hunde von Megasaki City auf eine Insel gebracht und sich selbst überlassen werden, lässt sich auch auf Menschen übertragen. Meiner Meinung nach handelt es sich um ein sehr zeitgemäßes Thema.“

Bei der Vorbereitung auf die Chief-Sprechrolle orientierte sich Cranston an Robert Aldrichs Filmklassiker THE DIRTY DOZEN („Das dreckige Dutzend“, 1967) über zwölf hartgesottene Militärsträflinge, die auf eine Himmelfahrtsmission ins Innere von Nazi-Deutschland geschickt werden. „Auch diese Männer waren Weggeworfene. Sie hatten nichts mehr zu verlieren, und so ergriffen sie die kleinste Überlebenschance. Wenn man jemandem – in diesem Falle einem Hund –, der völlig am Boden ist, nur ein winziges bisschen Hoffnung gibt, entfacht man die Sehnsucht nach mehr. Ob diese Sehnsucht tatsächlich erfüllt wird, ist fast unerheblich. Das Entscheidende dabei ist, dass man den Ehrgeiz, den Willen, die Stärke und die innere Versöhnungsbereitschaft aufbringt, einen Fuß nach den anderen zu setzen, weiter zu machen. Das ist es, was ich an Chief mag – er verkörpert die Idee, dass mit der Hoffnung eine zweite Chance einhergehen kann.“

Edward Norton ist die Stimme von Rex, der, als umtriebiger Anführer des Rudels, stets die Ruhe bewahren will. Norton erklärt Rex’ Herkunft: „Rex beschreibt sich als ein auf einem Sitzsack neben einem Elektro-Heizlüfter liegender Hund. Er ist also nicht der Hund eines reichen Mannes. Er war vielleicht bequeme Mittelschicht, vielleicht obere Mittelschicht. Aber er besitzt Arbeitsethik. Er ist durchaus rauflustig und dazu bereit, tatkräftig für seine Bedürfnisse zu kämpfen. Gleichzeitig hat er ein Grundbedürfnis nach Komfort, und deshalb ist Trash Island, psychologisch gesehen, schwierig für ihn. Er ist nicht unbegrenzt leidensfähig.“

Bill Murray - Boss – vertont einen Hund, der einst, als Sportmaskottchen, eine ruhmreiche Aufgabe hatte. Murray sagt: „Wenn man einen Erfolg erringen will, braucht man ein Maskottchen, etwas, das bei einem ist, wenn es schwierig wird, und auch etwas, das man bei sich haben will, wenn alles gut läuft. Das ist Boss.“ Murray, ein tierischer Hundefan, sagt über die Vierbeiner: „Sie sind ein Geschenk des Himmels, finde ich. Sie sind hier, um die Menschen, die sich ihrer annehmen, zu erleuchten.“

Jeff Goldblum empfand mit Duke, dem gesprächigen, neugierigen Jagdhund, der stets die Ohren am Boden hält, um die neuesten Gerüchte zu erfahren, eine gewisse Seelenverwandtschaft. „In dieser Zeit der großen sozialen Krise in der Hundwelt will Duke, glaube ich, nur das, was er immer schon wollte: eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Fellpflege, und eine jährliche Vorsorgeuntersuchung – was ungefähr dieselben drei Dinge sind, die auch ich verlange“, sagt Goldblum.

Letzten Endes sah Goldblum wenig Unterschiede zwischen einen Stop-Motion-Film von Wes Anderson und den Realfilmen von Wes Anderson, bei denen er oft dabei war. „Egal wie es gemacht wird, für mich fühlt es sich stets wie Schauspielern an. Ich würde sagen, dass man sich als Stimmschauspieler keine Sorgen über die Frisur oder über den Sonnenuntergang und solche Sachen machen muss“, so Goldblum. „Aber wenn man mit einem herausragenden Filmgenie wie Wes Anderson zusammenarbeitet, fühlt es sich dennoch wie echte Schauspielerei an, man probiert jede mögliche Art des Ausdrucks aus, und geht an die Grenzen seiner Vorstellungskraft.“

Spots hat viel Ärger und Gefahr durchgemacht, darunter auch mit den vermeintlich furchterregenden Kannibalenhunden auf der Insel. Diese Schlüsselrolle wird von Liev Schreiber übernommen. Spots war einst der geliebte Wachhund von Atari, dem Pflegesohn des Bürgermeisters. Doch der kurzhaarige Jagdhund mit den gefleckten Ohren ist auf Trash Island verschollen. Schreiber skizziert Spots als „hochtrainiertes, hoch entwickeltes Tier, der treue Gefährte von Atari und auch sein Beschützer. Ich finde, dass Spots in vieler Hinsicht das Ideal von Treue, Pflicht und Ehre verkörpert. Und er hat auch eine mitfühlende Seite, was schön für mich ist, weil ich diese Art von Charakteren nur selten spielen darf.“ Spots findet inmitten der Ruinen auch die Liebe, in Gestalt der sturmfesten Überlebenskämpferin Peppermint. „Peppermint wurde schrecklich misshandelt, und Spots Mitgefühl für sie verwandelt sich in Liebe“, erzählt Schreiber. „Er ist wirklich ein Hund, der sich um andere Hunde kümmert.“

King, vertont von Bob Balaban, befand sich als „spokesdog“ und Aushängeschild für Doggy Chop-Hundefutter auf dem Gipfel der Hundeberühmtheit, bevor man ihn auf Trash Island deponierte. „Ich kann mir gut vorstellen, dass er sich als etwas Besonderes empfand“, sagt Balaban. „Wie bei den Weimaranern von Hundefotograf William Wegman vermute ich mal, das auch King insgeheim gerne Hüte und Kostüme trug und es genoss, im Fokus von 20 Kameraleuten zu stehen, und, dass jedermann um sein Wohlergehen besorgt war. Und das gelegentliche Leckerli war das Sahnehäubchen auf der Hundetorte, könnte man sagen.“

Zu den rätselhaftesten Hunden auf Trash Island zählt Nutmeg, der kokette Show-Hund mit der Attitüde einer femme fatale und dem auffallend fleckenlosen Pelz. Sie wird vertont von Scarlett Johansson, die sich ihre eigenen Gedanken darüber gemacht hat, wieso Nutmeg in dieser widerlichen Umgebung stets so tadellos gepflegt ist.

„Nutmeg ist unglaublich erfinderisch. Sie hält ihr Fell sauber, indem sie in einer alten Kaffeebohnendose Müllasche sammelt. Sie reibt die Asche, von der Wurzel bis zur Spitze, in ihr Fell. Dies ist ein sehr wichtiger Teil des Prozesses. Man muss die Asche von der Wurzel bis zur Spitze auftragen. Dann schüttelt sie die restliche Asche ab, sammelt sie in der gefundenen Kaffeebohnendose, und bewahrt sie für das nächste Mal auf. Wie gesagt, sie ist äußerst erfinderisch“, so Johansson.

Weit entfernt von ihrem einstigen Biotop voller Wunder und Zaubertricks, ist Nutmeg auf Trash Island ein wenig zur Einzelgängerin geworden, doch dies wird Chief ändern. Schon beim ersten Beschnüffeln springt der Funke über. „Ich glaube, dass Nutmeg in Chief einen Überlebenskämpfer sieht“, sagt Johansson. „Sie weiß, was es heißt, etwas zu verlieren und dadurch umso stärker zu werden. Sie ist vielleicht zivilisierter als Chief, doch sie erkennt in ihm einen kämpferischen Geist mit dem Potential eines Anführers, und das erregt ihre Bewunderung. Außerdem hat er echten Biss – und wer mag nicht einen Typ mit Biss?“

Tilda Swinton vertont den Hund, der weit und breit als Oracle bekannt ist – wegen seiner Visionen, und weil er das Fernsehen versteht. So Swinton: „Wie kann Das Orakel in die Zukunft sehen? Sie versteht Fernsehen. Sie liest die Zeichen in den Gesichtern der Menschen, in den Zuckungen ihrer Nasen und Münder. Sie erkennt dadurch den Grad ihrer Angst.“ Swinton ergänzt, dass man sich beim Porträtieren eines Hundes vor allem eine Sache merken muss: „Das Herz eines Hundes ist unermesslich.“

Murray Abraham hegt große Bewunderung für seinen Rollencharakter, den weisen, wenn auch Terpentin-Brandy leckenden Jupiter. Abraham sagt: „Jupiter hat sich dafür entschieden, sein Leben nach Art einer Zen-Existenz zu leben. Ohne Witz: Ich wäre gerne so wie diese Kreatur. Ich finde es großartig, dass er ein Fässchen Schnaps an seinem Halsband trägt. Ich halte dies für sehr weise, denn man weiß nie, wann man einen kleinen Schluck braucht, oder wann man einen trifft, der einen brauchen könnte. Es ist auch gesellig und gemeinschaftsfördernd: wir trinken alle aus demselben Fass, wir genießen alles zusammen, wir werden gemeinsam einen Weg aus diesem Schlamassel finden. Wir könnten einen wie Jupiter in unserer armseligen alten Welt gut gebrauchen. So denke ich über Jupiter.“


Fotos:
 © 2018 Twentieth Century Fox

Info:
„Isle Of Dogs - Ataris Reise“, Regie Wes Anderson, USA / D 2018, 100 Minuten. Filmstart 10. Mai